Welche Fragen stellen Sie Studieninteressierten, die zu Ihnen in die Beratung kommen? Andrea Lutz: Viele Schüler wissen in der Regel recht gut, welche Studiengänge auf keinen Fall infrage kommen. Wir suchen im Gespräch diejenigen Studiengänge, die sie vielleicht wirklich studieren möchten. Und dann muss man weiterbohren: Haben Sie schon mal reingeschnuppert in den Studiengang? Was wissen Sie denn über das Fach? Das ist oft ein komplexer Prozess: Für Schüler ist es in der Regel das erste Mal, dass sie eine sehr weitreichende Entscheidung treffen müssen und viele sind von der Reichweite dieser Entscheidung überfordert. Sie denken: Jetzt geht’s um so viel und ich will es richtig machen.
Ist es denn eine so weitreichende Entscheidung? Ja und Nein. Viele Studien sagen: Es ist erstmal eine Weichenstellung. In der Regel bleibt niemand mehr 40 Jahre im selben Beruf. Mit der rasanten technologischen Veränderung, die wir derzeit erleben, ist auch gar nicht klar, welche Berufsbilder es in zehn oder 20 Jahren noch geben wird. Gleichzeitig werden auch neue Berufe entstehen. Vor diesem Hintergrund ist es auch so wichtig, die Entscheidung von den eigenen Interessen abhängig zu machen. Man muss sich fragen: Wo wird’s für mich spannend? In welchen Bereichen kann ich einen Beitrag leisten? Was mache ich gerne und besonders gut? Damit schaffen sich junge Leute eine gute Basis, um mit zukünftigen Veränderungen umzugehen.
Wie wichtig ist der Studiengang für den späteren Beruf? Es gibt Studiengänge, die der einzig mögliche Weg zum Wunschberuf sind. Wenn ich als Arzt arbeiten will, muss ich Medizin studieren. Wenn ich jedoch später mal in Laboren arbeiten und forschen will, gibt es mehrere Wege. Ich kann zum Beispiel Pharmazie, Pharmaceutical Sciences, Biologie oder Chemie studieren. Und es gibt viele Studiengänge, bei denen später viele in Berufen arbeiten, die mit dem studierten Fach inhaltlich nicht mehr sehr viel zu tun haben, die aber eine akademische Qualifikation erfordern. Also eine Vertrautheit im Umgang mit wissenschaftlichen Fragestellungen, Arbeitsweisen und theoretischen Modellen. Die Entscheidung für einen Studiengang ist eben häufig zunächst die Entscheidung für eine Fachwissenschaft und nicht eine praktische Berufsausbildung. Wenn man – wie ich – Anglistik studiert hat, kann man später in PR-Agenturen, in Kulturinstitutionen oder in Personalabteilungen arbeiten. Hier ist Flexibilität sehr wichtig. Studenten müssen von vornherein wissen, dass sie offenen Auges durch die Welt gehen, sich über Arbeitsbereiche informieren und praktische Erfahrungen sammeln müssen.
Und wie wichtig sind die Jobchancen? Schülern sind Jobchancen immer extrem wichtig. Viele haben Angst, später keinen Job zu finden. Oft höre ich: Eigentlich finde ich den Studiengang XY total spannend, aber da habe ich ja keine Berufschancen.
Was raten Sie dann? Dieser Aussage nachzugehen, also zu fragen: Habe ich da wirklich keine Chancen? Oft beruht diese Annahme auf Unsicherheit und auf einem Mangel an konkreter Information. Die Vorstellungen über mögliche Jobchancen sind oft sehr diffus. Man konzentriert sich häufig auf das, was man kennt. Wir raten dazu, auch bei Studienfächern, die man von der Schule her schon gut kennt, genau hinzuschauen, weil sich Inhalte, Ansprüche und Lehrmethoden von Schule und Hochschule doch unterscheiden. Da kommt es immer mal wieder zu Enttäuschungen, weil man sich das ganz anders vorgestellt hat.
Zudem kann man auch Gespräche mit den Fachstudienberatern zu führen. Dort kann man zum Beispiel auch nachfragen, welche Berufschancen es für die Absolventen im gewählten Fach wirklich gibt.
Wo kann man sich über Studiengänge informieren? Eine gute Gelegenheit ist auch der Tag der Offenen Tür der LMU, der jetzt am 28. Januar stattfindet. Dort präsentieren sich fast alle Fächer der LMU, es gibt Einführungen zum Studiengang, viele Ansprechpartner und Studierende der Fächer sind vor Ort. Jemanden zu fragen, der in etwa gleich alt ist, kann sehr hilfreich sein. Schüler trauen sich dann eher, ganz einfache Fragen zu stellen, etwa: Wie ist das Studentenleben? Wie schwierig sind die Prüfungen? Und sie können sich über Studienfinanzierung, Wohnen und ein Auslandsstudium informieren. Studieninteressierte sollten sich jedoch vorab über das Programm und den Zeitplan informieren. Und sich immer fragen: Was will ich herausfinden? Und sich auf jeden Fall über die Webseite der Universität über die Studiengänge informieren. Es gibt natürlich auch gute übergreifende Studienportale, etwa www.studienwahl.de oder den Hochschulkompass, die einen Überblick über die Studiengänge geben.
Kann ein Studieninteressierter vorab Einblicke in ein Studienfach erhalten? Ja, an der LMU gibt es zum Beispiel die Schnupperstunden, Studieren Probieren oder auch die Studienorientierungswoche, bei denen man einfach mal an einer Vorlesung teilnehmen kann. Und es gibt das Probestudium, bei dem man tiefer in ein bestimmtes Fach reinschnuppern kann. Für sehr leistungsstarke Schüler gibt es auch das Frühstudium, bei dem man tatsächlich ein Semester lang an der Universität eingeschrieben ist und auch Prüfungen ablegen kann.
Was können Studierende tun, wenn sie merken, dass sie sich für den falschen Studiengang entschieden haben? Diesem Eindruck frühzeitig nachgehen. Mit anderen Studenten darüber reden, sich genauer mit den Fragen beschäftigen: Liegt es am Studienfach? Liegt es an meinen Lerntechniken? Oder liegt es daran, dass ich eigentlich gar nicht studieren, sondern mich beruflich orientieren möchte? Und unbedingt die Studienberater, ob in den Fachstudienberatungen oder der Zentralen Studienberatung, ansprechen. Wir sind für alle Fragen da – egal ob das nun Orientierungsfragen im oder während des Studiums sind. Grundsätzlich sollte man auch den Perfektionismus aus der Entscheidungssituation der Studienwahl nehmen. Denn: Gibt es bei so vielen Möglichkeiten wirklich nur die eine richtige Entscheidung?
Der Tag der Offenen Tür der LMU findet am 28. Januar 2017 im Hauptgebäude der LMU, Geschwister-Scholl-Platz 1, statt. Weitere Infos: www.lmu.de/tof