Biologische Membranen bilden die äußere Hülle von Zellen sowie wichtigen Zellorganellen wie dem Zellkern oder den Mitochondrien. Dabei ist es die Krümmung der Membran, die deren dreidimensionale Form bestimmt und somit ein Schlüsselmerkmal für deren Funktion ist. Außerdem ist die aktive Umformung der Membran essenziell für zahlreiche lebenswichtige Prozesse. In Kollaboration zwischen der experimentellen und der theoretischen biophysikalischen Arbeitsgruppe von Professor Claudia Veigel (Biomedical Center) und Professor Erwin Frey (Arnold-Sommerfeld Center für Theoretische Physik) der LMU, beide Mitglieder von CeNS, haben die Biophysiker erstmals gezeigt, dass an diesem zentralen Prozess sogenannte molekulare Motoren direkt beteiligt sind. Über ihre Ergebnisse berichten sie im Fachmagazin Nature Communications.Die Krümmung einer Membran entsteht durch ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Proteine. Dabei spielt das Zytoskelett eine wichtige Rolle und damit mittelbar auch molekulare Motoren: Mit ihrer Hilfe können die Strukturen des Zellskeletts dynamisch auf- und abgebaut werden, wodurch indirekt Kräfte auf die Membran ausgeübt werden. Die Motorproteine bewegen sich dabei entlang des Zytoskeletts und transportieren zum einen Moleküle durch die Zelle, zum anderen können sie als Signalmoleküle wirken. „Wir haben nun erstmals eine weitere Funktion für ein Motorprotein gefunden und gezeigt, dass das Motorprotein Myosin-VI direkt an der Zellmembran angreift und diese allein durch die Protein-Membran-Interaktion aktiv in ihrer Form dynamisch verändert“, sagt Laeschkir Würthner, einer der Erstautoren der Studie.„Mittels Fluoreszenzmarkierung, super-resolution fluorescence Mikroskopie-Verfahren und Gold-Nano-Dreiecken haben wir im Experiment nachgewiesen, dass Myosin-VI direkt an die Membran bindet – und zwar bemerkenswerter Weise hochselektiv und kooperativ an Stellen, die eine sattelförmige Krümmung der Membran aufweisen. Die Bindestellen bilden sich an Nanoporen, die durch thermische Fluktuationen entstehen. Wenn die Myosin-Moleküle dort andocken, bilden sie eine Art blumenförmiges, sich dynamisch änderndes, räumliches Muster um die Poren, das einen Durchmesser von mehreren Mikrometern erreichen kann. Der Umfang der Blüten wächst im Experiment konstant und ist direkt proportional zur Myosin-Konzentration“, sagt Veigel.Die Wissenschaftler sind überzeugt, dass die jetzt gefundene Funktion der Myosin-Motoren wichtige Aufgaben in der Zelle erfüllt, etwa bei der Endocytose oder der Bildung von Zellfortsätzen. „Wir haben auch ein quantitatives theoretisches Modell entwickelt, das diesen Weg der Protein-Membran-Interaktion und die daraus resultierende Dynamik der Membranmorphologie korrekt wiedergibt“, sagt Frey. „Wir gehen davon aus, dass unser neuer Assay- und Modellierungsansatz dazu beitragen wird, in naher Zukunft zusätzliche Mechanismen der Membranumformung aufzudecken und die universelle Rolle der Membrankrümmung bei Zellfunktionen aufzuzeigen.“Nature Communications 2019