Per Smartphone einzelne Moleküle detektieren und Krankheiten erkennen
12.02.2021
Licht detektieren, das ein einzelnes Molekül aussendet: LMU-Forscher zeigen, wie dies mit einer Handy-Kamera und kostengünstiger Optik gelingt.
12.02.2021
Licht detektieren, das ein einzelnes Molekül aussendet: LMU-Forscher zeigen, wie dies mit einer Handy-Kamera und kostengünstiger Optik gelingt.
Um Krankheiten zu erkennen oder um deren Verlauf zu beurteilen, spielen Biomarker eine zentrale Rolle. Dazu zählen beispielsweise Gene, Proteine, Hormone, Lipide oder andere Moleküle. Sie kommen im Blut, im Liquor, im Urin oder in unterschiedlichen Gewebetypen vor, haben aber eine Gemeinsamkeit: Ihre Konzentration ist extrem gering, was den Nachweis technisch anspruchsvoll macht.
Viele Verfahren arbeiten mit molekularen Sonden, die an Biomarker binden. Das können beispielsweise Antikörper oder Nukleinsäuren, sprich kurze Abschnitte mit Erbgut, sein. Erkennen Sonden einen Biomarker, binden sie daran. Über chemische oder physikalische Reaktionen entstehen Fluoreszenzsignale. Solche Verfahren funktionieren, falls ihre Sensitivität hoch genug ist. Das heißt, sie erkennen einen hohen Prozentsatz aller Patienten, die diese Biomarker im Blut tragen. Außerdem müssen die entstehenden Signale verstärkt werden, um die Tests in der Praxis bei der patientennahen Diagnostik einsetzen zu können. Ziel ist, Untersuchungen direkt beim Patienten durchzuführen, ohne viel Zeit zu verlieren, weil die Proben erst in ein entferntes Labor geschickt werden müssen.
Der LMU-Wissenschaftler Philip Tinnefeld, Inhaber eines Lehrstuhls für Physikalische Chemie an der LMU, hat eine Strategie entwickelt, um Biomarker in niedriger Konzentration nachzuweisen. Ihm ist es gelungen, DNA-Sonden mit kleinsten Gold- oder Silberteilchen zu verknüpfen. Zwei Partikel, Dimer genannt, wirken als Nanoantenne und verstärken Fluoreszenzsignale. Das geht so: Wechselwirkungen zwischen den Nanopartikeln und den Lichtwellen intensivieren elektromagnetische Felder, was zu einer enormen Verstärkung der Fluoreszenz führt. Damit gelingt es etwa, Bakterien mit Antibiotikaresistenzgenen oder auch Viren nachzuweisen.
„DNA-basierte Nanoantennen sind schon seit einigen Jahren bekannt“, sagt Kateryna Trofymchuk, eine der Erstautorinnen der Studie. „Aber die Herstellung dieser Nanostrukturen blieb eine große Herausforderung.“ Der Arbeitsgruppe von Philip Tinnefeld ist es jetzt gelungen, Bestandteile ihrer Nanoantenne präziser anzuordnen und DNA-Moleküle, die als Fänger-Sonden fungieren, am Ort der Signalverstärkung zu platzieren. Dadurch wird das Fluoreszenzsignal wirksamer verstärkt. Gleichzeitig können in diesem winzigen Volumen im Zeptoliter-Bereich (das entspricht 10-21 Litern) immer noch Biomarker-Moleküle eingefangen werden.
Dieses Maß an Positionskontrolle wurde durch die DNA-Nanotechnologie ermöglicht, eine Technik, die die bekannten strukturellen Eigenschaften der DNA nutzt, um alle möglichen unterschiedlichen Objekte im Nanobereich zu bauen – und zwar in großem Maßstab. „In einer Charge können wir gleichzeitig Billionen dieser Nanoantennen herstellen, und zwar mit einem Verfahren, das im Wesentlichen aus dem Zusammenpipettieren mehrerer Lösungen besteht“, berichtet Trofymchuk.
„In Zukunft“, so Viktorija Glembockyte, die andere Erstautorin der Veröffentlichung, „könnten Forscher unsere Technologie für diagnostische Tests auch in Gegenden einsetzen, in denen der Zugang zu Elektrizität oder Laborausrüstung begrenzt ist. Wir haben gezeigt, dass es möglich ist, kleine DNA-Fragmente direkt im Blutserum zu detektieren, während der gesamte Assay auf einem tragbaren, selbst-entwickelten Smartphone-Mikroskop lief, das von einer herkömmlichen USB-Powerbank mit Strom versorgt wurde“, sagt Glembockyte. In neueren Smartphones befinden sich meist recht gute Kameras. Ansonsten benötigt man nur einen Laser und eine Linse: zwei preisgünstige, gut verfügbare Komponenten. Daraus haben die LMU-Wissenschaftler ihren Prototypen konstruiert.
Exemplarisch testeten sie auf DNA-Fragmente, die spezifisch für Antibiotikaresistenzen in Bakterien sind, aber der Assay könnte leicht an eine Fülle anderer interessanter Ziele angepasst werden, um beispielsweise Viren zu detektieren. Tinnefeld ist optimistisch: „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass es immer Bedarf an neuen innovativen Diagnosemethoden gibt, und vielleicht kann unsere Technologie eines Tages dazu beitragen, einen preiswerten und zuverlässigen diagnostischen Assay bereitzustellen, der sogar zu Hause durchgeführt werden kann.“