Alte DNA enthüllt 11.000 Jahre gemeinsame Geschichte von Schaf und Mensch
31.01.2025
Der Aufstieg der Hirtenvölker in den eurasischen Steppen und ihre Ausbreitung nach Westen vor etwa 5.000 Jahren könnte durch die Schafzucht vorangetrieben worden sein.
Schafe sind seit über 11.000 Jahren eng mit der menschlichen Existenz verbunden. Durch die Domestikation dieser Tiere profitierten die Menschen neben der Versorgung mit Fleisch auch von ihrer proteinreichen Milch und Kleidung aus Wolle. Nun hat ein internationales, interdisziplinäres Forscherteam unter der Leitung von Genetikern des Trinity College Dublin und Zooarchäologen der LMU München sowie der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) die frühe Kulturgeschichte der Hausschafe entschlüsselt. Die Wissenschaftler analysierten 118 Genome aus Schafsknochen, die einen Zeitraum von 12.000 Jahren umfassen und deren Herkunft sich von der Mongolei bis nach Irland erstreckt.
Die Forschenden konnten zeigen, dass Genome aus Knochen aus der ältesten untersuchten Siedlung mit Schafhaltung – Aşıklı Höyük in Zentralanatolien – denen späterer Hausschafpopulationen in der weiteren Region ähnelten. Dies bestätigt, dass Mufflons, die vor mehr als 11.000 Jahren im westlichen Bereich des nördlichen Fruchtbaren Halbmonds lebten, die Ausgangspopulation für die neolithischen Herden bildeten.
Die Untersuchung der frühesten Schafpopulationen Europas ergab Hinweise darauf, dass Bauern bereits vor 8.000 Jahren ihre Herdentiere ganz gezielt selektierten – dies zeigte sich insbesondere im Hinblick auf die Gene, die die Fellfarbe festlegen. Zusammen mit ähnlichen Hinweisen bei Ziegen ist dies der früheste Beleg dafür, dass der Mensch die Biologie der Tiere gezielt beeinflusste. Offenbar interessierten sich schon die frühen Hirten, genau wie heutige Bauern, für Besonderheiten wie etwa bestimmte Fellmuster. Die Forschenden fanden insbesondere Hinweise auf Mutationen des sogenannten KIT-Gens, welches bei zahlreichen Nutztieren mit weißer Fellfärbung in Verbindung gebracht wird.
Bronzezeitliche Migration nach Westen
Vor rund 8.000 Jahren unterschieden sich die Genome der frühen Hausschafe aus Europa und östlich des Ursprungsgebiets im Iran und in Zentralasien noch voneinander. Diese Trennung hielt jedoch nicht an, da Hirten mit Tieren aus östlichen Populationen in Richtung Westen wanderten: Vor etwa 7.000 Jahren kam es unter dem kulturellen Einfluss der Bewohner der frühen Städte Mesopotamiens zum Transfer von Schafen innerhalb des Fruchtbaren Halbmonds Richtung Westen.
Etwas später, vor etwa 5.000 Jahren, beeinflusste die Entfaltung der Hirtenvölker in den eurasischen Steppen und deren Ausbreitung Richtung Westen die ursprünglich ansässigen europäischen Bevölkerungsgruppen und deren Kultur tiefgreifend. Dieser Migrationsprozess veränderte die Zusammensetzung der menschlichen Bevölkerung nachhaltig und hinterlässt seine Spuren bis heute in ihrer DNA. Auch die Ausbreitung der indoeuropäischen Sprachen hat in diesen Wanderbewegungen ihren Ursprung – heute die Basis fast aller auf dem Kontinent gesprochenen Sprachen. Im Zuge dieser massiven Migration gelangten auch größere Schafbestände nach Europa, wie der in der neuen Studie analysierte Datensatz zeigt: Etwa zu dieser Zeit änderte sich auch die Abstammung der lokalen Schafe, sodass die bronzezeitlichen Schafherden Europas etwa zur Hälfte auf Linien zurückgehen, die sich geografisch in den Steppen Eurasiens verorten lassen.
Unsere Studie bringt morphologische und genomische Belege für die geografische Herkunft von Hausschafen überzeugend in Einklang. Sie zeigt aber auch deutlich, dass weitere transdisziplinäre Forschung erforderlich ist.
„Eine unserer erstaunlichsten Erkenntnisse war diese ausgeprägte prähistorische Migrationsbewegung der Schafe von den eurasischen Steppen nach Europa während der Bronzezeit. Dies deckt sich mit dem, was wir über menschliche Wanderungen im gleichen Zeitraum wissen, und deutet darauf hin, dass die Menschen, wenn sie weiterzogen, ihre Herden mitnahmen“, sagt Dr. Kevin Daly, Ad-Astra-Assistenzprofessor an der School of Agriculture and Food Science, University College Dublin, und außerordentlicher Assistenzprofessor an der Trinity's School of Genetics and Microbiology, der Erstautor der Studie.
Dan Bradley, Forschungsleiter und Professor für Populationsgenetik an der Trinity's School of Genetics and Microbiology, fügt hinzu: „Unsere Forschung zeigt, wie sich die Beziehung zwischen Menschen und Schafen über Jahrtausende entwickelt hat. Von den Anfängen der Domestizierung bis hin zur Entwicklung von Wolle als wichtige Textilressource haben Schafe eine entscheidende Rolle in der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung des Menschen gespielt.“
Joris Peters, Ko-Korrespondenzautor und Lehrstuhlinhaber für Paläoanatomie, Domestikationsforschung und Geschichte der Tiermedizin der LMU München sowie Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München (SNSB-SPM) ergänzt: „Unsere Studie bringt morphologische und genomische Belege für die geografische Herkunft von Hausschafen überzeugend in Einklang. Sie zeigt aber auch deutlich, dass weitere transdisziplinäre Forschung erforderlich ist, um die Muster der Ausbreitung und Auslese der vielen Landrassen zu klären, die heute in Eurasien und Afrika verbreitet sind.“