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Kreative Spielwiese für Medienschaffende

29.04.2024

An der Mediaschool Bayern können sich Studierende ausprobieren. Live und vor Publikum. Bekanntestes Aushängeschild ist der Radiosender M94.5. Ziel: die Ausbildung des Mediennachwuchses.

Das sogenannte Selbstfahrerstudio ist der wichtigste Raum in jedem Radiosender. Dort können die Moderatorinnen und Moderatoren eigenständig die Songs hoch- und runterfahren oder zum Beispiel durch Ansagen live ins laufende Programm eingreifen. Jeden kleinsten Fehler hört das Publikum sofort. Daher hängt vor dem Studio auch eine echte Verkehrsampel, die grell rot leuchtet, wenn „on air“ gesendet wird.

„Das Studio ist unser Herzstück“, sagt Andre Wengenroth. Er ist betreuender Redakteur bei M94.5 in Ismaning. Und dann macht er etwas, was normalerweise niemals passieren sollte: Während die Musik läuft, drückt er ohne Vorwarnung den Stopp-Knopf. Er herrscht Stille. Im Studio – und auch bei den Hörerinnen und Hörern.

Wengenroth grinst. „Gerade ist Teststreckenzeit, da dürfen Fehler passieren“, erklärt der 28-Jährige, während er den nächsten Song anklickt. Aber auch nur da. M94.5 ist ein Ausbildungsradio, in dem sich der Radionachwuchs ausprobieren kann. Bei den Teststrecken am Vormittag und am Nachmittag können eigene Playlists und Skripte live vor Publikum ausprobiert werden. „Wenn man sich da mal verhaspelt, ist das überhaupt nicht schlimm“, versichert der Redakteur.

Nach jeder Sendung gibt es persönliches Feedback. Meistens heißt es: „Keep it simple“. „Viele schreiben ihre Moderationstexte wie eine Hausarbeit“, sagt Wengenroth. Aber nach sechs bis acht Teststrecken seien die meisten bereit für ihre erste Primetime-Sendung.

On-Air beim Ausbildungsradio M94.5 in Ismaning.

160 bis 200 Studierende machen pro Jahr eine Ausbildung bei M94.5. Damit das Studium nicht zu kurz kommt, müssen sie nur einen Tag in der Woche im Sender sein – die meisten sind aber öfter da. Zusätzlich gibt es noch Stipendienplätze, Volontariate und viele Praktikantenstellen, die für maximal drei Monate vergeben werden. „Die meisten sind zwischen 18 und 21 Jahre alt und wollen herausfinden, ob Medien und Journalismus das Richtige für sie sind“, erläutert Wengenroth.

Morgens in der Redaktionskonferenz werden die Themen des Tages besprochen. Danach beginnt jeder mit der Recherche, den Interviews und dem Einsprechen seines Beitrags. Chef vom Dienst ist immer ein anderer Studierender. Heute ist es Tim, der gerade einen Podcast zu den Arbeitsbedingungen in der Forschung abnimmt, also Feedback gibt.

Im neuen Twitch-Studio wird gedaddelt und gesungen

Für die Aufnahmen gibt es neben dem sogenannten Studio B noch ein weiteres Studio, in dem Audio- und Videopodcasts aufgenommen werden können. In einem der vielen Büroräume sitzt LMU-Politikstudent Sebastian am Rechner. Er produziert gerade einen Social-Media-Post für die Satiresendung Late Night 089, die auf Youtube und auf München TV läuft. „Wir haben dort jeden Tag einen Slot“, erzählt Andre und öffnet ein paar Schritte weiter die Tür des Regieraums.

Dort sitzen zwei Auszubildende, die gerade eine Sendung aufzeichnen. Im TV-Studio nebenan können angehende Moderationstalente und Kamerakinder echte Fernsehluft schnuppern. Hinter der schweren Metalltür gegenüber verbirgt sich das neue Twitch-Studio, das für Gaming, kleine Konzerte oder Sondersendungen genutzt wird.

Ums Geldverdienen geht es an der Mediaschool Bayern nicht, auch wenn studentische Führungskräfte, Azubis und Festangestellte natürlich Geld bekommen. „Hauptsächlich wird den jungen Menschen eine Spielwiese geschenkt, in der die Kreativität keine Grenzen kennt“, versichert Andre Wengenroth.

