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Den digitalen Wandel rechtlich begleiten

02.06.2021

Neuberufen an der LMU: Der Jurist Professor Mark A. Zöller ist Experte für Strafrecht und Digitalisierung.

Verschlüsselte WhatsApp-Nachrichten, anonyme Telefonate: Auch Straftäter rüsten informationstechnologisch auf. „Um verschlüsselte Kommunikation mitschneiden zu dürfen, sind in den letzten Jahren viele neue Überwachungsbefugnisse in verschiedenen Sicherheitsgesetzen eingeführt worden“, erklärt der Jurist Professor Mark Zöller. „Gesetzgeber rüsten ständig nach, um Tätern von Kinderpornographie, Terrorismus und Extremismus auf die Spur zu kommen.“

Dabei bewegten sich die Gesetzgeber im Spannungsfeld zwischen sinnvollen Befugnissen zum Schutz der Bevölkerung und der Wahrung von anderen Grundrechten. „Pressefreiheit, Quellenschutz, Anwaltsgeheimnis: Das sind Rechte, die in diesem technologischen Wettrüsten nicht übersehen werden dürfen“, so Zöller. „Unsere Aufgabe als Juristen ist es, die Gesetzgebung so zu begleiten, dass alles in rechtsstaatlichen Bahnen bleibt und wir nicht bis ins Schlafzimmer hinein ausgeforscht werden.“

Seit Oktober vergangenen Jahres hat Mark Zöller den Lehrstuhl für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht, Wirtschaftsstrafrecht und das Recht der Digitalisierung an der LMU inne. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen zudem Polizeirecht, Nachrichtendienstrecht, Datenschutzrecht der Sicherheitsbehörden, Bewältigung von Terrorismus und politischem Extremismus und nicht zuletzt Rechtsfragen der Digitalisierung. Die breite Palette seiner Interessen spiegelt wider, wie stark die verschiedene Rechtsbereiche heute verzahnt sind.

Von Haus aus Strafrechtler, sei es Zöller wichtig, auch über den Tellerrand hinaus auf andere Rechtsbereiche zu blicken. „Mein Anliegen ist eine Gesamtperspektive. Bei der Terrorismusbekämpfung zum Beispiel nutzt es nach einem Anschlag kaum, nur zu wissen, wie die Täter zu bestrafen sind. Man muss auch wissen, wie man den Fall strukturell aufklären und weitere Anschläge verhindern kann.“ Früher sei man als Strafrechtler mit Interessen in anderen Bereichen „gern so ein bisschen als Spinner abgetan worden“. Aber das habe sich völlig verändert. „Ich habe eher das Gefühl, dass Strafrechtler mit Interesse an anderen Gebieten heute besonders gefragt sind.“

Schon in seiner Doktorarbeit an der Universität Mannheim, an der er zuvor Rechtswissenschaften studiert hatte, befasste sich Mark Zöller nicht nur mit Strafrecht an sich, sondern mit „Informationssystemen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Nachrichtendiensten.“ Nach dem Referendariat habilitierte er sich zum Terrorismusstrafrecht, welches wiederum viele Rechtsbereiche berühre, „von Prävention bis Repression“. 2008 folgte Zöller einem Ruf auf die Professur für Deutsches, Europäisches und Internationales Strafrecht und Strafprozessrecht sowie Wirtschaftsstrafrecht an der Universität Trier, wo er auch das Institut für Deutsches und Europäisches Strafprozessrecht und Polizeirecht leitete. Als Visiting Researcher beziehungsweise Fellow forschte er in dieser Zeit auch an der University of Southern California, Los Angeles, und etwa der University of Hong Kong. Seit Oktober vergangenen Jahres wirkt Professor Zöller nun an der LMU.

Institut IDRIS gegründet: Digitalisierung und Recht der Inneren Sicherheit

„Die Ausschreibung dieses ersten Lehrstuhls für Strafrecht an der Universität, der auch das Recht der Digitalisierung umfasst, hat mich sehr gefreut“, so Mark Zöller. „Das war schon immer mein Thema – und jetzt darf ich es auch offiziell als solches ausflaggen.“ In diesem Sinne wurde auch das Institut für Digitalisierung und das Recht der Inneren Sicherheit (IDRIS) neu gegründet. Die Forschungsstelle folgt der Überzeugung, dass es im Zeitalter von Globalisierung und Digitalisierung einer übergreifenden Perspektive bedarf und man auf wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgreifen muss, die aus sämtlichen juristischen, aber auch externen Fachdisziplinen stammen.

Zusammen mit dem Deutschen Anwaltverein plant man am IDRIS derzeit ein Projekt, wie verschiedene Rechtsbereiche in der Praxis besser koordiniert werden könnten. „Im Fall des Terroristen Anis Amri oder dem Mord an Walter Lübcke hat man gesehen“, so Zöller, „dass es auf Seiten der Polizei einfach an der Koordinierung haperte, obwohl die Täter schon von unterschiedlichen Behörden erfasst waren.“ Um solche Szenarien in Zukunft zu vermeiden, plant man einen „Best Practice“-Ratgeber für den Gesetzgeber. Denn gerade aus dem politischen Raum bekommt Professor Zöller viele Beratungsanfragen. „Es besteht viel Unsicherheit“. So wirkt er unter anderem regelmäßig als Berater und Gutachter etwa für Justiz- und Innenministerien, politische Parteien, aber auch als Sachverständiger in Gesetzgebungsverfahren sowie als Prozessbevollmächtigter für verfassungsgerichtliche Klagen.

Titelbild der MUM-Ausgabe: Porträt eines jungen Manns

Das Porträt ist aus der MUM, dem MünchnerUni Magazin.

Dabei ist Zöller auch international tätig: „Das deutsche Strafrecht ist in manchen Regionen der Welt noch immer ein Exportschlager.“ Als Berater für Politik und Wissenschaft ist er in vielen Ländern Südeuropas, Südamerikas und insbesondere Fernost nachgefragt; erst jüngst wurde ihm von der National Taiwan University in Taipei die Tung-Ming Tsai-Professur für internationales Strafrecht verliehen.

In München werden Professor Zöllers erste Seminare zu Strafrecht und Digitalisierung derweil sehr gut angenommen. „Oft bekomme ich dabei selbst noch Ideen und Anregungen von den Digital Natives. Das macht Spaß.“

Auch die Promotionsanfragen auf dem Gebiet des Digitalisierungsrechts häuften sich. In Sachen digitale Entwicklung müsse auch Zöller selbst sich – obwohl technisch affin – ständig weiterbilden. „Was ich in diesem Jahr lehre, ist sonst im nächsten vielleicht schon veraltet.“ Manche digitale Neuerung müsse man sich als Jurist von IT-Experten erklären lassen. Nur so könne man sie auch juristisch profunde einordnen – um etwa bei neuen Befugnissen für digitale Überwachung „schonmal auf die Bremse zu treten“.

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