Ihre ersten Sanskrit-Lernvideos hat Dr. Antonia Ruppel in ihrer Londoner Wohnung unterhalb der An- beziehungsweise Abflugschneise des Airports erstellt. Die startenden und landenden Maschinen auf dem Flughafen Heathrow stören nicht wirklich. Nur ganz kurz hört man den Flieger im Video, dann Schnitt – und schon geht es weiter. So lange, bis sich 90 Sekunden später das nächste Flugzeug ankündigt und so weiter…
Doch sind die Filme, mit denen sie in die Geheimnisse der alten indogermanischen Sprache einführt, klar strukturiert und leicht verständlich – obwohl Sanskrit selbst nicht leicht ist. „Es ist eine Sprache mit sehr vielen Flexionsformen. Ich versuche in meinem Unterricht, die Systeme hinter diesen Formen zu erklären.“ Das erleichtere das Erlernen immens. Schon in ihrer Zeit als Dozentin für alte Sprachen an der Cornell University in den USA hat Ruppel ein eigenes Lehrbuch geschrieben, das bei Cambridge University Press erschienen ist und das sie mit einer Lernumgebung aus Videos und Lernkarten flankiert hat.
Jetzt ist sie am Institut für Indologie und Tibetologie beschäftigt und hat sich erfolgreich im Rahmen des Fonds zur Förderung der guten Lehre beworben, den die LMU im vergangenen Jahr neu aufgelegt hat. Ihr förderungswürdiges Projekt ist die Erstellung eines Lehrbuchs in deutscher Lehrsprache sowie ebenfalls flankierende Lernvideos pro Kapitel. Dort wird sie den Sanskrit-Text, der neben ihr auf dem Bildschirm erscheint, erklären und erläutern. Die Vorteile liegen auf der Hand: „Man kann das Video beliebig oft wiederholen“, sagt Antonia Ruppel, „kann die eigenen Lernphasen zeitlich flexibel bestimmen und sich so gut auf den Präsenzunterricht an der Uni vorbereiten.“ Das erwarte sie von ihren Studierenden, damit es eben kein Frontalunterricht, sondern eine Diskussion werde.
Sie macht deutlich: „Um die indische Kultur früher wie heute richtig zu verstehen, muss man Sanskrit können. Es reicht nicht, einfach Übersetzungen zu lesen, die ja zwangsläufig immer schon Interpretationen sind.“ Deswegen ist ihr der Unterricht sehr wichtig – nicht nur für ihre Studierenden, sondern auch für die steigende Zahl von an Indien und Sanskrit interessierten Menschen.
Lehre nachhaltig fördern
Antonia Ruppel freut sich daher über die Förderung, die ihr ermöglicht, ihr Projekt weiter zu professionalisieren. Den Fonds hat die LMU mit eigenen Haushaltsmitteln ausgestattet – insgesamt einer Million Euro, die in zwei Tranchen vergeben werden. Die erste Phase läuft noch bis Ende Sommersemester 2024. Danach startet eine zweite Runde für innovative Projekte in der Lehre. Schon in der ersten Runde sind aus zwölf Fakultäten 39 Anträge beim ständigen Ausschuss für Studium und Lehre der LMU eingegangen, 31 haben den Zuschlag erhalten. Sie kommen aus den Geisteswissenschaften, der Informatik, der Human- und Tiermedizin oder den Wirtschaftswissenschaften.
Ausgangspunkt der LMU-eigenen Initiative war die Corona-Pandemie und der Wunsch, den damit angestoßenen Schub in der Lehre aufrechtzuerhalten. „Wir wollen nicht einfach Geld verteilen mit der Aufforderung: Jetzt macht euch mal Gedanken, sammelt Ideen“, sagt Professor Oliver Jahraus, Vizepräsident für den Bereich Studium und Lehre an der LMU. „Denn es werden ja schon so viele sehr gute Ideen umgesetzt. Unsere Förderung soll zusätzlich, gleichsam on top, dazukommen, um die Konzepte und Ideen zu verstetigen.“
Eine Kultur der guten Lehre an der LMU zu etablieren, ist das Ziel der Hochschulleitung, eine netzwerkartige Wertschätzung für all die Anstrengungen und Initiativen. Dabei geht es nicht darum, Projekte auf Dauer zu stellen. „Aber zurück bleiben die Erfahrungen und die Strukturen, auf die man aufbauen kann, um Lehrinnovation nachhaltig zu etablieren“, sagt Vizepräsident Oliver Jahraus. Neben dem Fonds für gute Lehre werden auch die Forscherpreise für exzellente Studierende und die Lehrinnovationspreise weiterhin vergeben.
Informationen zum Fonds zur Förderunge der guten Lehre an der LMU können per Mail angefragt werden.
Korrekturen mit menschlichem Moment
Letzteren hat 2018 auch Dr. Martin Heidebach von der Juristischen Fakultät bekommen. Und auch mit seinem neuen Projekt ist er erfolgreich. „Klausuren, die Lösung von Fällen, sind im Jura-Studium enorm wichtig“, sagt er. Das würde schließlich auch den Berufsalltag der Juristen in spe bestimmen. Gleichzeitig gebe es aber gerade bei Studienanfängern eine große Frustration im Hinblick auf die Korrekturkommentare. Die seien manchmal schwer zu lesen, wenig nachvollziehbar, ja würden sogar als willkürlich empfunden. „Damit wird eine große Distanz zwischen Autor und Korrektor aufgebaut“, sagt Martin Heidebach.
