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Ein Magazin zur Masterarbeit

10.07.2023

Politik, Literatur, Kaffeepause: Studentische Zeitschriften an der LMU

„Als Teenager war ich fasziniert von der Bravo“, erinnert sich Lilly Düstersiek. „Aber irgendwann merkte ich, dass sie auch oberflächlich war und ein fragwürdiges Frauenbild transportierte.“ Frauenmagazine hingegen brachten „Liebe dich so, wie du bist“-Geschichten, gaben andererseits aber Schmink- und Abnehmtipps. „Und Politikmagazine schienen von älteren Menschen gemacht, die uns junge Menschen wie eine Spezies vom Mars behandelten“. Als junge, politisch interessierte Frau, die „in mancher Hinsicht angstvoll“ in die Zukunft blickte, fühlte sie sich nirgends richtig repräsentiert – und beschloss während des Studiums, eine eigene Zeitschrift herauszubringen.

Lilly Düstersiek ist Chefredakteurin der BUUH!

Lilly Düstersiek ist Chefredakteurin des Online-Magazins BUUH!, das sich mit Kunst, Kultur, Gesellschaft und Politik befasst. | © Louisa von Sohlern

„In der Pandemie, während meines Romanistik-Bachelors an der LMU, schien die perfekte Gelegenheit dafür gekommen zu sein“, erinnert sich die heute 24-Jährige. „Alle hatten plötzlich mehr Zeit, und ich trommelte Freundinnen zusammen“. Mit viel Begeisterung und virtuellen Redaktionssitzungen machte man sich an die Arbeit an einem Magazin, das das Gegenteil der alles beklatschenden Bravo sein sollte – die BUUH! Zunächst erschien sie als Blog, der mit der Zeit immer mehr zur digitalen Zeitschrift wurde, mit Rubriken wie Politik, Wirtschaft, Panorama, aber auch „Rage“, „Körper“ und „Gefühle“. Damit reihte Düstersiek sich in eine wachsende Zahl an Studierenden-Magazinen im Umfeld der LMU – wie das 2005 etablierte philtrat, das jedes Semester über Unileben, Politik und Kultur berichtet oder das bilinguale turtle magazin(e) mit dem Untertitel „Kunst und Literatur gemeinsam machen“.

„Das Feuer, das bei mir von Anfang an gebrannt hat“, so Lilly Düstersiek, „wurde von den vielen Missständen, die es in der Welt gibt, angeheizt. Wir wollten aus junger Perspektive darüber aufklären – und zeigen, wie alles zusammenhängt: Kultur, Politik, Klimaschutz, Feminismus.“ Die aktuellen Themen drehen sich um feministische Medizin, die Generation Z und queeres Daten. „Uns ist es wichtig, Gedanken von jungen Menschen zu spiegeln und ihnen ein Forum zu bieten.“ Immer wieder erscheinen Specials – etwa über „Lust“ oder, als die Bühnen wegen der Pandemie geschlossen blieben, über Theater. Überhaupt legt man, neben Gesellschaftskritik, einen Fokus auf Kulturförderung, „weil deren Vermittlung einfach zu kurz kommt“, findet Düstersiek, die nebenher als Sängerin arbeitet und in ihrer Freizeit gerne ins Theater geht.

Ruhe auf Papier

Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der BUUH! sind zumeist Studierende und kommen aus unterschiedlichen Fakultäten der LMU, aber auch von anderen Universitäten. Die stellvertretende Chefredakteurin etwa studiert Literaturwissenschaften an der LMU – und merkt an, dass das Magazin für intersektionalen Feminismus stehe und sich machtkritisch wie antikapitalistisch positioniere. Personell hat sich die Redaktion immer wieder verändert – auch weil Studierende in unterschiedlichen Phasen ihrer akademischen Ausbildung unterschiedlich viel Zeit haben. Denn so ein Magazin sei, neben Studium, Privatleben und Hobbys, sehr zeitintensiv. „Allein für ein Reel auf Instagram, um Content für die BUUH! zu kreieren, geht manchmal ein ganzer Tag drauf“, so Düstersiek. „Und so geht es natürlich allen. Dann trotzdem konzentriert zusammenzuarbeiten, Leute zu halten, eine hierarchie-arme und doch praktikable Redaktionsstruktur zu etablieren – das ist alles nicht leicht.“

