CO2-Emissionen 2021 erreichen annähernd wieder das Niveau von 2019
04.11.2021
Nachdem 2020 die fossilen Kohlendioxid-Emissionen im globalen Schnitt deutlich gesunken waren, nähern sie sich in diesem Jahr wieder dem Niveau von vor der Corona-Pandemie an. Das zeigt das Global Carbon Project.
Die Corona-Pandemie hatte im letzten Jahr auch Auswirkungen auf die CO2-Emissionen. Maßnahmen zur Eindämmung des Virus betrafen viele relevante Sektoren wie Transport, Industrie oder Energie. Das führte dazu, dass sich der weltweite Kohlendioxid-Ausstoß 2020 um durchschnittlich 5,4 Prozent verringert hat.
Dass dies allerdings kein dauerhafter Effekt ist, zeigen die vorläufigen Zahlen des Global Carbon Projects, an dem die Geographin Julia Pongratz, Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU, maßgeblich beteiligt ist: 2021 näherten sich die Emissionen mit 36,4 Milliarden Tonnen wieder dem Niveau von 2019, also von vor der Pandemie. Das sind rund 4,9 Prozent (4,1 Prozent bis 5,7 Prozent) mehr als 2020.
Die Emissionen aus Kohle- und Gasverbrauch nehmen 2021 stärker zu, als sie 2020 gesunken sind, die Emissionen aus der Verbrennung von Öl bleiben jedoch unter dem Niveau von 2019.
CO2-Emissionen der größten Verursacher
Bei den Ländern, die viel CO2 ausstoßen, scheinen die Emissionen 2021 zu den Trends aus der Zeit vor der Corona-Pandemie zurückzukehren, das bedeutet sinkende CO2-Emissionen in den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union und steigende CO2-Emissionen in Indien. In China hat die Reaktion auf die Corona-Pandemie zu einem weiteren Anstieg der CO2-Emissionen geführt, der vom Energie- und Industriesektor vorangetrieben wurde.
EU27: Die CO2-Emissionen werden 2021 voraussichtlich 7,6 Prozent höher liegen als 2020 und 2,8 Milliarden Tonnen erreichen (7 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen die Emissionen 4,2 Prozent unter dem Niveau von 2019.
USA: Auch in den Vereinigten Staaten steigen die Emissionen um 7,6 Prozent an, auf 5,1 Milliarden Tonnen (14 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen die Emissionen 3,7 Prozent unter dem Niveau von 2019.
China: 2021 werden die Emissionen um 4 Prozent auf 11,1 Milliarden Tonnen steigen (31% der globalen Emissionen). Damit liegen sie 5,5 Prozent über dem Niveau von 2019.
Indien: Die CO2-Emissionen steigen voraussichtlich um 12,6 Prozent auf 2,7 Milliarden Tonnen (7 Prozent der globalen Emissionen). Damit liegen sie 4,4 Prozent über dem Niveau von 2019.
Dieser Ausstoß würde rasch und deutlich sinken, wenn ein Stopp der Entwaldung, wie in Glasgow beschlossen, umgesetzt würde.
Clemens Schwingshackl
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Klimawandel: LMU koordiniert bundesweites Forschungsprogramm zu Kohlendioxid-Entnahme
Die Abschätzung der Emissionen aus Landnutzung, die Julia Pongratz koordiniert, beläuft sich 2021 auf etwa 2,9 Milliarden Tonnen CO2 netto, im Vergleich zum Vorjahreswert von 3,2 Milliarden Tonnen CO2 mit einem abnehmenden, wenngleich sehr unsicheren Trend. Der vergleichsweise kleine Netto-Fluss umfasst substanzielle Emissionen, vor allem aus Entwaldung, und CO2-Aufnahmen, etwa durch Aufforstung oder Nachwachsen von Wäldern nach Holzernte. Dabei belief sich der CO2-Ausstoß in der Dekade 2011 bis 2020 jährlich auf 14,1 Milliarden Tonnen.
„Dieser Ausstoß würde rasch und deutlich sinken, wenn ein Stopp der Entwaldung, wie in Glasgow beschlossen, umgesetzt würde", sagt LMU-Geograph Dr. Clemens Schwingshackl, der ebenfalls an der Studie beteiligt war. Die Effekte der Pandemie gingen aber vermutlich in die andere Richtung: In mehreren Ländern wurden infolge von Lockdowns und Budgetrestriktionen Einschränkungen im Monitoring und in der Vollstreckung von Maßnahmen gegen tropische Entwaldung beobachtet.
