Albert Einstein sprach einst von „spukhafter Fernwirkung“, als er versuchte, ein für Laien schwer nachvollziehbares Phänomen aus der Quantenwelt zu beschreiben. Er bezog sich auf die sogenannte Verschränkung, einen quantenmechanischen Zustand, der auf zwei verschiedene Teilchen verteilt ist und diese gewissermaßen verbindet – mittlerweile über große Distanzen. Das Prinzip der Verschränkung ist zentral für alle künftigen Quantentechnologien. Forschern der LMU um den Physiker Harald Weinfurter ist es in Zusammenarbeit mit Kollegen der Universität des Saarlands nun gelungen, eine Verschränkung zwischen den Quanteneigenschaften eines Atoms und eines Photons über 20 Kilometer Glasfaser zu erzeugen. Bisherige Experimente erreichten lediglich Entfernungen von 700 Metern. „Die Entfernung stellt einen Meilenstein hinsichtlich der Verteilung von Quanteninformationen in großem Maßstab dar“, sagt Weinfurter. „Unsere Arbeit ist ein zentraler Schritt hin zu zukünftigen Quantennetzwerken.“
Quantennetzwerke bestehen grundsätzlich aus Knotenpunkten mit Quantenspeichern – zum Beispiel ein oder mehrere Atome – und photonischen Kanälen dazwischen, also einer Verbindung über Lichtteilchen. Den Physikern gelang es nun, ein Rubidium-Atom mit einem Photon zu verschränken und die Verschränkung auch noch nach einer im Labor aufgewickelten, zwanzig Kilometer langen Glasfaserleitung zu beobachten.
Das größte Hindernis für derart große Distanzen war dabei die Wellenlänge der im Experiment verwendeten Rubidium-Atome. Sie emittieren nach gezielter Anregung Photonen mit einer Wellenlänge von 780 Nanometern, also nahem Infrarot. „Diese Wellenlänge würde in einer Glasfaser schnell absorbiert“, erklärt Weinfurter. In den Leitungen wird das Signal nämlich je nach genutzter Wellenlänge unterschiedlich stark absorbiert. Konventionelle Kommunikationsnetze wie etwa das der Telekom verwenden daher Wellenlängen um 1550 Nanometern, die Verluste in den Glasfaserkabeln sind hier deutlich geringer.
Dies wollten die Forscher nutzen. Daher baute Matthias Bock von der Universität des Saarlandes einen sogenannten Frequenzkonverter, der die Wellenlänge des Photons gezielt auf 1520 Nanometer umwandeln kann – ein technisch extrem aufwändiger und anspruchsvoller Vorgang. Denn bei der Umwandlung dürfen wichtige Eigenschaften wie vor allem die Polarisation des Photons nicht verändert werden, sonst ginge die Verschränkung verloren. „Dank dieses sehr effizienten Konverters konnten wir bei Telekom-Wellenlängen deutlich höhere Reichweiten erzielen und Quanteninformationen über große Entfernungen übertragen“, sagt Weinfurter.
In einem nächsten Schritt wollen die Forscher nun auch für ein zweites Atom die Wellenlänge konvertieren, um die zwei Atome auch über lange Glasfaserspulen miteinander verschränken zu können. Die Eigenschaften von Glasfasern ändern sich abhängig von Temperatur und Spannung auf der Faser. Daher wollen die Forscher die Verschränkung über 20 Kilometer zuerst unter kontrollierten Laborbedingungen erzeugen. Danach sind Experimente im Freiland geplant, um so das Netzwerk mit neuen Knotenpunkten weiter zu bauen. Ein langer Weg also, auf dem die Quantenforscher Schritt für Schritt vorankommen.Physical Review Letters, 2020
Mehr zum Thema: Auf Rekordjagd. Die Experimentalphysiker Immanuel Bloch und Harald Weinfurter über die Schwierigkeit, einen Quantencomputer zu bauen, die sich ankündigende Quantenrevolution und erste Anwendungen wie abhörsichere Schlüssel oder winzige Diamanten, die Magnetfelder von Molekülen vermessen