Bei der Unternehmensbesteuerung liegt Deutschland im internationalen Vergleich im Mittelfeld, wie der Steuerattraktivitätsindex zeigt, der von Professor Deborah Schanz, Vorstand des Instituts für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der LMU, entwickelt wurde. Der „Tax Attractiveness Index“ analysiert 20 Komponenten der Unternehmensbesteuerung, etwa die Besteuerung von Dividenden sowie die Höhe der Quellensteuer, in momentan 100 Ländern. „Der Index ermöglicht einen Überblick, wie attraktiv die steuerlichen Regelungen für Unternehmen im internationalen Vergleich sind. Ein niedriger oder hoher Steuersatz reicht dafür als Erklärung aber nicht aus. Es gibt Länder mit einem relativ hohen Steuersatz wie Malta oder die Niederlande, die dennoch attraktive Standorte sind. Daher erfassen wir 20 verschiedene Indikatoren, die für die Steuerplanung internationaler Konzerne eine Rolle spielen“, sagt Deborah Schanz.
Aktuell führen die Bahamas den Index an. Irland, wo etwa der amerikanische Google-Konzern sein europäisches Hauptquartier hat, liegt auf Platz 17, Deutschland auf Rang 38, Panama auf Platz 61, während die USA abgeschlagen auf Platz 95 sind. Als Anleitung zur Steuerflucht kann der Index dennoch nicht verstanden werden. „Der Index taugt nicht als Werkzeug für Unternehmen, die nach Steuerschlupflöchern suchen. Das Ziel ist, mithilfe des Index Komplexität zu reduzieren und Transparenz zu schaffen“, sagt Jil Fritz, Doktorandin am Institut für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre.
Der „Tax Attractiveness Index“ wird laufend aktualisiert und im Internet unter der Adresse www.taxindex.de veröffentlicht. Die Daten stammen aus offiziellen jährlichen Printveröffentlichungen nationaler und internationaler Institutionen. Sie wurden vom Team um Deborah Schanz bislang für die Jahre 2005 bis 2014 aufbereitet und werden laufend um den neuen Rechtsstand erweitertet. „Die Webseite fasst ausgewählte Daten erstmals in einem Index zusammen und bietet sie in einem interaktiven Onlineformat mit verschiedenen Suchfunktionen an. Bislang musste man dafür mehrere Bücher durchsehen“, sagt Jil Fritz. Der Index kann sowohl als Gesamtranking abgerufen oder selektiv aus Teilkomponenten zusammengestellt werden. Für wissenschaftliche Auswertungen können die Daten zukünftig auch heruntergeladen werden.
Wie Deborah Schanz gemeinsam mit den Koautoren Sara Keller und Andreas Dinkel in einer Veröffentlichung im Review of Managerial Science zeigt, lässt sich mit dem Index die Standortentscheidung deutscher Unternehmen erklären. „Ein günstiges steuerliches Umfeld hat einen wesentlichen Einfluss auf die Anzahl von Tochterfirmen deutscher Unternehmen“, sagt Schanz. Deutsche multinationale Konzerne bevorzugen Standorte außerhalb der EU für ihre Tochterfirmen sowie innerhalb Europas die Niederlande, Belgien, Österreich und die Schweiz, die alle Plätze im oberen Drittel des Tax Attractiveness Index innehaben. „Regierungen sollten zur Kenntnis nehmen, dass multinationale Unternehmen nicht nur auf die Höhe der Besteuerung achten, sondern auch andere Faktoren in ihre Standortentscheidungen mit einbeziehen“, sagt Schanz. Aus der Studie ist auch zu entnehmen, dass deutsche Unternehmen (Dax 30) eine nur sehr geringe Anzahl an Tochtergesellschaften in Panama ansiedeln. “Dies zeigt, dass Unternehmen mit realen und legalen wirtschaftlichen Strukturen von der Panama-Affäre nicht betroffen sind. Bei der Versteuerung von in Panama erzielten Unternehmenserträgen liegt Panama weltweit nur im schlechten Mittelfeld, wie der Steuerattraktivitätsindex zeigt“, sagt Deborah Schanz.
Verschiedene Initiativen versuchen aktuell, der Steuerflucht großer Konzerne einen Riegel vorzuschieben. So will die EU-Kommission künftig den Informationsaustausch der europäischen Steuerverwaltungen verbessern. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schätzt, dass die Konzerne jährlich weltweit zwischen 100 bis 240 Milliarden Dollar Steuern vermeiden. So soll beispielsweise der US-Konzern Facebook in Großbritannien, seinem zweitgrößten Markt, im Jahr 2014 nur 4327 britische Pfund Steuern gezahlt haben.
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