Und dann seien da die Kosten. „Die Webseite, die Domain, Bearbeitungs-Apps, selbst die Gründung des Vereins hinter der BUUH! – das alles ist teuer.“ Man finanziert sich über Mitgliedsbeiträge und Spenden, um die die Romanistik-Studentin auf der Webseite ganz offen bittet: „Wir sind jung und brauchen das Geld!” Weitermachen will Düstersiek trotzdem unbedingt. „Es gibt noch so viel zu besprechen!“ Bislang geschieht das digital, aber ihr Traum wäre es, die BUUH! eines Tages auch in der Hand zu halten – wie einst die Bravo.

Auch Celine Edinger, 24, wollte ein Medium produzieren, „das man anfassen kann“ und machte letzteres gewissermaßen zu einer Prämisse. Sie wollte layouten, designen, sich kreativ ausprobieren – und „etwas Langlebigeres schaffen“ als den Blog, an dem sie seit dem Abitur schrieb. 2020, während ihres Bachelor-Studiums der Kommunikationswissenschaft an der LMU, gründete sie deshalb die Kaffeezeit. Das papierne Heft, später zu Zeitlichkeiten umgetauft, soll eine „Wohlfühlinsel“ sein, eine „Ruhepause auf Papier“. Im Heft finden sich Gedichte und Interviews, Rezepte und Kolumnen, Kurzgeschichten, Reiseberichte und Essays. Bei der Gestaltung versucht die Studentin, einen Gegenpol zu setzen zur Reizüberflutung im Internet. „Wir achten auf einen ‚cleanen‘ Look, mit viel Weißraum und einer angenehm gesetzten Schrift.“

Atelier und Stipendien

Celine Edinger, Gründerin der Zeitlichkeiten, schafft mit ihrem Magazin einen Safe Space für Ästhetik & Text

Gründerin Celine Edinger schafft mit ihrem Magazin Zeitlichkeiten einen Raum für Ästhetik und Text | © Mayla Wind

Mittlerweile studiert Edinger im Master Soziologie an der LMU, die Zeitlichkeiten sind bei Nummer 7 – und um das Heft hat sie „eine ganze Marke aufgebaut“ – mit Website, Community-Blog, Instagram- sowie TikTok-Account und einem Shop, in dem Wochenplaner, Drucke und Jutebeutel angeboten werden. „Meine Kollegin Mayla kümmert sich um Fotografie und Design – aber eigentlich machen wir die viele Arbeit gemeinsam, planen Themen, generieren Social-Media-Inhalte, suchen Fotomotive etcetera.“ Auf der Webseite rufen sie Interessierte zu Beiträgen über die aktuellen Leitthemen des Hefts auf, wie „Träume“, „Körper“ oder „Mitmenschen“; 15 Studierende wirkten ehrenamtlich an der jüngsten Ausgabe mit. „Wir sind ein Magazin, das eigentlich kein Magazin sein will, sondern eine offene, von unserer Community getragene Plattform für Wortkunst“, so Edinger. „Man muss uns nicht vorher anmailen, sondern kann uns Texte einfach schicken – und in jeder Ausgabe schreiben wieder andere Menschen für uns. Die Leute haben solche Lust zu schreiben und sind wahnsinnig stolz, ihre Texte in einem Print-Magazin veröffentlicht zu sehen.“