Zum ersten Mal verknüpfte das Global Carbon Project die unabhängigen Daten globaler Kohlenstoffmodelle mit den nationalen Treibhausgasinventaren der betrachteten Länder. Während die Modelle klar zwischen natürlichen und menschengemachten Prozessen trennen, schreiben die von den Ländern gemeldeten Daten auch Teile der natürlichen Landsenke auf bewirtschafteten Flächen dem Landnutzungssektor zu, der sich dadurch in der Summe über die Länder hinweg als CO2-Senke darstellt. Nur unter Berücksichtigung dieser Umverteilung natürlicher Senken sind beide Ansätze konsistent. „Der Abgleich der unabhängigen Abschätzungen der globalen Kohlenstoffmodelle mit den nationalen Treibhausgasinventaren ist ein wichtiger Schritt im Hinblick auf den Global Stocktake, mit dem die Umsetzung des Paris-Abkommens überprüft und der gemeinsame Fortschritt bei der Umsetzung der vereinbarten Ziele bewertet wird”, so Pongratz.
Ozeane und Land als natürliche CO2-Senken
Der weltweite Anteil an CO2, der in der Atmosphäre bleibt, steigt nach dem vorläufigen Bericht auch in diesem Jahr weiter an, um 2,0 ppm auf voraussichtlich 415 ppm (parts per million – Teile pro Millionen, Maßeinheit für die Zusammensetzung von Gasen). Die CO2-Senken an Land und in den Ozeanen reagieren wie erwartet auf diesen Anstieg und nehmen mehr CO2 auf – zusammengenommen etwa die Hälfte des ausgestoßenen Kohlendioxids (54 Prozent im Mittel über die letzten zehn Jahre).
Gerade die für die Kohlenstoffsenke so wichtigen Wälder stehen unter Druck. Das haben die Feuer diesen Sommer in Sibirien, der US-Westküste und im Mittelmeerraum wieder vor Augen geführt.
Julia Pongratz
Allerdings setzt ihnen der Klimawandel zu: Modell-Abschätzungen zeigen, dass er die Kohlenstoffsenken an Land um etwa 15 Prozent abschwächt und im Ozean um etwa 5 Prozent. Julia Pongratz fügt an: „Gerade die für die Kohlenstoffsenke so wichtigen Wälder stehen unter Druck. Das haben die Feuer diesen Sommer in Sibirien, der US-Westküste und im Mittelmeerraum wieder vor Augen geführt."
Die anhaltend hohen Emissionen haben das Kohlenstoffbudget, das noch bleibt, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad, 1,7 Grad oder 2 Grad Celsius zu begrenzen, weiter verringert. Laut dem Bericht des Global Carbon Projects bleiben noch etwa jeweils 420 Milliarden Tonnen, 770 Milliarden Tonnen oder 1270 Milliarden Tonnen CO2 für eine 50-prozentige Chance, das 1,5-Grad-, 1,7-Grad- oder 2-Grad-Ziel nicht zu überschreiten. Dies entspricht etwa 11, 20 oder 32 Jahren bei gleichbleibenden Emissionen auf dem Niveau von 2021.
Das Global Carbon Project ist ein internationales Forschungsprojekt der Forschungsinitiative Future Earth zur globalen Nachhaltigkeit. Es zielt darauf ab, ein vollständiges Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs zu entwickeln, das sowohl dessen bio-physikalische als auch dessen menschliche Dimension und die Wechselwirkungen zwischen ihnen umfasst. Klimaforscherinnen und -forscher aus aller Welt arbeiten an dem Bericht. Aus Deutschland sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts (Bremerhaven), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (Hamburg), des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie (Jena), des Karlsruher Instituts für Technologie, des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung (Kiel) und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung (Warnemünde) beteiligt.
Das Global Carbon Budget 2021 ist die 16. Ausgabe des jährlich erscheinenden Berichts. Die Zahlen sind eine Aktualisierung von 2020, den der Weltklimarat (IPCC) im ersten Teil seines Sechsten Sachstandsberichts einbezogen hat.
Das globale Kohlenstoffbudget wird auf der COP26 in Glasgow am 4. November um 10:30 Uhr (MEZ) im Wissenschaftspavillon des UN-IPCC vorgestellt: zur Aufzeichnung auf YouTube