Leben in Systemen
18.04.2016
Die LMU erweitert den HighTechCampus in Großhadern/Martinsried um einen wichtigen Baustein: In einem neuen Zentrum konzentriert sie ihre Forschung zu molekularen Biosystemen.
18.04.2016
Die LMU erweitert den HighTechCampus in Großhadern/Martinsried um einen wichtigen Baustein: In einem neuen Zentrum konzentriert sie ihre Forschung zu molekularen Biosystemen.
Nur wenige Schritte sind es etwa vom Genzentrum und den Chemischen Instituten der LMU zum Neubau: Doch nicht nur räumlich passt sich das neue Forschungszentrum für Molekulare Biosysteme (BioSysM), das jetzt offiziell den Betrieb aufnimmt, exakt in die Forschungslandschaft auf dem HighTechCampus der LMU in Martinsried/Großhadern ein. In dem neuen Zentrum, das Platz für rund 200 Mitarbeiter bietet, konzentriert die LMU ihre systembiologische Forschung, eine moderne Forschungsrichtung mit großem Innovationspotenzial für die Lebenswissenschaften und die Medizin. Der Standort Martinsried-Großhadern bietet dafür ein herausragendes Umfeld.
Längst ist für die Molekularbiologie ein neues Zeitalter angebrochen. Bislang untersuchten Lebenswissenschaftler in der Regel einzelne Gene und ihre Produkte, auf diese Weise klärten sie viele Funktionsmechanismen in lebenden Zellen auf. Vor allem Dank neuer automatisierter Analysen und neuer Methoden, große Datenmengen zu erzeugen und zu bearbeiten, ist es nun aber möglich, komplexe biologische Systeme als Ganzes in den Blick zu nehmen: Welche Komponenten sind darin zu funktionalen Netzwerken verbunden? Welches sind die zentralen Elemente und wie stehen sie miteinander in Wechselwirkung? Wie reagieren solche Systeme auf Störungen? Und welche Anpassungs- und Entwicklungsstrategien eröffnet ihnen das? Erstmals wird es möglich, die Systemkomponenten auch quantitativ zu bestimmen. Die Player in Biosystemen identifizieren und deren Codes knacken zu können, schafft nicht nur eine tiefere Einsicht in grundlegende Fragen der Lebens, sondern könnte auch potenzielle Angriffspunkte für neue therapeutische Strategien liefern.
Netzwerke der Genregulation
Das neue Forschungszentrum für Molekulare Biosysteme wird vier Lehrstühle beherbergen, dazu eine Gruppe für spezielle bildgebende Verfahren. Jedem der Lehrstühle soll zudem eine Nachwuchsgruppe zugeordnet sein. Ulrike Gaul, Professorin für Organismische Biochemie und wissenschaftliche Koordinatorin der Einrichtung, analysiert mit ihrem Team beispielsweise Netzwerke der Genregulation. Wie steuern sie die raum-zeitlichen Muster der Genexpression, das heißt die Umsetzung der Erbinformation in Proteine, beispielsweise bei der Entwicklung von Organismen? Auf der Grundlage der Messungen bauen die Forscher mechanistische und statistische Modelle, mit denen sich wiederum das Verhalten des Systems vorhersagen lässt.
Veit Hornung, seit Herbst 2015 Professor für Immunbiochemie an der LMU, untersucht das angeborene Immunsystem und seine Fähigkeit, zwischen körpereigenen und fremden Molekülen und Partikeln zu unterscheiden. Es spielt einerseits eine entscheidende Rolle bei der Erkennung von Viren und Bakterien, andererseits aber auch bei der Entstehung von Krankheiten wie Gicht, Diabetes oder Atherosklerose. Beide Lehrstühle waren bislang am Genzentrum angesiedelt, das schwerpunktmäßig Fragen der Genexpression und die Funktion der daran beteiligten Molekülkomplexe vor allem mit biochemischen und strukturbiologischen Ansätzen untersucht.
Expertise aus Exzellenzprojekten
In das neue Forschungszentrum ziehen zudem Teams des Lehrstuhls von Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Chemische Genetik, ein. Die Forscher konstruieren molekularen Fotoschalter, die sich an sogenannte Rezeptormoleküle koppeln lassen. Damit werden – bislang im Experimentalstadium – neuronale Vorgänge mit Licht steuerbar. Als vierter Lehrstuhl soll eine Einheit für Computational Biology aufgebaut werden. Auch für die vier geplanten Nachwuchsgruppen laufen derzeit noch die Auswahlverfahren. Don Lamb, Professor für Biophysikalische Chemie, schließlich, der mit einem Teil seiner Gruppe einzieht, ist Spezialist für superauflösende Fluoreszenzmikroskopie. Er verfolgt mit den bildgebenden Verfahren beispielsweise die Arbeit großer Molekülkomplexe und den Zusammenbau von Viruspartikeln in der Zelle.
Das neue Forschungszentrum gründet unter anderem auf der Expertise des Genzentrums, des LMU-Exzellenzclusters Center for Integrated Protein Science Munich (CIPSM) und mehrerer Sonderforschungsbereiche. Zudem ist in dem Gebäude die Graduiertenschule für Quantitative Biowissenschaften München (QBM) angesiedelt, die ebenfalls aus Mitteln der Exzellenzinitiative gefördert wird. BioSysM fungiert zudem als Kernzentrum des Bayerischen Forschungsnetzwerks für Molekulare Biosysteme (BioSysNet), das der Freistaat an mehreren Forschungsstandorten in Bayern fördert.
Großzügige Kommunikationszonen
Das Prinzip des Austausches soll sich auch in der Architektur spiegeln. Statt enger Aufzüge verbindet beispielsweise eine breite offene Treppe die Stockwerke, das schafft großzügige Kommunikationszonen. Das vierstöckige Gebäude hat den charakteristischen Grundriss eines Parallelogramms mit abgerundeten Ecken und eine Hauptnutzfläche von gut 3700 Quadratmeter. Ein kompakter Mittelblock beherbergt in den Obergeschossen Biochemie-, Biophysik-, Computer- und Robotiklabore und im Erdgeschoss einen Konferenzraum, einen Präsentationsraum und Computerräume. Auf beiden Seiten des Mittelblocks sind Büros, Seminarräume und Gemeinschaftsräume angeordnet. Die Gebäudeplanung stammt vom Münchner Büro Fritsch + Tschaidse Architekten nach einem Entwurf des Staatlichen Bauamts 2.
Die Kosten für den Bau betragen 29,6 Millionen Euro. In dem Budget enthalten sind die Mittel für die Erstausstattung des Gebäudes von 5,1 Millionen Euro. Davon entfallen 2,3 Millionen Euro auf die Anschaffung von Großgeräten wie Mikroskopen und robotergestützten Analyseeinheiten. Finanziert ist das Forschungszentrum für Molekulare Biosysteme als gemeinsamer Forschungsbau – von überregionaler Bedeutung – nach Artikel 91bGG mit Mitteln des Bundes und des Landes Bayern. Der Bund zahlt 14,3 Millionen Euro; der Freistaat gibt 15,3 Millionen Euro, zu großen Teilen aus dem Programm „Aufbruch Bayern“.