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Ernst-Ludwig Winnacker, Gründer des Genzentrums der LMU, wird 80 Jahre alt

26.07.2021

Winnacker hat nicht nur die deutsche und europäische Wissenschaft, sondern auch die Forschung in München geprägt: als Gründer und Direktor des Genzentrums.

Ernst-Ludwig Winnacker

Ernst-Ludwig Winnacker | © Michael Till / LMU

Ernst-Ludwig Winnacker feiert am 26. Juli 2021 seinen 80. Geburtstag. Gerade eine Woche zuvor hat er ein druckfrisches und hochaktuelles Buch vorgelegt: Mein Leben mit Viren. Eine Forschergeschichte über die faszinierende Welt der Krankheitserreger.

Während sich die meisten Menschen erst seit rund eineinhalb Jahren für Viren interessieren, begleitet Winnacker das Thema schon ein Leben lang: In seiner Kindheit litt er unter den Folgen einer Pockenimpfung; später, während eines Aufenthalts in den USA, erkrankte seine Frau an der lebensgefährlichen Hongkong-Grippe. Die Viren wurden Winnackers Fachgebiet – und waren bereits sein Forschungsthema, als er 1977 an die LMU berufen wurde. „Viren sind Werkzeuge der Forschung“, sagt der Biochemiker. „Einerseits sind sie klein und einfach, viel einfacher zu untersuchen als große Genome. Andererseits sind sie U-Boote, die im Meer der Wirtszellen schwimmen und sie zweckentfremden – das wiederum können sie nur, weil sie die Zellen verstehen. Wir können also von ihnen lernen.“ Das Virus als wissenschaftliches Werkzeug, so Winnackers Gedanke, würde den Schlüssel liefern zur Erforschung der Zellen.

Als er an die LMU kam, hatte er bereits Stationen in Zürich, Stockholm, Berkeley und Köln hinter sich – und wusste, in welche Richtung sich sein Forschungsgebiet bewegte. Winnacker wollte das, was man heute unter Gentechnik zusammenfasst, in München etablieren. „Ich hatte am Karolinska-Institut und in Berkeley gesehen, woher der Wind weht“, erzählt er.

Damals waren Universitäten in Deutschland, auch als Folge der Bildungsexplosion, chronisch unterfinanziert. Doch Winnacker und seine Kollegen hatten Erfolg mit ihrem Antrag, in München ein Genzentrum aufzubauen, das als Gemeinschaftsunternehmen der LMU und der Max-Planck-Institute in Martinsried konzipiert war.

Akademischer Pioniergeist

Winnackers akademischer Pioniergeist ist gewissermaßen der Zellkern dieses Zentrums, das sich unter seiner Führung zu einer weltweit renommierten Institution der biomolekularen Forschung und Lehre entwickelte. Als Gründer des Genzentrums erkannte Winnacker früh, „dass wir nur etwas erreichen können, wenn wir interdisziplinär agieren.“ So näherten er und seine Kolleginnen und Kollegen sich der Genforschung aus unterschiedlichen Perspektiven: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Chemie, Biologie, Human- und Veterinärmedizin arbeiteten übergreifend an zentralen Fragestellungen. „So kam alles, was damals irgendwie mit Genen zu tun hatte, zusammen – das hat funktioniert, das funktioniert bis heute“, bilanziert Winnacker.

Schon während seiner Zeit als Direktor des Genzentrums waren ihm die Themen wichtig, die später seine Handschrift als Wissenschaftsmanager prägen sollten: Neben der Interdisziplinarität setzte er auf die Partnerschaft von Universitäten und wissenschaftlichen Institutionen, auf eine internationale Ausrichtung und vor allem auf die Nachwuchsförderung.

Strukturen und Perspektiven schaffen

Schon mit der Gründung des Genzentrums wurden erste Nachwuchsgruppen eingerichtet, „acht junge Leute, die schon promoviert, aber noch nicht habilitiert waren, die sollten eine eigene kleine Gruppe aufbauen nach ihren Vorstellungen, das war die Idee – und das hat auch geklappt, das wurde genehmigt. Dann ging es los, wir haben gute Leute engagiert aus den USA, aus der Schweiz, aus Deutschland.“ Wenn er zurückblickt, sagt Winnacker, ist es das, was ihn am meisten freut: Dass das Zentrum einerseits von diesen jungen Leuten enorm profitierte, die dort ihre Ideen einbrachten und Impulse gaben – und dass gleichzeitig die jungen Forscherinnen und Forscher am Genzentrum ihr Potenzial entfalten konnten, publizierten, Preise gewannen und auf Professuren berufen wurden. Vor allem die Frauenförderung lag ihm früh am Herzen. „Ich hatte sehr gute Doktorandinnen“, sagt Winnacker, „und mir wurde klar, dass wir für die bessere Strukturen und Perspektiven schaffen mussten.“

Das Wissen um diese Bedarfe war es, das ihn schließlich dazu bewog, die Forschung zu verlassen und als Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Wissenschaftspolitik zu gestalten. „Es gab so viel zu tun“, sagt Winnacker, „ich dachte mir, du musst diese Aufgabe annehmen, da kannst du es verändern.“ Als DFG-Präsident führte er zum Beispiel das Emmy-Noether-Programm ein; später, als Generalsekretär des European Research Council (ERC), initiierte er unter anderem die ERC Starting Grants.

Mittlerweile ist Ernst-Ludwig Winnacker auch in der Forschung wieder aktiv, begleitet Projekte, zum Beispiel aus dem Bereich der Immunologie. Und auch die Nachwuchsförderung ist ihm nach wie vor eine Herzensangelegenheit – sowohl in der Wissenschaft als auch privat. „Während der Corona-Zeit bin ich als Hauslehrer eingesprungen für meine beiden Enkelinnen“, berichtet Winnacker lachend. „Lesen und schreiben konnte ich zwar schon, aber ansonsten lernt man dabei auch noch mal viel Neues.“

Den runden Geburtstag verbringt er mit der Familie, im September folgt ein Symposium an der LMU mit vielen herausragenden Wegbegleitern, Kolleginnen und Kollegen. Seiner Wahlheimat München ist der gebürtige Hesse seit seiner Berufung an die LMU vor fast 45 Jahren treu geblieben: „Auch wenn aus mir leider bis heute kein guter Skifahrer geworden ist: Es gab einfach keinen Grund, aus München wegzugehen.“

Ernst-Ludwig Winnacker: „Mein Leben mit Viren. Eine Forschergeschichte über die faszinierende Welt der Krankheitserreger“ S. Hirzel Verlag, erschienen am 20. Juli 2021.

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