Seine Lösung: Videokorrekturen. Dabei wird die Klausur per Zoom von den Korrigierenden mündlich kommentiert, aufgezeichnet und den jeweiligen Studierenden zur Verfügung gestellt. „Wir haben das im begrenzten Maßstab durchgeführt und sehr gute Erfolge gehabt“, freut sich Heidebach. Das zeigt auch die anschließende Evaluation: „Ich habe nach der Korrektur und Nacharbeitung das Gefühl, dass ich tatsächlich die Anmerkungen des Korrektors in die Tat umsetzen kann und nicht nur ratlos überlegen muss, was genau jetzt ‚ungenau‘ bedeuten soll“, heißt es etwa. Oder: „Der Korrektor wirkt ‚nahbarer‘ und man kann sich als Student einfach besser in seine Perspektive hineinversetzen.“
Das ist, auf den Punkt gebracht, genau das Ziel des Projekts. Heidebach: „Die Studierenden setzen sich mit der Korrektur viel besser auseinander. Gerade am Anfang des Studiums ist das wichtig. Zudem wird von Mensch zu Mensch kommuniziert und es gibt nicht länger den angeblich allwissenden anonymen Korrektor.“
Lehre und Forschung zu Gegenwartsliteratur neu gedacht
Anonym ist das Masterseminar von Dr. Kay Wolfinger schon qua Namen nicht: „Writing under Observation“ ist der Titel des Projekts. Er bezeichnet, um was es dem Wissenschaftlichen Mitarbeiter an der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaft geht – nämlich eine Autorin oder einen Autor beim Schreibprozess zu begleiten. Dafür bringt er nicht nur Online- und Präsenzlehre zusammen, sondern auch Studierende und Schreibende.
Das Konzept sieht vor, einen Schriftstellergast an die Schwabenakademie Irsee einzuladen. „Wir sind die Beobachter dieses Schreib-Residenz-Aufenthalts und reflektieren die eingebrachten Texte“, erklärt Wolfinger. Die Autorin oder der Autor ist den Seminarsitzungen regelmäßig per Zoom zugeschaltet. Fragen zum Werk, zu Motiven, aber auch zum Schriftstelleralltag oder dem persönlichen Werdegang können Studierende dabei so unmittelbar stellen, wie es an der Universität sonst nicht möglich ist. Die Antworten, die auch als Teil des Werks behandelt werden, spiegeln zurück ins Seminar. So entstehen studentische Forschungsbeiträge, die auf LiteraturportalBayern.de veröffentlicht werden.
Das Konzept spreche vor allem Autorinnen und Autoren an, die experimentierfreudig sind und Lust haben, sich auf dieses ungewöhnlicheFormat einzulassen. 2021 war der Dumont-Autor Roman Ehrlich vier Wochen vor Ort einquartiert und in das örtliche Kulturprogramm eingebunden. Im Frühjahr ist Valerie Fritsch, eine Suhrkamp-Autorin, in Irsee. Für einen Workshop besuchen die Seminarteilnehmenden die Autorin und erarbeiten mit ihr zusammen ein Konzept für eine Abschlusslesung, die sie auch moderieren.
„Es ist natürlich ein völlig anderer Stil, ein Seminar aufzuziehen. Darum freut es mich sehr zu sehen, dass die Teilnehmenden die Chance zu nutzen wussten, Fragen zu stellen, die im Germanistikstudium interessieren“, betont Wolfinger.
„,Writing under Observation‘ war für mich ein wegweisend neuer Zugang zu literaturwissenschaftlichen Inhalten, Methoden und Akteuren: der direkte Kontakt mit dem Autor und dem Prozess seines Schreibens, aber auch die Interaktion mit Lektorin und Institutionen, die praktische Arbeit in der Interviewführung und
-auswertung und die Diskussion von Gegenwartsliteratur“, erklärt Seminarteilnehmerin Alina Tempelhoff.
Von einem Teilnehmer wurde Wolfinger für den Lehrinnovationspreis vorgeschlagen und 2022 mit diesem ausgezeichnet. „Die Auszeichnung bestärkt mich, den Literaturbetrieb, die Uni nach außen zu öffnen, das Fach zu dynamisieren.“ Für das Sommersemester 24/25 ist der dritte Turnus des geförderten Projekts geplant.
Die Motivation bei den Lehrenden ist groß. Das sieht auch Vizepräsident Oliver Jahraus so. Und er findet dies dem Status der LMU als Exzellenzuniversität angemessen. „Die LMU hat ein enormes Renommee als Forschungsuniversität“, sagt er. „Da besteht die Gefahr, dass die enormen Anstrengungen, die hier in der Lehre erbracht werden, zu selten im Rampenlicht stehen. Mit unserem Fonds zur Förderung der guten Lehre wollen wir zeigen, dass wir eine Vorreiterrolle nicht nur in der Forschung, sondern auch in der exzellenten Lehre spielen.“
Der Text ist der aktuellen Ausgabe des MünchnerUni Magazins (MUM) entnommen. Die MUM können Sie hier abonnieren oder als E-Paper lesen.
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