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DAAD zeichnet afghanische LMU-Doktorandin aus

12.12.2024

„Eine Bereicherung für die Hochschullandschaft“: Geologin Sima Akrami erhält den DAAD-Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen.

Eine junge Frau zeigt im Museum Mineralogia verschiedene Steinexponate.

Sima Akrami organisiert im Museum Mineralogia unter anderem Workshops für Kinder. | © private

Sima Akrami hatte es als Afghanin im Iran nicht leicht. Doch trotz Diskriminierung wegen ihrer Herkunft und ihres Geschlechts kämpfte sie sich bis an die Universität in Teheran. Durch die Machtübernahme der Taliban 2021 konnte sie ihre Dissertation jedoch nicht fortsetzen. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) ermöglichte es, ihre Doktorarbeit an der LMU in München fortzusetzen. Für ihre hervorragenden Leistungen und ihr ehrenamtliches Engagement wird sie nun von LMU-Vizepräsidentin Francesca Biagini mit dem DAAD-Preis ausgezeichnet.

Sima Akramis Lebensweg spiegelt die geopolitischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte wider. Ihre Eltern gehörten in Afghanistan einer diskriminierten Minderheit an, weshalb sie in den 1980er-Jahren in den Iran flohen. Doch auch dort waren afghanische Menschen nicht besonders willkommen, weshalb sie keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung erhielten. Als Sima Akrami 1987 in Teheran geboren wurde, bekam sie daher ebenfalls die afghanische Staatsangehörigkeit. Trotz widriger Umstände besuchte sie im Iran die Schule. „Die Menschen haben viel Schlechtes über mich und meine Landsleute gesagt“, sagt sie traurig.

Doch das junge Mädchen gab nicht auf. Da sie wissbegierig und fleißig war, erhielt sie immer gute Noten. Ihre Lehrkräfte erkannten ihr Potenzial und förderten sie trotz ihrer afghanischen Herkunft. Ihre Eltern unterstützten sie und ihre Geschwister, obwohl die finanziellen Mittel knapp waren – und ermöglichten ihnen eine fundierte Schulbildung. Das war nicht unbedingt üblich. „Die meisten meiner Freundinnen waren mit 15 Jahren bereits verheiratet und hatten als Frauen wenig Rechte“, erinnert sie sich. Besonders ihr Vater setzte sich dafür ein, dass sie studieren konnte. „Du wirst eines Tages Professorin“, versprach er ihr.

Der Weg dorthin war allerdings steinig. Als Sima Akrami 16 Jahre alt war, verbot die iranische Regierung afghanischen Staatsangehörigen plötzlich den Schulbesuch. „Das war ein Schock für mich“, erzählt sie. Ein Jahr lang mussten sie und ihre Geschwister warten, bis die Regelung aufgehoben wurde. Um wieder am Unterricht teilnehmen zu dürfen, war nun jedoch ein hohes Schulgeld erforderlich – Sima Akrami musste zusätzlich zur Schule arbeiten. Da sie als Afghanin keine Arbeitserlaubnis hatte, war auch dies schwierig. Sie hielt sich jedoch mit Dolmetschertätigkeiten über Wasser und schaffte es schließlich mit 20 Jahren an die Shahid-Beheschti-Universität in Teheran.

Weiter lernen, weiter arbeiten

Dort entschied sie sich für ein Geologiestudium – obwohl ihr viele sagten, dieses Fach sei nichts für Frauen. „Zum Glück hatte ich eine Professorin, die mich in meiner Entscheidung unterstützt hat“, erzählt sie. 2011 machte sie mühelos ihren Bachelor, 2014 ihren Master. Anschließend arbeitete sie im Bereich der Dünnschliffpetrographie, einer geowissenschaftlichen Methode zur Untersuchung von Gesteinen und Mineralien. Dabei kam ihr die Idee für ihre Dissertation: Sie wollte Erzgesteinsproben aus Afghanistan wissenschaftlich untersuchen und durch die Reisen auch ihre Heimat besser kennenlernen.

Gerade als die Geologin mit ihrer Promotion begann, übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan – ein weiterer Schock für sie. Zum einen machte das neue „Tugend- und Lastergesetz“ das Land für Frauen wie sie unsicher. Zum anderen hatte sie bereits ein Jahr zu ihrem Thema recherchiert und stand in Kontakt mit einem Bergbauunternehmen. Durch die Machtübernahme fiel alles weg; die damals 35-Jährige stand vor einem Scherbenhaufen. Doch sie gab nicht auf: „Ich wollte weiter lernen und arbeiten“, sagt sie entschlossen.

