Hoilungia hongkongensis. Foto: Hans-Jürgen Osigus, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover
Scheibentiere sind die einfachsten aller vielzelligen Tiere. Die nur wenige Millimeter großen Lebewesen kommen in allen tropischen und subtropischen Meeren vor und sehen mit ihrem scheibenförmig abgeflachten Körper weltweit völlig identisch aus. Deshalb hatten sie bis 2018 eine exklusive Stellung im Tierreich: Sie galten als einziger Tierstamm, dem nur eine einzige Art – Trichoplax adhaerens – angehört. Genetische Analysen eines Teams um Professor Gert Wörheide vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften und dem GeoBio-Center der LMU zeigten jedoch so große genetische Unterschiede zwischen dieser Art und einer Scheibentier-Linie aus Hongkong, dass die Wissenschaftler die fernöstlichen Exemplare nicht nur einer neuen Art, sondern sogar einer ganz neuen Gattung zuordneten.
„Diese Definition einer neuen Spezies rein durch vergleichende Genomik ist ein Novum in der Systematik von Tieren“, sagt Michael Eitel, Erstautor der Artbeschreibung. „Wir vermuten, dass manche Scheibentiere einen evolutiven Sonderweg eingeschlagen haben, bei dem sich die Artbildung ausschließlich in genetischen Unterschieden manifestiert, ohne dass es zu charakteristischen Unterschieden im Körperbau kommt.“ Die neue Art tauften die Wissenschaftler Hoilungia hongkongensis, was übersetzt „Hongkong-Seedrache“ bedeutet – eine Anspielung darauf, dass Scheibentiere ihre Körperform verändern können wie der Drachenkönig der chinesischen Mythologie. Experten der Datenbank World Register of Marine Species (WoRMS) haben Hoilungia hongkongensis nun in die Top Ten der faszinierendsten neu entdeckten marinen Arten des letzten Jahres gewählt.
Die Online-Datenbank WoRMS ist ein globales Informationssystem für Meeres-Arten, das von einer internationalen Gruppe von Experten geführt wird. Die 2007 gegründete Datenbank ist frei zugänglich und umfasst heute mehr als 240.000 gültige Artnamen.
Weitere Informationen: Tiersystematik - So gleich und doch verschieden