Die Anpassung an die Folgen des Klimawandels läuft weltweit zu unkoordiniert
12.10.2023
Die Hauptlast der Anpassung an die Folgen des Klimawandels müssen bislang vor allem betroffene Einzelpersonen und Haushalte tragen. Eine systematische Vernetzung verschiedener Akteursgruppen fehlt weitestgehend, zeigt eine Überblicksstudie.
Wie gehen Regierungen, Organisationen, Unternehmen und Einzelpersonen mit den Folgen der Erderwärmung um? Wer überhaupt sind die Handelnden, wenn es darum geht, die Risiken des Klimawandels wie Dürren, Hochwasserereignisse oder Waldbrände vorausschauend abzumildern? Was leisten die einzelnen Akteursgruppen? Und wo und wie arbeiten sie bereits planvoll zusammen?
Den ersten weltweiten Überblick, welche Akteure Anpassung an den Klimawandel betreiben und welche Rolle sie dabei genau spielen, gibt nun eine neue Studie. Für die Veröffentlichung wertete ein internationales Team um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU und der Universität Hamburg mehr als 1.400 wissenschaftliche Studien zum Thema Klimawandelanpassung aus. Die Ergebnisse zeigen, dass die Aufgabenverteilung weltweit meist lückenhaft ist. Vor allem fehlen Konzepte, die darauf abzielen, Gesellschaften, Infrastrukturen und das Risikomanagement so tiefgreifend zu verändern, dass sie angemessen auf die massiven Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet sind. Ebenso mangelt es an umfassenden Kooperationen verschiedener staatlicher und nicht-staatlicher Akteure.
„Erfolgreich ist umfassende, gerechte, und zukunftsorientierte Anpassung dann, wenn offizielle Organisationen und gleichzeitig unterschiedlichste Gruppen auf allen Ebenen eingebunden sind“, so Dr. Jan Petzold, Geograph an der LMU und Hauptautor der Studie.
„Unsere Studie deutet jedoch darauf hin, dass Anpassung an den Klimawandel immer noch eher isoliert und unkoordiniert stattfindet“, sagt Dr. Kerstin Jantke, Co-Autorin und Umweltwissenschaftlerin im Exzellenzcluster CLICCS der Universität Hamburg. „Das steht in keinem Verhältnis dazu, wie dringlich und wichtig diese große Aufgabe ist.“
Bis jetzt ergreifen hauptsächlich betroffene Einzelpersonen und Haushalte Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Vor allem im Globalen Süden müssen diese die Hauptlast der Anpassung tragen. Viel weniger sind sie jedoch in die Erarbeitung und Umsetzung von institutionellen Veränderungen eingebunden. Allerdings unterscheidet sich die Situation in der Stadt von der auf dem Land. Während in ländlichen Gebieten vorrangig einzelne Haushalte aktiv sind und wenig Koordination stattfindet, organisieren in den Städten viel häufiger staatliche Akteure die Anpassung. Laut Studie betreibt die Privatwirtschaft bislang nur vergleichsweise wenig Anpassung und ist kaum in gemeinsame Maßnahmen mit anderen Akteuren eingebunden.
„Wenn sich weltweit vorwiegend Einzelpersonen wie Landwirtinnen und Kleinbauern engagieren, dann zeigt das auch, dass Kooperationen zwischen verschiedenen Akteursgruppen fehlen. Für nachhaltige Anpassungsprojekte wäre dies aber Voraussetzung“, so Jan Petzold. Tiefe Eingriffe wie der klimagerechte Umbau von Wäldern, die Umwidmung von Agrar- in Überflutungsflächen oder die Planung einer veränderten Infrastruktur von Städten oder Umsiedelung von Küstenorten benötigen dringend abgestimmte Konzepte.
Die Anpassung „noch schneller, tiefgreifender und koordinierter“ angehen
„Die Ergebnisse zeigen, dass wir eine intensivere Debatte zur Frage benötigen, wer bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels welche Aufgaben zu übernehmen hat. Das kann lokal völlig unterschiedlich aussehen, sollte aber geregelt sein“, sagt Professor Matthias Garschagen, Inhaber des Lehrstuhls für Anthropogeographie mit dem Schwerpunkt Mensch-Umwelt-Beziehungen an der LMU, der die Studie mit koordiniert hat. „Nicht erst seit den massiven Waldbränden, Hitzewellen und Hochwasserereignissen der letzten Monate wissen wir, wie gravierend die Auswirkungen des Klimawandels sind. Im letzten Bericht des Weltklimarates haben wir jüngst darauf hingewiesen, dass Klimawandelanpassung von allen beteiligten Akteuren deshalb noch schneller, tiefgreifender und koordinierter angegangen werden muss, wenn wir der zu erwartenden weiteren Zunahme von Klimawandelauswirkungen effektiv entgegenwirken möchten. Unsere Studie zeigt, wie schwer wir uns damit weltweit bislang tun und wo die Lücken am größten sind. Dieses Wissen ist von zentraler Bedeutung, um Akteure auf dem Weg zur einer effektiveren und koordinierteren Anpassung zu unterstützen.“