Der erste Arzt in Katunje
07.12.2015
Den Menschen in seinem Dorf in Nepal zu helfen, ist das erklärte Lebensziel von LMU-Medizinstudent Sagar Dhital: „Mein Dorf hat mir geholfen, die Person zu werden, die ich heute bin.“
07.12.2015
Den Menschen in seinem Dorf in Nepal zu helfen, ist das erklärte Lebensziel von LMU-Medizinstudent Sagar Dhital: „Mein Dorf hat mir geholfen, die Person zu werden, die ich heute bin.“
Sagar Dhital ist in einem kleinen Dorf in Nepal aufgewachsen. "Um zur Schule zu kommen, musste ich vier Stunden laufen – ohne Schuhe", erzählt er. Dhitals Eltern können sich nicht einmal vorstellen, wie ihr Sohn in München gerade lebt. Mit seinem Vater telefoniere er zwar zweimal im Monat. „Er fragt mich dann aber oft, ob ich ausreichend Hölzer habe, um Reis zu kochen“, erzählt er. Bis jetzt gibt es in seiner Heimatgemeinde kein Internet, keine Straße und vor allem kein Gesundheitszentrum. In Nepal liegt die Müttersterblichkeit bei 170 pro 1000 und die Kindersterblichkeit bei 43 pro 1000 Lebendgeburten. Drei seiner sieben Geschwister sind bereits gestorben. Mehr ausgebildete Ärzte sind daher lebenswichtig für das Land.
So verwundert es nicht, wenn Sagar Dhital der erste Akademiker in seiner bäuerlich geprägten Familie werden wollte. "Viele Leute warten jetzt auf mich und wünschen sich eine Behandlung", begründet er seinen Lerneifer. Zu allem Überfluss ist die Region auch noch stark von dem Erdbeben im Frühjahr betroffen gewesen. Nach dem Studium will sich Sagar Dhital daher für den Bau eines neuen Krankenhauses einsetzen und so das Leben seiner ehemaligen Nachbarn ein wenig besser machen. Um sein Ziel zu verwirklichen, lernte Sagar Dhital sein ganzes junges Leben lang: Nachdem er das Abitur als Klassenbester bestanden hatte, studierte der heute 28-Jährige Humanbiologie an der Kathmandu Universität, wo er seinen Bachelor of Science wieder mit Auszeichnung abschloss. Ab 2010 arbeitete er als Diplom-Assistent am dortigen Universitätsklinikum in der Abteilung für Anatomie. Das war der Wendepunkt in seinem Leben. Die Dhulikhel Uniklinik hat viele Beratungsstellen auf dem Land. So konnte er regelmäßig armen Menschen helfen und deren Krankheitsbilder analysieren. "Es war sehr schmerzhaft zu erkennen, dass Millionen von Nepalesen in den ländlichen Gebieten aufgrund des Mangels an Transportmöglichkeiten und einfachster Medikamente sterben müssen."
Geschichten von der LMU – und ein "Abenteuer" Während seiner Arbeit kam Sagar Dhital mit vielen Medizinstudenten aus Deutschland ins Gespräch – darunter auch welche von der LMU. Die Geschichten von einem Medizinstudium an der LMU weckten seine Neugier. Kurz darauf entschloss er sich, am Goethe-Zentrum in Kathmandu einen viermonatigen Deutschkurs zu belegen. „Es war der Beginn einer Achterbahnfahrt, meines Abenteuers“, verdeutlicht der Mediziner. Nach dem Abschied von den Menschen aus seinem Dorf flog er mit dem wenigen Geld, das seine Familie auftreiben konnte, nach Deutschland. „Deutschland war eine ganz andere Welt für mich. Die ersten Monaten war ich total überrascht, weil Deutschland so viel weiter entwickelt ist als Nepal.“ Nach einem viermonatigen Vorbereitungskurs mit abschließender Sprachprüfung kam er nach München an die LMU. „Ich bin immer froh, dass ich hier studieren darf. Meine Kommilitonen sind super nett.“
Um sich sein Studium leisten zu können, begann Sagar zu arbeiten: Zuerst bei einer Fastfoodkette, dann in einem Restaurant und ab dem ersten Semester jedes Wochenende in einer Bar. Da ihm die deutsche Sprache noch immer Schwierigkeiten bereitet, lernt er Tag und Nacht. Doch obwohl sein Tag um 5 Uhr beginnt, fällt ihm das Aufstehen leicht: Beflügelt durch die Motivation, eines Tages die Wunden seiner nepalesischen Landsleute zu heilen, ihre Leiden zu verringern und ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Bis jetzt hat er trotz der Sprachbarrieren alle Prüfungen bestanden.
Und sein Fleiß zahlt sich aus: Seit kurzem wird Sagar mit dem Deutschlandstipendium gefördert. Dadurch schufte er inzwischen nicht mehr jedes Wochenende. Das verschaffe ihm in seinem zweiten Semester mehr Zeit zum Lernen, freut er sich – denn es bringt ihn seinem Lebensziel näher.