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Wie Sprache und Handeln zusammenhängen

25.11.2019

Im Rahmen eines neuen BMBF-Projekts will die LMU-Germanistin Julia Büttner-Kunert zwischenmenschliche Kommunikation bei dementiellen Erkrankungen und Schädel-Hirn-Traumata untersuchen und dabei Konzepte für die Therapie entwickeln.

Menschen mit Demenzen oder anderen kognitiven Defiziten haben häufig auch Probleme in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Um das Entstehen von Sprachstörungen bei derartigen Krankheitsbildern besser erfassen und verstehen zu können, entwickelte Julia Büttner-Kunert vom LMU Lehrstuhl für Deutsche Philologie in den vergangenen Jahren ein neues linguistisches Screening-Verfahren. Diesen Test will die klinische Linguistin in ihrem nun gestarteten BMBF-Projekt NEUROPRAG auch in der Praxis einsetzen. Sie erforscht damit bei Menschen mit Schädel-Hirn-Trauma und demenziellen Erkrankungen systematisch, wie gut diese noch über sogenannte sprachpragmatische Fertigkeiten verfügen. Es geht hierbei um die Fähigkeit, mit Sprache eine Handlung zu bewirken. Sagt jemand beispielsweise „Es zieht“, will er, dass das Fenster geschlossen wird. Die Bedeutung der Aussage erschließt sich aus dem Kontext. Diese Fähigkeit kann aufgrund einer Erkrankung verloren gehen.

Insgesamt 120 Patienten und 120 gesunde Probanden wollen die Forscherinnen und Forscher im Zeitraum von drei Jahren untersuchen und dabei analysieren, wie sich pragmatische, sprachliche Fähigkeiten von Menschen sowohl im Lauf einer Erkrankung wie auch generell mit zunehmendem Alter verändern. Schädel-Hirn-Traumata bei jüngeren Menschen sowie Alzheimer-Demenzen bei älteren Personen sind sehr häufige neurologische Erkrankungen, die zu Kommunikationsstörungen führen können. „Für die sprachtherapeutische Diagnostik und Therapie fehlen hier gut validierte Konzepte“, sagt Büttner-Kunert. Gerade eine sprachwissenschaftliche Expertise sei für die Forschung entscheidend, um Bedeutungsstrukturen in einem Text oder einer Gesprächssituation zu erkennen, so Büttner-Kunert.

Das Screening-Verfahren untersucht daher beispielsweise, ob die Versuchspersonen Metaphern in einem Text noch verstehen und ob eine neurologische Erkrankung bereits zu einem veränderten Gesprächsverhalten führt. „Wir gehen dabei auch der Frage nach altersspezifischen Veränderungen nach“, sagt Büttner-Kunert. „Über Sprache gerade im höheren Lebensalter ist bislang wenig geforscht worden.“ Das so generierte Wissen soll umgekehrt Betroffenen beispielsweise verstehen helfen, was zentral in einem Text oder Gespräch ist und sozusagen den roten Faden bildet, der Äußerungen für ein Gegenüber verständlich macht. Die Kenntnis dieser Kernstrukturen kann sie dann dabei unterstützen, trotz zunehmender Defizite noch gut über Sprache zu kommunizieren.

„Kleine Fächer – große Potentiale“ Das Projekt ist Teil der Förderlinie „Kleine Fächer – große Potentiale“. „Das größte Potenzial besteht darin, die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern, in dem mögliche Ursachen von pragmatischen Defiziten durch systematische Analysen aufgedeckt werden können.“, sagt Büttner-Kunert. „Daran können sich dann individuell ausgerichtete Therapieansätze anschließen.“ Ein vertiefter Kenntnisstand zu neuropragmatischen Störungen könne zu einer besseren Versorgungssituation der Betroffenen beitragen.

Wichtig für das BMBF-Projekt sind sowohl der interdisziplinäre Ansatz mit Forschenden aus den Bereichen Sprachwissenschaft, Kognitionsforschung, Medizin und Therapiewissenschaften wie auch die internationale Vernetzung. So nehmen Expertinnen aus Australien und Kanada teil, die sich schon lange intensiv mit Sprache bei Schädel-Hirn-Traumata beschäftigen. NEUROPRAG will so auch prüfen, ob sich Untersuchungsinstrumente wie Fragebögen, die für den anglo-amerikanischen Sprachraum etabliert sind, auch für deutschsprachige Probanden eignen. Das Projekt ist auf insgesamt drei Jahre angelegt.

Weitere Informationen:https://www.germanistik.uni-muenchen.de/forschung/proj_gl/neuropragmatik/index.html

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