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Die Wolkenvermesser

18.09.2023

Um die Entwicklung des Klimas noch genauer vorhersagen zu können, steigen die Meteorologie-Studierenden selbst ins Flugzeug. Das Ziel: Wetterbeobachtung in großen Höhen.

Lea Volkmer kommt es selbst noch ein wenig surreal vor: Die 24-jährige LMU-Studentin durfte während ihrer Masterarbeit mit dem deutschen Forschungsflugzeug HALO von Schweden aus fast bis zum Nordpol fliegen und Messungen in Kanada machen. Die Abkürzung HALO steht für „High Altitude and Long Range Research Aircraft“. Dabei handelt es sich um ein Forschungsflugzeug, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben wird. Es wird vor allem für Erdbeobachtungen und Messungen in der Troposphäre sowie der unteren Stratosphäre eingesetzt. Mit einer Reiseflughöhe von bis zu 15.500 Metern, einer Höchstgeschwindigkeit von 0,9 Mach – über 1.000 Kilometer pro Stunde – einer Flugdauer von zehn Stunden, einer Nutzlast von drei Tonnen und einer Reichweite bis zu 12.500 Kilometern übertrifft HALO alle bisher existierenden Forschungsflugzeuge dieser Art.

Die Umbaukosten des ehemaligen Businessjets betrugen stolze 74 Millionen Euro. „Wir vermessen damit die Wolken“, erklärt die Meteorologiestudentin. Durch Strahlungsmessungen mit dem Kamerasystem specMACS (spectrometer of the Munich Aerosol Cloud Scanner) sollen Wolkeneigenschaften, wie ihre Geometrie, Tröpfchengrößen und -verteilungen oder Phase (also Wasser oder Eis) bestimmt und so die Rolle von Wolken bei der zukünftigen Entwicklung des Klimas geklärt werden.

LMU-Studentin Lea Volkmer durfte während ihrer Masterarbeit mit dem deutschen Forschungsflugzeug HALO von Schweden aus fast bis zum Nordpol fliegen und Messungen in Kanada machen. Die Abkürzung HALO steht für „High Altitude and Long Range Research Aircraft“.

© Christoph Hohmann

Zwischendurch gibt’s auch mal Strandtage

Ihre 28-jährige Kommilitonin Veronika Pörtge war zu Beginn ihrer Doktorarbeit mit HALO für die Messkampagne EUREC4A sogar schon einige Wochen auf Barbados in der Karibik – wie der Nordpol ein regelmäßiger Ausgangspunkt für Messkampagnen, bei denen das Meteorologische Institut der LMU im Verbund mit vielen nationalen und internationalen Partnern die Atmosphäre erkundet. „Wir sind aber nicht jeden Tag neun Stunden in der Luft“, beruhigt sie. Zum einen müssten die gesammelten Daten ausgewertet werden. Zum anderen gebe es mindestens einmal pro Woche einen freien Tag, an dem man zum Beispiel am Strand entspannen könne. Ein wirklich außergewöhnliches Studium.

Damit Meteorologiestudierende solche Messungen durchführen können, lernen sie bei einem Segelflugpraktikum in Coburg – eines der Highlights des Bachelorstudiengangs –, wie alles funktioniert. „Das ist superspannend, weil man beim Mitfliegen selbst merkt, wie Wolken entstehen und wie die Thermik einen nach oben treibt“, schwärmt Pörtge. Ihr gefällt bei der Arbeit mit den Instrumenten besonders die Kombination aus „Software und Schraubenzieher“.

Wettervorhersagen sind für Menschen schon seit vielen Jahrhunderten wichtig – früher vor allem für die Landwirtschaft. Dahinter steckte für damalige Verhältnisse jede Menge Physik. „Bauernregeln waren damals durchaus ernst zu nehmende Ansätze, das Wetter zu beobachten und vorherzusagen“, sagt der Lehrstuhlinhaber für Experimentelle Meteorologie an der LMU, Professor Bernhard Mayer. Allerdings lag die Trefferquote bei gerade einmal 60 bis 70 Prozent.

Um die Genauigkeit der Vorhersagen zu verbessern, wurde an der LMU vor 100 Jahren das Meteorologische Institut gegründet, an dem Mayer heute zusammen mit seinen Professorenkollegen George Craig, Markus Rapp, Thomas Birner und Mark Wenig tätig ist. Gerade in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts wandelte sich die Meteorologie von einer beobachtenden in eine quantitative, messende Wissenschaft. Nach und nach stellten die Forscher fest, dass sich das Wetter mit ausreichenden Informationen auch berechnen lässt. Ohne Computer war das damals allerdings noch eine große Herausforderung.

