Der Preis hochwertiger Nachrichten
07.07.2023
Wie mit Online-Journalismus Geld verdienen? Eine neue LMU-Studie zeigt, was die Zahlungsbereitschaft erhöht. Interview mit den Studienautoren.
07.07.2023
Wie mit Online-Journalismus Geld verdienen? Eine neue LMU-Studie zeigt, was die Zahlungsbereitschaft erhöht. Interview mit den Studienautoren.
Professor Neil Thurman und Dr. Bartosz Wilczek forschen am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU. Ihre Arbeit konzentriert sich auf die Veränderungen in der Nachrichtenproduktion und -nutzung durch das Internet oder Künstliche Intelligenz.
Befindet sich der Journalismus derzeit in einer Krise?
Bartosz Wilczek: Wir können eindeutig einen Rückgang bestimmter Einnahmequellen beobachten, insbesondere bei den Zeitungsunternehmen, deren Umsätze im Printbereich zunehmend schrumpfen. Online-Werbung erweist sich für die Finanzierung digitaler Inhalte nicht als effektiv. Die sinkenden Einnahmen der Zeitungsverlage bedeuten, dass weniger Mittel für die Erstellung von Nachrichteninhalten zur Verfügung stehen. Themen, über die früher berichtet wurde, werden nun nicht mehr abgedeckt. In einigen Bereichen wird von „Nachrichtenwüsten" gesprochen.
Neil Thurman: Außerdem konsumieren die Menschen Online-Inhalte anders als gedruckte Zeitungsartikel. In der Vergangenheit verbrachte man deutlich mehr Zeit damit, Nachrichteninhalte in gedruckter Form zu lesen. Inzwischen beschäftigen sich die Leser von Online-Zeitungen im Durchschnitt nur noch wenige Minuten pro Monat mit solchen Artikeln. Ein Grund für diese Verschiebung ist die große Fülle alternativer Inhalte, die online verfügbar sind. Das könnte zur Folge haben, dass die Bevölkerung insgesamt weniger gut über Themen informiert ist.
Die großen Technologieunternehmen haben bei der Online-Werbung ganz klar die Nase vorn. Derzeit erzielen Facebook und Google jeweils mehr Umsatz mit Online-Werbung als alle Zeitungen, Zeitschriften, Radiosender und Kinos der Welt zusammen. Diese Newcomer haben einen klaren Größenvorteil und verfügen über umfangreiche Nutzerdaten, was es für die Zeitungsverlage schwierig macht, mit ihnen zu konkurrieren. Außerdem ist die Bereitschaft, Zeitungen in digitaler Form zu abonnieren, geringer als bei den gedruckten Ausgaben. Derzeit erkennen Zeitungsunternehmen die Notwendigkeit, sich weniger auf Online-Werbeeinnahmen zu verlassen und sich stattdessen auf Online-Abonnements zu konzentrieren.
Derzeit erzielen Facebook und Google jeweils mehr Umsatz mit Online-Werbung als alle Zeitungen, Zeitschriften, Radiosender und Kinos der Welt zusammen.Neil Thurman
Warum sind Menschen weniger bereit für Online-Nachrichten zu bezahlen als für die Print-Version?
Wilczek: Für gedruckte Zeitungen musste man schon immer bezahlen. Das Internet hingegen versprach von Anfang an kostenlose Inhalte. Diese „Gratis-Mentalität“ macht eine Veränderung des Systems hin zu bezahlten Inhalten zu einer Herausforderung. Der Übergang von einem Nulltarif zu einem Preis ist immer schwierig.
Thurman: Außerdem erhält man beim Kauf einer gedruckten Zeitung etwas Physisches und das macht psychologisch einen Unterschied. Ein weiterer Punkt, den es zu berücksichtigen gilt, ist, wie unkompliziert der Bezahlvorgang ist. Während es relativ einfach ist, Mikrozahlungen für Produkte von großen Online-Händlern zu tätigen, ist es vergleichsweise umständlich, eine Zeitung online zu abonnieren.
Welche Ansätze gibt es für die Finanzierung von Online-Journalismus?
Thurman: Es gibt im Wesentlichen vier Finanzierungsmöglichkeiten für Online-Nachrichten. Die erste besteht darin, dass die Nutzer ein Abonnement abschließen, wobei der Zugang durch eine Paywall eingeschränkt wird, die nur durch eine Zahlung umgangen werden kann. Zweitens gibt es die Möglichkeit, Werbung zu schalten. Einige Websites leben ausschließlich von Werbeeinnahmen, müssen dafür aber eine große Zahl von Nutzern erreichen. Dazu ist es oft erforderlich, große Mengen an massentauglichen Inhalten zu produzieren. Eine dritte Finanzierungsmethode sind spendenbasierte Modelle, bei denen die Besucher nicht zur Zahlung gezwungen, sondern stattdessen um Spenden gebeten werden. Schließlich gibt es Websites, die sich durch Philanthropie finanzieren: Stiftungen, Crowdfunding oder wohlhabende Einzelpersonen übernehmen die Kosten für die Inhalte. Viele Plattformen kombinieren diese verschiedenen Methoden.