Jeder könne alles machen und erhalte dafür die entsprechenden Kurse, Werkzeuge und Kontakte. Finanziert wird das von der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, verschiedenen privaten Hörfunk- und Fernsehsendern sowie diversen Journalistenschulen. „Die Ausbildung dient dazu, später in allen Medienbetrieben loszustarten“, sagt Wengenroth. Deswegen würden auch so viele Gesellschafter in das Konzept einzahlen. Die LMU ist ebenfalls ein Kooperationspartner.

Gewinne sollen damit nicht erwirtschaftet werden, alle Gelder fließen in die Nachwuchsförderung beziehungsweise in die Gehälter der Festangestellten wie Andre. Er will auf jeden Fall noch länger bei M94.5 bleiben, seine Aufgabe als betreuender Redakteur helfe ihm nicht nur im Umgang mit der Praxis, sondern auch bei der Teamführung. „Aber irgendwann muss man weiterziehen“, sagt er mit Blick auf sein Alter. „Der Sender lebt von den Veränderungen durch junge Menschen.“

In der neuen Ausgabe des Münchner Unimagazins, MUM, das kommende Woche erscheint, stellen wir Studierende vor, die sich in der Studierendenvertretung der LMU, in Fachschaften, studentischen Hochschulgruppen oder als EU-Botschafter engagieren oder sich im kulturellen Umfeld, in Musik, Theater oder den Medien einbringen – für sich und für andere. MUM gibt es auch als E-Paper.

Auf dem Bild ist Philip-Johann Moser zu sehen, der in ein Mikrofon spricht, das er in der Hand hält. Er blickt nachts rechts, trägt eine Brille-

Hat Moderieren bei Radio M94.5 gelernt: Philip-Johann Moser | © Simon Fischer

„Ungewöhnliche Lebensläufe haben auch Vorteile“

Philip-Johann Moser studierte Physik an der LMU und in Cambridge. Nach seiner Ausbildung beim Münchner Nachwuchssender M94.5 gehört der Alumnus jetzt zu den ersten Volontären bei ZEIT Online.

MUM: Herr Moser, Sie wurden unter über 500 Bewerberinnen und Bewerbern als einer der ersten Volontäre bei ZEIT Online ausgewählt. Wie haben Sie das geschafft?

Philip-Johann Moser: Ich musste unter Zeitdruck einen Kommentar schreiben, der kam ganz gut an. Wichtiger war aber wohl mein Bewerbungsgespräch. Ich habe die Meinung vertreten, dass sich der Journalismus gerade im Umbruch befindet. Gar nicht mal so sehr wegen Künstlicher Intelligenz, die kann guten Journalismus nicht ersetzen. Aber die Anforderungen an den Journalismus haben sich geändert, es braucht vielfältigere Perspektiven und Spezialistinnen und Spezialisten. Positiv ausgewirkt hat sich deswegen sicher auch mein für die Branche eher ungewöhnlicher Lebenslauf.

MUM: Tatsächlich kommt es nicht oft vor, dass jemand, der Mathematik, Physik und Philosophie studiert, in die Medienbranche wechselt.

Moser: Vor meinem Masterabschluss in Cambridge wollte ich noch in die Forschung. Dann haben mich aber irgendwie die Themen nicht mehr so interessiert, ich wollte raus aus dem Theorie-Elfenbeinturm. Mir war wichtiger, wie wir den Klimawandel in den Griff bekommen beziehungsweise wohin unsere Wirtschaft und Gesellschaft steuern. Und dann habe ich begriffen, wie wichtig guter Wissenschaftsjournalismus für eine nachhaltige Veränderung ist. Durch meinen Bruder kannte ich den Radiosender M94.5. Schon an meinem ersten Arbeitstag habe ich mit der führenden Klimaforscherin Professor Julia Pongratz von der LMU gesprochen. Da wusste ich: Das ist es.

MUM: Was ist das Besondere an M94.5?

