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Variable Umwelt fördert Kooperation

11.10.2017

Kooperative Bakterien überleben leichter, wenn das Ressourcenangebot stark schwankt. Das zeigen Simulationen von LMU-Biophysikern, die erstmals sowohl variable Umweltbedingungen als auch demographische Fluktuationen berücksichtigten.

Auch unter Bakterien nützt soziales Verhalten der Population. Allerdings nicht unbedingt dem einzelnen kooperativen Bakterium: Manche produzieren beispielsweise unter Energieverbrauch Stoffe, die der gesamten Population zugute kommen – wachsen dadurch aber langsamer als Artgenossen. Trotz dieses Nachteils existieren kooperierende Bakterien in vielen Population, was auf den ersten Blick dem „Survival of the fittest“-Prinzip der Darwin’schen Evolutionstheorie zu widersprechen scheint. Die LMU-Physiker Professor Erwin Frey und Karl Wienand haben nun in Kooperation mit Professor Mauro Mobilia (University of Leeds) dieses Phänomen untersucht und mit mathematischen Simulationen gezeigt, dass die Überlebenschancen von Kooperatoren durch schwankende Umweltbedingungen gesteigert werden. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Physical Review Letters.

Bakterien existieren selten unter konstanten Bedingungen: Temperatur und Nahrungsangebot etwa variieren in ihrer Umwelt meist stark und sorgen für wenig vorhersehbare Lebensverhältnisse. Zusätzlich können auch demographische Fluktuationen, also zufällige Schwankungen bei Reproduktions- und Sterbeereignissen, in die Evolution der Population eingreifen – und sogar eigentlich privilegierte Stämme zum Aussterben bringen. Sowohl umwelt- als auch populationsbedingte Schwankungen wirken sich auf die Wachstumsdynamik aus. Beide Effekte beeinflussen sich aber auch gegenseitig, da demographische Schwankungen von der Populationsgröße abhängen, die wiederum durch die Umwelt beeinflusst wird. „Trotzdem wurden bisher meistens beide Effekte separat betrachtet“, sagt Wienand, der Erstautor der Arbeit. „Wir haben nun analysiert, wie sich ihre Kombination auf die Überlebenschancen eines Bakterienstamms auswirkt, der kooperatives Verhalten zeigt und dadurch einen Wachstumsnachteil hat.“

Dazu simulierten die Wissenschaftler die Wachstumsdynamik einer Kolonie aus zwei gut durchmischten Bakterienstämmen, von denen einer kooperativ agiert, der andere nicht. Beide Stämme konkurrierten um Ressourcen, die zufällig schwankend entweder im Überfluss oder im Mangel zur Verfügung standen. Die Simulationen zeigten, dass in einer variablen Umwelt die Überlebenschancen des kooperativen Stamms signifikant höher sind als unter konstanten Bedingungen. Wenn die Verfügbarkeit von Ressourcen schwankt, schrumpft die Kolonie in schlechten Zeiten und die Population wird sehr klein. Da sich zufällige demographische Fluktuationen dann stärker auswirken, passiert es in kleinen Populationen häufiger, dass nicht-kooperierende Stämme aussterben – und die Kooperatoren dadurch weniger Konkurrenz haben und gedeihen.

Wie stark variable Umweltbedingungen Kooperatoren einen Vorteil verschaffen, hängt auch von der Häufigkeit der Schwankungen ab, wie die Wissenschaftler zeigen konnten: Wenn sich die Bedingungen nur selten ändern, schrumpft und wächst die Population analog zu den zur Verfügung stehenden Ressourcen. Kommt es dagegen zu sehr häufigen Wechseln, bleibt die Populationsgröße auf einem mittleren Wert. „Dann ist die Population zwar kleiner, als es bei konstant guten Bedingungen der Fall wäre, aber nicht unbedingt so klein, dass sich die demographischen Fluktuationen für die Kooperatoren positiv bemerkbar machen“, sagt Frey. „Wir haben ein mathematisches Modell entwickelt, das diese Zusammenhänge gut widerspiegelt und dazu beitragen kann, die komplexen Beziehungen zwischen Bakterien und Umwelt besser zu verstehen.“Physical Review Letters 2017

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