In Deutschland gibt es den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, bei dem die Gesellschaft kollektiv für Nachrichten bezahlt. Gibt es das auch in anderen Ländern?
Thurman: Ja, beispielsweise im Vereinigten Königreich. Die BBC finanziert ihre Nachrichten-Website durch Fernsehlizenzen. In der Zeitungsindustrie sieht man so etwas jedoch oft als unfairen Wettbewerb an. In Deutschland haben die Zeitungsverlage durchgesetzt, dass öffentlich finanzierte Online-Artikel eine bestimmte Wortanzahl nicht überschreiten dürfen. Damit soll der Marktanteil der Zeitungen geschützt werden.
Im Gegensatz dazu ist die Website der BBC Online News im Vereinigten Königreich sehr innovativ und umfangreich und bietet eine breite Palette von Inhalten, darunter auch längere Artikel und verschiedene Medienformen. Sie erreicht damit ein großes Publikum. Die einen sehen es als großen Vorteil, dass sie so kostenlosen, qualitativ hochwertigen und ausgewogenen Journalismus bietet. Einige Zeitungen sind jedoch nicht gerade erfreut, dadurch einen öffentlich finanzierten Konkurrenten zu haben.
Sie haben kürzlich eine Studie darüber durchgeführt, wie wahrscheinlich es ist, dass Menschen für Online-Inhalte bezahlen. Was haben Sie herausgefunden?
Wilczek: Die bisherige Forschung hat sich auf die demografischen Merkmale konzentriert, die die Zahlungsbereitschaft für Online-Nachrichten beeinflussen, wie Alter und Einkommen. Es wurde jedoch kaum erforscht, wie sich Werbebotschaften auf die Bereitschaft der Menschen auswirken, für Online-Nachrichten zu bezahlen. Unsere Studie füllt diese Lücke und beleuchtet die Wirksamkeit verschiedener Werbebotschaften.
Wir haben uns auf die Einführung von Online-Abonnements konzentriert und die Kommunikation im Zusammenhang mit Paywalls untersucht. Dazu haben wir verschiedene Strategien für die Gestaltung von Abonnementseiten analysiert, mit denen Nutzer konfrontiert werden, wenn sie auf eine Bezahlschranke stoßen. Das Studiendesign umfasste die Untersuchung von vier Arten von Botschaften:
Der digital-spezifische Ansatz betont die Vorteile des exklusiven Online-Zugriffs auf Nachrichten und hebt hervor, dass die Online-Version zusätzliche Vorteile bietet, wie zum Beispiel personalisierte Nachrichten oder einen schnelleren Zugang zu Informationen.
Der soziale Ansatz hebt hervor, dass das Abonnement von Online-Nachrichten die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft ermöglicht. Er betont die Möglichkeit, sich in Online-Foren zu engagieren, Diskussionen mit anderen Lesern zu führen und an Veranstaltungen teilzunehmen.
Der Ansatz der Preistransparenz besteht darin, die Nutzer über die kritische Situation der Medienbranche zu informieren und die Notwendigkeit der Einführung von Bezahlschranken zu betonen.
Der normative Ansatz betont, dass ein Abonnement unabhängigen und objektiven Journalismus unterstützt, und appelliert an altruistische Motive der Nutzer, die über das Produkt selbst hinausgehen.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Kombination aus normativem Aspekt und Preistransparenz die Nutzer am effektivsten motiviert. Das ist besonders interessant, weil es darauf hindeutet, dass auch altruistische Motive für Nutzer eine Rolle spielen. Es scheint ihnen wichtig zu sein, durch die Bezahlung von Nachrichten einen Beitrag zum Journalismus als wichtigem Teil der Gesellschaft zu leisten.
Nutzern von Online-News scheint es wichtig zu sein, durch die Bezahlung von Nachrichten einen Beitrag zum Journalismus als wichtigem Teil der Gesellschaft zu leisten.Bartosz Wilczek
Wie sieht für Sie die ideale Zukunft des Journalismus aus?
Wilczek: Journalismus informiert die Menschen, sodass sie fundierte Entscheidungen in Bezug auf wirtschaftliche und politische Fragen treffen können. In einem idealen Szenario würde sich der Journalismus weiter verbessern, relevant bleiben und sich an die neuesten Technologien anpassen.
Thurman: Ich würde es sehr begrüßen, wenn der Journalismus in der Lage wäre, sich selbst zu erhalten, sodass ein breites Spektrum an qualitativ hochwertigen Nachrichten produziert werden kann, frei von ungebührlichem Einfluss aus unerwünschten Quellen. Zwar können philanthropische oder staatliche Mittel Teil des Finanzierungsmixes sein, doch bringen diese ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, ein nachhaltiges Geschäftsmodell zu finden, das weiterhin qualitativ hochwertigen und unabhängigen Journalismus ermöglicht.
Bartosz Wilczek, Ina Schulte-Uentrop, Neil Thurman: Subscribe Now: On the Effectiveness of Advertising Messages in Promoting Newspapers’ Online Subscriptions. International Journal of Communication, 2023.