Moser: M94.5 ist der einzige Ort, wo man nicht nur fast alles machen darf, sondern wo einem auch vermittelt wird, dass man es kann – oder lernen kann. Völlig kostenlos. Die Einarbeitung erfolgt durch Kolleginnen und Kollegen, die ein Jahr vorher selbst noch keine Ahnung von der Materie hatten, entsprechend tolerant ist die Fehlerkultur. Außerdem lernt man richtig spannende Leute kennen. Den Sender gibt’s jetzt schon seit 27 Jahren, und er hat sehr eindrückliche Alumni hervorgebracht.

MUM: Sie waren bei M94.5 Moderator, Chef vom Dienst und Ressortleiter für das Wissen. Da bringen Physiker natürlich viel Fachwissen mit. Aber eine Radiostimme hat man dadurch ja noch lange nicht.

Moser: Gut, für die Radiostimme gibt’s ja das Stimmtraining. Wer bei M94.5 mitmachen kann, wird nach einem Auswahlgespräch entschieden. Es wird aber kein Vorwissen erwartet. Wer sich bewirbt, muss auch keine Arbeitsproben mitbringen. Es ist ein sehr niedrigschwelliges Angebot, um mit der Medienwelt in Kontakt zu kommen. Man sollte aber schon ein bisschen interessiert sein, was in München und der Welt los ist. Und einen motivierten Eindruck hinterlassen.

MUM: Das haben Sie auf jeden Fall geschafft. Sie waren dafür bekannt, nach Feierabend nicht nach Hause zu gehen.

Moser: Ja, ich war definitiv getrieben nach Corona und dem Ausland (lacht). Ich habe mich bei M94.5 voll in die Arbeit gestürzt und eine Podcast-Folge nach der anderen produziert. Der unrühmlichste Moment war, als ich bis 5 Uhr in der Redaktion war, zum Duschen nach Hause und dann direkt wieder in die Redaktion gefahren bin. Das war schon zu viel, nebenbei musste ich ja auch noch die Miete verdienen. Aber es war eine Mischung aus Perfektionismus und Bock, Neues auszuprobieren. Ich wollte nicht mehr nur der Physik-Nerd sein (lacht).

MUM: Apropos nerdig: Stimmt es, dass Sie nur in Strümpfen im Studio moderiert haben?

Moser: Sie haben aber gründlich recherchiert (lacht). Meine Mitbewohnerin sagt zu Schuhen immer Fußgefängnis – das hat mir gefallen. Als mir dann bei M94.5 eine Kollegin sagte, ich solle mich beim Moderieren wie zu Hause fühlen, habe ich dann wie sie die Schuhe ausgezogen. Das handhabe ich jetzt bei ZEIT Online genauso. Ich kann jedem nur empfehlen, im Studio so sein Ding zu finden.

MUM: Wieso haben Sie sich entschieden, nach dem Sprechen noch das Schreiben zu üben?

Moser: In erster Linie, weil ich beim Schreiben mit Daten arbeiten kann – das geht im Radio nur schwer. Da bräuchte es bei komplizierten Themen eigentlich immer eine Sondersendung. Hörfunkbeiträge müssen einfach knapper und pointierter sein. Aber auch bei ZEIT Online schreibe ich nicht nur, sondern mache dank meiner Ausbildung bei M94.5 auch Podcasts und später Videos.

MUM: Sie sind noch ein junger Alumnus. Gibt es etwas, was aus Ihrer Sicht in der Ausbildung verbessert werden könnte?

Moser: Ich würde mir wünschen, dass sich Professorinnen und Professoren mehr Gedanken über ihre Lehre machen und nicht ihr Standardprogramm durchziehen. Und dass nicht so viele Studierende gnadenlos rausgeprüft werden. Jeder, der dieses Fach studiert, hat eine Leidenschaft dafür – bei mir ging’s los mit dem Lesen der Biografie von Werner Heisenberg, dem ehemaligen LMU-Physiker. Ich habe viele Tutorien geleitet. Bei schlechten Noten reicht es oft, die Studierenden an die Hand zu nehmen. Es gibt sicherlich Fachwissen, das ich jetzt im Job nicht brauche. Aber die gelernten Skills sind essenziell und werden es auch in Zukunft noch sein.

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