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Auf dem Weg zum molekularen Supermarkt

14.05.2024

Biophysikerin Alena Khmelinskaia kreiert neuartige Proteine, die für verschiedene Anwendungen konfiguriert werden können.

Ob als Strukturelement, Botenstoff oder Transporter: Proteine haben viele lebenswichtige Funktionen. Ihre Eigenschaften werden dabei wesentlich durch die Architektur bestimmt, zu der sich ihre Bausteine zusammenfinden. Alena Khmelinskaia untersucht die physikalischen Wechselwirkungen, die hinter dieser Selbstorganisation von Proteinen in dreidimensionale Struktur stehen – und designt ganz neue Proteine mit Eigenschaften, die für Anwendungen etwa in der Biomedizin maßgeschneidert sind.

Ursprünglich wollte die in Portugal aufgewachsene Khmelinskaia eigentlich Pianistin werden. „Aber meine Eltern waren der Meinung, dass das kein besonders einfacher Berufsweg sei“, erzählt sie, „daher habe ich begonnen, in Lissabon Biochemie zu studieren.“ Noch während des Studiums entdeckte sie ihre Begeisterung für Biophysik, als sie eher per Zufall Gelegenheit bekam, in einem auf Membranbiophysik spezialisierten Labor zu forschen. Auch später haben Zufälle oder „glückliche Fehler“, wie sie es nennt, in ihrem beruflichen Werdegang immer wieder eine fruchtbare Rolle gespielt. „Und manchmal bin ich auch stur und gehe mit dem Kopf durch die Wand, wenn ich etwas gerne machen möchte“, erinnert sie sich.

Ihr Interesse an Membranbiophysik führte sie schließlich nach München, wo sie am Max-Planck-Institut für Biochemie forschte und an der LMU in Physik promoviert wurde. Anschließend wollte die Biophysikerin im Bereich Synthetische Biologie und Proteindesign forschen und wechselte dafür nach Seattle (USA) an die University of Washington, bevor sie an der Universität Bonn eine eigene Forschungsgruppe aufbaute.

Porträt der Biochemikerin Alena Khmelinskaia. Sie trägt ein rotes Jacket und eine Brille und steht vor einem Regal mit Laborgeräten und -flaschen.

Professorin Alena Khmelinskaia

© LMU/LC Productions

Modellierung am Computer und Experimente im Labor

Seit April 2023 ist Alena Khmelinskaia zurück in München und Professorin für Biophysik an der LMU. In ihrer Forschung kombiniert sie computergestützte Verfahren zum Protein-Design mit Laborexperimenten, in denen sie mit ihrem Team die per Algorithmus entwickelten Proteine synthetisiert und biochemisch charakterisiert. „Wir wollen sehen, ob wir die Design-Herausforderung gelöst haben“, sagt Khmelinskaia, „und es ist einfach befriedigend zu wissen, dass das Protein tatsächlich funktioniert.“

Zwar sieht sie sich grundsätzlich als Grundlagenwissenschaftlerin, aber trotzdem behält sie immer auch mögliche Anwendungen ihrer Designs im Blick: „Es ist sehr motivierend, Materialien herzustellen, die nützlicher sind als die derzeit vorhandenen.“ Eine der Architekturen, mit denen sie sich beschäftigt, beschreibt sie als eine Art Protein-Fußball in sehr kleinem Maßstab. „Diesen Ball könnte man beispielsweise außen mit bestimmten Molekülen ‚dekorieren‘, sodass er mit seiner Umgebung interagiert. Aber man könnte auch im Inneren Stoffe einschließen, um sie an ein Ziel zu liefern.“

Maßgeschneiderte Lösungen

Bisher basieren künstlich designte Proteine im Wesentlichen auf starren Bausteinen, die strengen Symmetrie-Regeln gehorchen. Die klassische Form ist ein Ikosaeder, das sich auch in der Architektur vieler Virus-Kapside findet. Wenn beispielsweise Fracht mithilfe eines solchen Designer-Kapsids transportiert werden soll, muss derzeit für jede Frachtgröße ein neues Kapsid erstellt werden. Auch die Freisetzung der Fracht ist oft eine Herausforderung, da diese ziegelsteinartig sind.

Khmelinskaias Ziel ist es, dieses System vielseitiger zu gestalten, indem auch flexible Proteinkomponenten sowie dynamische Kontakte einbezogen werden. Auf diese Weise will sie eine größere Vielfalt an Formen und Funktionen generieren, sodass Proteine fein abgestimmt auf die jeweiligen Anforderungen designt werden können. „Das würde uns im besten Fall ermöglichen, auf der Basis einer universellen Plattform so etwas wie einen Supermarkt für Protein-Fußbälle zu schaffen, in dem ein Forscher genau die Spezifikationen bestellen kann, die er benötigt.“

In einem ihrer aktuellen Projekte beschäftigt sich ihr Team außerdem mit dem Design von Materialien mit kontrollierter Porosität. „Wir versuchen, Materialien herzustellen, die zunächst eine geringere Porosität haben, sich aber halb auflösen und dadurch poröser werden, wenn sich der pH-Wert ändert“, sagt Khmelinskaia. Dazu erstellen sie Strukturen aus zwei ineinanderliegenden Polyedern, die bei pH-Änderungen zu zwei einzelnen Polyedern zerfallen. „Es ist eine Art Montage, auf die wir zufällig gestoßen sind“, erzählt Khmelinskaia, „und sie stellte sich als eine sehr spannende Herausforderung heraus, weil es mathematisch interessant ist, wie die Formen ineinandergepasst werden müssen und wie sich ein solcher Zusammenbau im wirklichen Leben bilden kann.“

Proteindesign wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, ist Khmelinskaia überzeugt. Vieles, was noch nicht möglich gewesen sei, sei nun in Reichweite, und die Anwendungen könnten über biologische Systeme hinausgehen. Für ihre zukünftige Arbeit schätzt sie an München besonders das inspirierende wissenschaftliche Umfeld mit einer großen Expertise in Biophysik, Materialwissenschaften und synthetischer Biologie: „Es ist schön, in einer Umgebung zu sein, in der die Menschen auf denselben Frequenzen schwingen und wo man sich wirklich leicht auf wissenschaftlicher Ebene austauschen kann. Es war bis jetzt fantastisch und freue ich mich sehr auf das, was kommt.“

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