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Mit KI den Blick in die Nanowelt schärfen

19.10.2023

Ein Forschungsteam der LMU stellt eine neue Methode vor, die mittels Deep Learning große Datenmengen zu den Eigenschaften einzelner Moleküle auswerten und interpretieren kann.

Die moderne Technik erlaubt es der Wissenschaft, ganz genau hinzuschauen: Inzwischen können Forschende dank hochauflösender Verfahren sogar einzelne Moleküle, wie Proteine oder DNA-Strukturen, im Detail betrachten und vermessen. Diese Informationen aus der Nanowelt sind in vielen wissenschaftlichen Disziplinen heiß begehrt. „Technologien wie die Einzelmolekülspektroskopie haben die Art und Weise revolutioniert, wie wir die Mechanismen von Prozessen auf der Nanometerskala untersuchen“, sagt Don C. Lamb, LMU-Professor für biophysikalische Chemie an der Fakultät für Chemie und Pharmazie. Insbesondere die optische Fluoreszenz-Spektroskopie und Bildgebung ermöglichen die Untersuchung einzelner, dynamischer Biomoleküle in Zellen, Membranen und Lösungen.

Um mehr über Struktur, Dynamik oder Verhalten solcher komplexen Biomoleküle herauszufinden, werden sie an bestimmten Stellen mit Fluoreszenzfarbstoffen markiert, anhand derer man Distanzen und deren zeitliche Veränderung messen kann. Je nach Fragestellung und Komplexität können dabei ein oder mehrere verschiedene Farbstoffe zum Einsatz kommen. Allerdings sind Auswertung und Interpretation der so gewonnenen Daten äußerst aufwendig, zeitintensiv und anfällig für Fehlinterpretationen.

Künstlicher Daten-Analyst: Deep-LASI

Lambs Arbeitsgruppe hat nun im Fachmagazin Nature Communications eine Software vorgestellt, die mithilfe von Künstlicher Intelligenz die Auswertung solcher Datensätze in Zukunft automatisieren, beschleunigen und zuverlässiger machen wird. Deep-LASI (Deep-Learning Assisted Single-molecule Imaging Analysis) ist eine auf neuronalen Netzen basierende Software für die Analyse von ein-, zwei- und dreifach farbmarkierten Einzelmoleküldaten. Der Algorithmus kann die eingespeisten Informationen eigenständig sichten, dabei Hintergrundrauschen, Artefakte und andere Störfaktoren herausfiltern und eine Analyse der verschiedenen Zustände in dynamischen Molekülen durchführen. „Das ist ein echter Gamechanger“, meint Lamb. „Deep-LASI generiert aus den Rohdaten sehr genaue Informationen über die Qualität der Messung und die verschiedenen Zustände der Moleküle – ohne Vorwissen oder Annahmen über das untersuchte System.“

Um das zu demonstrieren, testeten die Forschenden Deep-LASI an mehreren Anwendungsbeispielen. Sie ließen die Software dabei sowohl gegen Menschen antreten als auch gegen herkömmliche Analyse-Programme, die mit denselben Daten trainiert wurden, aber noch ohne Deep Learning funktionieren (sogenannte Hidden-Markov-Model-Analysen). Damit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nachweisen, dass ihr Algorithmus äußerst zuverlässig und präzise arbeitet und sowohl die menschliche als auch die automatisierte Konkurrenz aussticht.

Lernfähig und unvoreingenommen

Als großen Vorteil sehen die Forschenden, dass neuronale Netze in der Lage sind, komplizierte zeitliche Abhängigkeiten und komplexe Muster in einem Bruchteil der ‚menschlichen Arbeitszeit‘ in den Daten zu erfassen und zu analysieren. Das ermöglicht eine erhöhte Genauigkeit und die Identifikation subtiler Übergänge oder Zustände, die mit herkömmlichen Analysemethoden schwer oder gar nicht zu erkennen sind. Darüber hinaus können Deep-Learning-Modelle aus großen Datenmengen lernen und sind im Gegensatz zu menschlichen Betrachtern unvoreingenommen, was systematische Fehler reduziert. Allerdings weisen die Autoren in ihrer Studie darauf hin, dass es eine Herausforderung sein kann, nachzuvollziehen, wie die neuronalen Netze Entscheidungen treffen. „Es kann eventuell zu unbekannten Vorurteilen kommen, die dem Netz selbst innewohnen“, erklärt Simon Wanninger, der Doktorand, der Deep-LASI programmiert hat. Obwohl neuronale Netze eine extrem hohe Genauigkeit aufweisen, könne es eine Herausforderung darstellen, zugrundeliegende Merkmale und Mechanismen zu verstehen, die ihre Vorhersagen beeinflussen. Komplett unhinterfragt könne man den Maschinen die Interpretation von Daten also nicht überlassen.

Zukunft der Einzelmolekül-Untersuchung

Um ihre neue Methode zu testen und die Möglichkeiten der Technik zu veranschaulichen, nutzte das Forschungsteam von Lamb eine von Lambs Kollegen Professor Philip Tinnefeld entwickelte L-förmige DNA-Origami-Struktur, deren kinetische Eigenschaften hochgradig steuerbar und bekannt sind. Als zusätzliche Referenz dienten bereits publizierte Einzelmoleküldaten von Heat-Shock-Proteinen. An diesen Systemen demonstrierten sie mit Erfolg, wie zuverlässig Deep-LASI bei der Untersuchung von Titrationen und der Dynamik und Struktur von Biomolekülen funktioniert.

Die Autoren der Studie sind überzeugt, dass KI-basierte Softwares wie Deep-LASI die Zukunft der Nanoforschung sind. Don C. Lamb ist sich sicher: „Wir gehen davon aus, dass Deep-Learning-Ansätze in Verbindung mit Einzelmolekül-Untersuchungen die Analytik enorm unterstützen, beschleunigen und in Zukunft unverzichtbar sein werden.“

Simon Wanninger, Pooyeh Asadiatouei, Johann Bohlen, Clemens-Bässem Salem, Philip Tinnefeld, Evelyn Ploetz & Don C. Lamb: Deep-LASI: deep-learning assisted, single-molecule imaging analysis of multi-color DNA origami structures. Nature Communications, 2023.

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