Die Krebsforschung hat in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gemacht. Trotzdem gehört Krebs nach wie vor zu den häufigsten Todesursachen weltweit und Rückfälle mit resistenten Tumorzellen stellen medizinisch eine große Herausforderung dar. Während genetische Veränderungen von Zellen zum Zeitpunkt der Diagnose ausführlich untersucht sind, ist über die evolutionären Prinzipien, die zur Entstehung der Krankheit und zum Rückfall führen, nur wenig bekannt. Im Rahmen des neuen Sonderforschungsbereichs (SFB) „Genetische und epigenetische Evolution von hämatopoetischen Neoplasien“ sollen deshalb die Mechanismen der Tumorentwicklung unter einem ganz neuen Ansatz erforscht werden: „Wir wollen die Dynamik der Krebserkrankung unter evolutionsbiologischen Aspekten untersuchen“, sagt Professor Heinrich Leonhardt vom Biozentrum der LMU und Sprecher des neuen SFB.Welchen Einfluss Mutation, Selektion und zelluläre Wechselwirkungen auf die Krebsentwicklung haben, wollen die Wissenschaftler am Beispiel von Tumorerkrankungen des blutbildenden Systems – Leukämien und Lymphomen – erforschen. „Oft ist eine Therapie dieser Erkrankungen zunächst erfolgreich“, sagt Leonhardt. „Wenn aber nach ein bis zwei Jahren Rückfälle auftreten, sind diese oft viel aggressiver und nur noch mit schlechter Prognose behandelbar. Offensichtlich haben sich die Tumorzellen in der Zwischenzeit verändert und Resistenzen ausgebildet.“ Die Mechanismen dieser Veränderungen wollen die Wissenschaftler in einem interdisziplinären Ansatz untersuchen, in dem Molekularbiologen, Populationsgenetiker und Evolutionsbiologen eng mit klinischen Forschern und Bioinformatikern zusammenarbeiten. „Unser Ziel ist es, die Entwicklungsdynamik von Tumoren grundlegend zu verstehen und so zu einer besseren Diagnostik und zur Entwicklung neuer Therapieansätze beizutragen“, sagt Leonhardt.Der neu eingerichtete SFB wird am 1. Januar 2016 starten und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) über einen Zeitraum von vier Jahren mit rund neun Millionen Euro gefördert werden. Neben der LMU als Sprecherhochschule sind die Technische Universität München sowie das Helmholtz Zentrum München beteiligt.