Alpentransit: Erst die Römer brachten das Maultier nach Mitteleuropa
24.06.2022
Lange wurden in Mitteleuropa ausschließlich Pferde als Reittiere genutzt. Erst die Römer brachten auch Maultiere über die Alpen nach Norden. Das zeigen die Genanalysen von LMU-Forschern.
Bis zum Ende der Eisenzeit im 1. Jahrhundert vor Chr. züchteten die Menschen in den keltischen Siedlungen im nördlichen Alpenvorland ausschließlich Pferde. Die von den Kelten hochgeschätzten „Tiere für die Elite“ fanden vor allem bei Militäreinsätzen Verwendung. Als die Römer kurz vor Christi Geburt in die Gebiete nördlich der Alpen vordrangen und sich dort ansiedelten, brachten sie aus dem Mittelmeerraum auch Maultiere mit. Diese waren beim Militär als Pack- und Arbeitstiere hoch angesehen. Die Römer schätzten die Esel-Pferd-Kreuzungen insbesondere in Bezug auf ihre Kraft, Ausdauer und Trittsicherheit im Gebirge. Außerdem kommen Maultiere mit wenig wertvollerem Futter aus und sind widerstandsfähiger Krankheiten gegenüber als Pferde und Esel.
Pack- und Arbeitstiere: Maultier in den französischen Alpen nahe dem Mont Blanc
Maultiere sind kräftig, ausdauernd und trittsicher, brauchen zudem im Vergleich zu Pferden weniger wertvolles Futter.
Der Beginn der wirtschaftlichen und militärischen Bedeutung von Maultieren für die Menschen in Siedlungsgebieten nördlich der Alpen war bisher mit Unsicherheiten behaftet. Selbst für Fachleute ist es schwierig, die archäologischen Überreste von Equiden – also Pferden, Eseln sowie deren Kreuzungen, die Maultiere und Maulesel – voneinander zu unterscheiden. Zu ähnlich sind sich die meisten Skelettelemente der Tiere aus dieser Gruppe. Ein Forscherteam des Lehrstuhls für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin der LMU, der Universität Wien sowie der Staatssammlung für Paläoanatomie München hat nun in einer Studie die alte DNA von mehr als 400 Equiden aus einer keltischen und sieben römischen Siedlungen in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs – heute Süddeutschland, Ostschweiz und Österreich – untersucht.
Die Genanalysen verglichen die Forscherinnen und Forscher mit den Ergebnissen der klassischen Methoden zur Artbestimmung, der Analyse der Morphologie, Form und Größe von Unterkieferzähnen und ausgewählten Knochen. Überreste von Maultieren fanden sich nur in den römischen Siedlungen. Außerdem zeigten die Untersuchungen, dass Maultiere sich nicht nur anhand ihrer alten DNA identifizieren lassen, sondern auch durch die Merkmale insbesondere ihrer vorderen Backenzähne, den sogenannten Prämolaren.
Bedeutung naturkundlicher Sammlungen
„Voraussetzung für die sichere Identifikation der Pferd-Esel-Hybridformen sind allerdings umfassende Referenzsammlungen von Equidenskeletten, damit Forscherinnen und Forscher diese mit archäologischen Funden vergleichen können“, erläutert Joris Peters, Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München und Inhaber des Lehrstuhls für Paläoanatomie an der LMU. „Nicht immer ist im archäologischen Fundmaterial DNA ausreichend gut erhalten, um Tiere sicher bestimmen zu können. Daher ist auch für die Erforschung vergangener Kulturen der Aufbau von umfangreichen naturkundlichen Sammlungen unabdingbar.“
Sharif MB, Mohaseb AF, Zimmermann MI, Trixl S, Saliari K, Kunst GK, Cucchi T, Czeika S, Mashkour M, Orlando L, Schaefer K, Peters J, Mohanesan E. Ancient DNA refines taxonomic classification of Roman equids north of the Alps, elaborated with osteomorphology and geomric morphometrics. Journal of Archaeological Science, 2022.