2022 recherchierte die gebürtige Teheranerin online zu ihrem Doktorthema und stieß auf die Fakultät für Geowissenschaften der LMU. Sie nahm Kontakt mit Dr. Malte Junge auf und berichtete ihm von ihrer Situation. Der Dozent für Kristallographie versprach, sich ihrer Sache anzunehmen. „Das gab mir große Hoffnung“, betont sie. Kurz darauf erhielt sie ein „Bridge Scholarship“-Stipendium vom DAAD, das sich an Studierende richtet, die nicht in ihre Heimat zurückkehren können. Sie zog nach München, lernte schnell Deutsch und untersucht nun statt Gesteinen aus Afghanistan Proben aus Albanien, Zypern und der Türkei. Noch im selben Jahr nahm sie bereits mit einem wissenschaftlichen Poster zu ihrer Doktorarbeit an der deutschsprachigen Tagung GeoMinKöln teil.

Ehrenamt in der Flüchtlingshilfe

A young woman walks through an exhibition

Sima Akrami organisiert Ausstellungen im Museum Mineralogia | © private

Das Leben in Deutschland gefällt ihr sehr gut. „Alle sind nett zu mir und lächeln mich an“, sagt sie – das war sie im Iran nicht gewohnt. Auch dass junge und alte Menschen hier Englisch sprechen, hat sie positiv überrascht. Um sich das Leben in München leisten zu können, arbeitet sie neben ihrer Doktorarbeit im Museum Mineralogia, zunächst als wissenschaftliche Hilfskraft und seit September in einer regulären Anstellung. Dort organisiert sie Dauer- und Sonderausstellungen und leitet Workshops für Kinder und Jugendliche. „Es ist toll, dass es immer Angebote für Jüngere gibt. So etwas hätte ich mir im Iran auch gewünscht.“

Um für all das etwas zurückzugeben, engagiert sich Sima Akrami ehrenamtlich bei der Flüchtlingshilfe in Erding – vor allem im Bereich Farsi-Übersetzungen bei medizinischen Untersuchungen. Dafür hat sie eigens das Zertifikat „Ehrenamtliches Laiendolmetschen“ am Sprachen- und Dolmetscher-Institut München (SDI) erworben. Damit sie auch bei Behördengängen in Erding dolmetschen kann, absolvierte sie zusätzlich einen Übersetzungskurs beim Landratsamt Erding. Wenn Bedarf besteht, klingelt ihr Telefon. Wird ihr das zeitlich nicht manchmal zu viel? Ein wenig schon, gibt sie zu. „Aber wenn ich den Menschen helfen kann und sie mich danach anlächeln, muss ich einfach weitermachen“, sagt sie und lacht.

Für ihr Engagement wird die Erdingerin nun mit dem DAAD-Preis für hervorragende Leistungen internationaler Studierender an deutschen Hochschulen ausgezeichnet. Die mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung wird ihr am 12. Dezember 2024 im International Office von Professorin Francesca Biagini, Vizepräsidentin für Internationales und Diversity an der LMU, im Beisein eines DAAD-Repräsentanten übergeben. Die Ehrung soll stellvertretend für alle internationalen Studierenden zeigen, welche Bereicherung sie für die Hochschulgemeinschaft sind. Und sie mit Wissenschaft, Wirtschaft und Politik vernetzen.

Für Sima Akrami kam die Preis-Nachricht völlig überraschend. „Es ist aber eine riesige Motivation nicht nur an der Universität, sondern auch der Gesellschaft zu helfen.“ Das Preisgeld wird sie zur Finanzierung ihrer Doktorarbeit einsetzen. Die 37-Jährige möchte sich ausdrücklich bei ihrem Doktorvater PD Dr. Junge, ihrer Doktormutter PD Dr. Melanie Kaliwoda, Professor Wolfgang W. Schmahl sowie beim DAAD und der LMU bedanken. Und natürlich bei ihrer Familie. Die Nachricht über die Auszeichnung rief im Iran Freudentränen hervor – für einen Moment waren all die Strapazen und sogar die Taliban vergessen. „Baba“, sagte sie bei einem Videotelefonat, „du hattest recht: Ich werde Professorin.“

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