Der Forschungsverbund „ForGenderCare“ untersucht, wie sich Fürsorgetätigkeiten in der Gesellschaft sowie der Stellenwert, der ihnen zugesprochen wird, aktuell verändern. Dazu zählen ebenso die Betreuung von Kindern und die Pflege Älterer wie auch viele Aspekte der täglichen Lebensgestaltung. Die ersten Ergebnisse der zwölf Teilprojekte bestätigen, wie sehr Fürsorge den Alltag jedes Einzelnen ausmacht und zeigen auf, wie Menschen unterschiedlichen Alters, verschiedenen Geschlechts sowie verschiedener Berufsgruppen darüber denken.
„Care, wie der englische Fachbegriff dafür lautet, wird täglich von uns allen gelebt, wir sind alle darauf angewiesen“, sagt Paula-Irene Villa, Inhaberin des Lehrstuhls Soziologie/Gender Studies an der LMU und mit Professor Barbara Thiessen von der HAW Landshut Sprecherin des Forschungsverbunds. „Unsere Forschung zeigt, dass der qualitative Aspekt dabei wichtiger wird. Es gibt zunehmend das Bedürfnis, Care nicht nur als Problem und Belastung zu sehen. Die Menschen fragen sich, wie sie das gut hinbekommen. Und sie sehen, dass Care zum guten Leben dazu gehört.“
Das gilt nicht nur für den privaten Bereich, sondern auch für jene, die Fürsorge zum Beruf gemacht haben wie Pflegekräfte in Altenheimen: „Es braucht hier unbedingt Entlastung, zum Beispiel durch technische Hilfsmittel. Das ist aber nicht im Sinne eins Ersetzens gemeint. Professionell Pflegende wünschen sich Technik, die sie in ihrem beruflichen Alltag unterstützt, um eine bessere Arbeit mit den Menschen leisten zu können.“ Denn Personalnot, das zeigt das Teilprojekt zur Pflege im Verbund, erschwert derzeit nicht nur die Arbeitsbedingungen sondern schmälert auch die Qualität der Pflege. Es sei auch sehr schwierig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, in diesem Feld gewerkschaftlich oder überhaupt politisch aktiv zu werden.
Auch wenn Fürsorgeleistungen zunehmend professionalisiert werden – wie es sich etwa am Ausbau der Kindertagespflege zeigt –, werden sie großen Teils noch immer im Privaten geleistet, was oft nur dank informeller Netzwerke, etwa in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis möglich ist. Zentraler Pfeiler von Care-Arrangements sind noch immer meist weibliche Familienangehörige. Den Projektergebnissen zufolge wünschen sich aber auch Väter zunehmend, ihre Vaterschaft aktiv zu leben. So nehmen immer mehr Väter Elternzeit, was zur Folge hat, dass auch Väter zunehmend Schwierigkeiten haben, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. „Care kann der oder die Einzelne nicht alleine schultern. Das wurde lange abgetan als ein individuelles Vereinbarkeitsproblem zwischen Privatleben und Beruf, das Frauen betrifft. Aber Care ist so zentral, dass man die Menschen mit deren Organisation nicht weiterhin allein lassen kann“, sagt Villa.
Im Verbund wird daher auch darüber nachgedacht, wie sich Politik und Management, Familie und Betriebe besser um das Thema Care kümmern könnten. Im Forschungsverbund soll es in den kommenden Monaten auch um die Frage gehen „Was heißt es gut zu leben?“. Denn die Ergebnisse zeigen: „Das hat viel damit zu tun, füreinander da zu sein“, sagt Villa.
Mehr zu den Forschungsergebnissen : Zum Forschungsverbund: ForGenderCare
Mehr zum Thema : „Es entsteht eine neue Dienstleistungskultur“: Interview mit Prof. Villa (vom 9.2.15)