Im Bann der Pandemie
18.11.2020
LMU-Virologe Oliver T. Keppler schildert im ersten Vortrag der Corona Lectures den rasanten Zuwachs an Wissen über den Erreger.
18.11.2020
LMU-Virologe Oliver T. Keppler schildert im ersten Vortrag der Corona Lectures den rasanten Zuwachs an Wissen über den Erreger.
Das neue Coronavirus SARS-CoV-2 hat sich innerhalb von Wochen zu einem pandemischen Krankheitserreger entwickelt – mittlerweile befinden wir uns mitten in der zweiten Infektionswelle. Am 17.11.2020 startet die LMU mit ihren „Corona Lectures“ eine virtuelle Veranstaltungsreihe, in der LMU-Experten ihre aktuellen Erkenntnisse zur Pandemie und deren Folgen präsentieren. Den Auftakt wird dabei Professor Oliver T. Keppler machen. Der Inhaber des Lehrstuhls für Virologie am Max von Pettenkofer-Institut wird auf wichtige virologische Aspekte der Pandemie eingehen.
Das SARS-CoV-2-Virus stellt Medizin und Gesellschaft vor immense Herausforderungen: Die Umstrukturierung von Kliniken, die Entwicklung angepasster Hygienekonzepte, die weltweite Suche unter immensem Zeitdruck nach Impfstoffen, der Streit über alternative Wege hin zu einer Immunität, die Optimierung und Weiterentwicklung diagnostischer Verfahren und der Behandlungsmethoden sowie der besondere Schutz der Risikogruppen sind nur einige der drängenden Probleme, die es zu bewältigen gilt.
Die zweite Pandemie-Welle ist derzeit in vollem Gang. Inwiefern unterscheidet sich diese von der ersten?
Keppler: Die Pandemie durch SARS-CoV-2 ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Wucht der zweiten Welle in der nördlichen Hemisphäre bestätigt eindrücklich die Saisonalität der Übertragung des neuen Coronavirus. Das bedeutet aber auch, dass wir erst wieder ab April 2021 einen positiven klimatischen Effekt in Deutschland erwarten dürfen. Während und seit der ersten pandemischen Welle haben wir viel gelernt. Sechs Monate muss unser Gesundheitssystem der zweiten Welle standhalten, und die Wirtschaft und das gesellschaftliche und kulturelle Leben müssen gleichzeitig in einer gewissen Balance bleiben.
Welche Fortschritte haben Ärzte und Grundlagenforscher seit Beginn der Pandemie gemacht?
Keppler: Bereits mehr als 40.000 wissenschaftliche Veröffentlichungen zu SARS-CoV-2 und COVID-19 zeugen von einem rasanten Wissenszuwachs. Dies fußt auf einer in seiner historischen Dimension einmaligen Forschungsanstrengung unter der Führung der Spitzen-Wissenschaft und -Medizin. Als Schlaglichter wurden in diesem Jahr die rasche Einführung diagnostischer Verfahren umgesetzt, tiefe Einblicke zu Übertragungswegen des Virus und zu effektiven Präventionsmaßnahmen gewonnen, zudem hat sich die Behandlung Schwerkranker verbessert. Das deutsche Gesundheitssystem ist stark und hat sich auf die komplexen Anforderungen der zweiten pandemischen Welle gut vorbereitet, seine Überlastung muss aber unter allen Umständen verhindert werden.
Auf welche Strategie, die Pandemie in den Griff zu bekommen, setzen Sie die größten Hoffnungen?
Keppler: Einige Länder Asiens, beispielsweise Südkorea, Taiwan oder Japan, leben vor, dass man auch ohne einen Impfstoff oder hochwirksame Medikamente eine beeindruckende Kontrolle des Infektionsgeschehens erreichen kann. Die Fokussierung auf einige wenige Verhaltensmaßnahmen für die Bevölkerung, deren konsequente Einhaltung im gesellschaftlichen Konsens und effektive digitale Hilfsmittel können ein Schlüssel in der Pandemiebekämpfung sein. Mittel- und langfristig werden hoffentlich Impfstoffe und Medikamente zur Verfügung stehen, die helfen, das globale Infektionsgeschehen einzudämmen und den Anteil schwerer Krankheitsverläufe zu vermindern. Wir müssen uns als Gesellschaft und Weltgemeinschaft auf einen langen, gemeinsamen Weg durch diese Pandemie einstellen.
Professor Dr. med. Oliver T. Keppler ist Vorstand des Max von Pettenkofer-Instituts der LMU und Inhaber des Lehrstuhls für Virologie, Principal Investigator am Genzentrum der LMU und ein gefragter Experte auf dem Gebiet der Coronavirus-Pandemie.