Bereits rund 30 Jahre später gewann neben der Wetterforschung das Thema Strahlung und Klima an Bedeutung. Die LMU war auf diesem Gebiet weltweit führend. Ordinarius Fritz Möller entwickelte zusammen mit seinem Kollegen Syukuro Manabe vom US Weather Bureau eines der ersten Strahlungskonvektionsmodelle, das wegbereitend für Manabes Nobelpreis für Physik 2021 war. Denn diese Modelle erlaubten zum ersten Mal, eine mögliche Erderwärmung quantitativ zu prognostizieren. „Wirklich ernst genommen wurde der Klimawandel erst Ende der 1980er-Jahre“, sagt Mayer.

Die Wettervorhersage wird alle 10 Jahre um einen Tag besser

Dank der Forschung am Meteorologischen Institut in enger Zusammenarbeit mit dem Hans-Ertel-Zentrum für Wetterforschung des Deutschen Wetterdienstes wird auch die Wettervorhersage immer präziser. „Durch neue Beobachtungsmethoden und Modelle können wir die Vorhersage alle zehn Jahre im Schnitt um einen Tag verbessern“, betont Mayer. Die Fünf-Tages-Vorhersage ist mittlerweile so gut wie die Prognose von 1980 für den nächsten Tag. Die Grenze der Vorhersagbarkeit liegt derzeit bei zehn Tagen.

Um in Zukunft noch besser zu verstehen, wie Wolken entstehen, sich auflösen und auf menschengemachte Partikel wie Feinstaub und noch kleinere Aerosole reagieren, steht auf dem Institutsgebäude eine Messstation, die mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Rahmen der Europäischen Initiative für Aerosol, Wolken und Spurengase (ACTRIS) zu einer der größten Beobachtungsstationen für Wolken und Aerosol in Europa ausgebaut wird.

Blick auf die Rocky Mountains aus einem Flugzeugfenster. Die Tragfläche ist zum Teil erkennbar.

Blick auf die Rocky Mountains bei der CoMet 2.0-Messkampagne. Im HALO-Forschungsflugzeug untersuchen Studierende wie Lea Volkmer, welche Rolle Wolken bei der zukünftigen Entwicklung des Klimas spielen.

© Christoph Hohmann

Vielfältige Jobmöglichkeiten

An Berufsperspektiven mangelt es angehenden Meteorologinnen und Meteorologen nicht. „Deutscher Wetterdienst und private Wetterdienste, Bundeswehr oder Luft- und Raumfahrt: Viele Studierende sind schon jetzt Hilfskraft bei potenziellen Arbeitgebern“, sagt Fachschaftssprecher Stefan Koppenhofer.

Rund die Hälfte der Absolventinnen und Absolventen bleibe der Wetterforschung verbunden. Insbesondere Unternehmen im Bereich der erneuerbaren Energien oder der Versicherungswirtschaft hätten großes Interesse an deren Expertise. Student Koppenhofer gefällt besonders die familiäre Atmosphäre am Institut. Während in Physikvorlesungen 300 bis 400 Leute säßen, seien es in der Meteorologie zehn bis 20. „Dadurch sind wir für die Professoren nicht nur Nummern, sondern mit allen persönlich bekannt“, verdeutlicht er. Zusätzlich gebe es Fachschaftstreffen, an denen neben den Alumni auch die Professorinnen und Professoren teilnähmen. „So kann man sich auch privat kennenlernen.“

„Mit einem Meteorologiestudium macht man nichts falsch“, wirbt Professor Mayer. Meteorologie ist als Teilbereich der Physik eine quantitative Wissenschaft. Auf die mathematischen und physikalischen Herausforderungen werde man im Studium gut vorbereitet. Wer sich einmal durch die ersten Semester durchgeschlagen habe, müsse in höheren Semestern keine Sorge mehr haben. Hinzu kommt: Wer heute studiere, könne sicher noch sein ganzes Leben lang daran arbeiten, Wettervorhersagen weiter zu verbessern. „Und gerade in Zeiten der Klimakrise durch die Arbeit vieles zum Positiven bewegen.“

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