Vor einiger Zeit mietete das Zeitlichkeiten-Team ein Atelier am Gärtnerplatz an, um es für mehrere Tage nicht nur zum Verkauf der Hefte zu nutzen, sondern auch für Yogastunden, ein Konzert und eine Lesung. Doch trotz des Ateliers, des Online-Shops und zwei Stipendien, die Edinger gewinnen konnte: Die Finanzierung des Printmagazins bleibt eine Herausforderung. „Wir arbeiten mit einer kleinen Münchner Druckerei zusammen, die auf Nachhaltigkeit und tolle Farben spezialisiert ist.“ Auch der Verkaufspreis des Hefts – derzeit 15 Euro – kann diese Kosten nicht wettmachen. „Und für das, was wir hinsichtlich Druckqualität, Inhalt und weitgehendem Verzicht auf Werbung bieten, ist das nicht viel“, so Edinger. „Vermutlich hätten wir erst eine Reichweite auf Instagram aufbauen und dann das Printmagazin machen sollen. Aber auch das ist heute nicht mehr so leicht, gerade wenn man hochwertige Inhalte und nicht nur lustige Videos produzieren will.“ Trotz aller Hürden schreibt sie auf ihrer Webseite: „Nie, nie, nie im Leben hat mich eine Arbeit so erfüllt.“

Ähnlich bedeutsam ist das studentische Literaturmagazin Klang für seinen Herausgeber Jack Verschoyle. „Ich interessiere mich für die Philosophie der Sprachen, für Theorien des Übersetzens und überhaupt Literatur“, erklärt der Student. „Und mein Ziel war es, Texte in jeglicher Sprache anzunehmen.“ Seit eineinhalb Jahren studiert der aus Oxford stammende Brite den internationalen Master „Logic and Philosophy of Science” an der LMU und vermisste in München ein englischsprachiges Literaturmagazin. „An der Universität London, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, gab es ein Heft speziell für uns Philosophie-Studenten, für das ich auch manchmal schrieb.“

Literarisch und polyglott

Jack Verschoyle betreibt das englischsprachige Literaturmagazin Klang

Jack Verschoyle betreibt das polyglotte Literaturmagazin Klang.

Vergleichbares wollte Jack Verschoyle auch in München schaffen. Das studentische, polyglotte Literaturmagazin erscheint alle zwei Monate. Die kreativen, oft experimentellen Kurzgeschichten, Gedichte und Essays erscheinen in unterschiedlichsten Sprachen und samt Übersetzung ins Deutsche oder Englische, die die Autorinnen und Autoren selbst anfertigen. Jack Verschoyle und seine Kommilitonen machen als Muttersprachlerinnen und Muttersprachler nur noch die Feinheiten. Der Klang-Redaktion gehören neben Verschoyle vier Kommilitonen aus seinem Masterstudiengang an; Texte werden zudem von Studierenden etwa der Anglistik oder der Kunstgeschichte eingereicht.

„Das mit der Mitarbeiterwerbung haben wir aber noch nicht so ganz raus“, räumt Jack Verschoyle ein. „Ich habe schon Fachschaften angeschrieben, vielleicht müssten wir Poster aufhängen.“ Manchmal besucht er „Open-Mic-Poetry“-Abende im Café „Lost Weekend“ nahe der Uni, um studentische Mitwirkende für die Klang zu finden. „Aber diese extracurriculare Kultur wie an englischen Universitäten, wo Vieles auf studentischem Engagement basiert und es unzählige von Studierenden geführte Gruppen gibt, scheint mir hier nicht so ausgeprägt.“

Klang wird online veröffentlicht und finanziert sich durch Spenden und den Verkauf weniger gedruckter Ausgaben. In der jüngsten finden sich beispielsweise ein Interview mit einer italienischen Kurzfilm-Regisseurin, eine Kurzgeschichte in russischer Sprache und Gedichte auf Deutsch und etwa Portugiesisch. „Wir sehen Sprache sprachübergreifend“, erklärt Jack Verschoyle. „Wir wollen sie fördern, erforschen – und einfach genießen“.

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