FokusLMU: Wissenschaftliche Perspektiven zur "Deglobalisierung"
04.11.2024
Am 12. November findet die nächste Podiumsdiskussion im Rahmen von FokusLMU statt. Diesmal geht es um das Thema „Welt im Wandel: (De)Globalisierung heute und gestern“.
04.11.2024
Am 12. November findet die nächste Podiumsdiskussion im Rahmen von FokusLMU statt. Diesmal geht es um das Thema „Welt im Wandel: (De)Globalisierung heute und gestern“.
Pandemie, Rezession und Krieg. Die Welt befindet sich seit einigen Jahren im Krisenmodus. DImmer mehr Menschen stellen sich die Frage: Stößt die Globalisierung an ihre Grenzen?
Drei Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU München beleuchten dieses vielschichtige Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Anhand von Daten sowie historischen und aktuellen Beispielen gehen sie unter anderem der Frage nach, ob eine Deglobalisierung überhaupt möglich ist.
Dienstag, 12. November 2024
19:00 – 20:30 Uhr
in der Großen Aula im Hauptgebäude der LMU und als Livestream
Für die Veranstaltung in Präsenz ist keine Anmeldung erforderlich.
„Deglobalisierung ist ein viel diskutiertes Thema – aber erleben wir sie tatsächlich? In den letzten Jahren gab es viele Ereignisse, die den globalen Handel negativ beeinflussten: Brexit, die Handelskonflikte der Trump-Ära, die Corona-Pandemie und schließlich Russlands Angriff auf die Ukraine samt anschließenden Sanktionen. Nach Jahrzehnten der Öffnung und Freihandelsabkommen, allen voran in der EU, stehen nun neue Herausforderungen im Raum. Doch trotz dieser Krisen zeigen die Handelsdaten eher eine Verlangsamung des Wachstums statt eines Rückgangs – häufig als 'Slowbalization' bezeichnet. Die Ursachen für diese Verlangsamung sind vielschichtig und reichen von Skepsis über Verteilungsungleichheit, der Resilienz globaler Lieferketten und geopolitischen Abhängigkeiten bis hin zu nationalen Sicherheitsbedenken.“
Prof. Dr. Claudia Steinwender ist Professorin für Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Innovation und Außenhandel
„Die Stärke der Ethnologie liegt in der Untersuchung von kulturellen Interpretationen globaler Verbundenheit in Geschichte und Gegenwart. Welche Bezüge stellen Individuen zwischen lokal und global her und wie beeinflussen diese Deutungen ihre Lebenswelten und Sinnkonstruktionen? Wie nehmen sie das Verhältnis von Ort und Mobilität wahr? Und wie lassen sich die daraus resultierenden, oft unvorhergesehenen Dynamiken beschreiben? Im Vortrag gehe ich diesen Fragen am Beispiel von Aotearoa Neuseeland und Lateinamerika nach und betrachte (De)Globalisierung durch eine sozio-ökologische Linse. Umweltveränderungen, die u.a. durch koloniale Strukturen entstanden sind, wirken noch heute weit in das Soziale hinein und beeinflussen kulturelle Identitäten, einhergehend mit dem Wunsch nach Begrenzung und Distinktion, aber auch nach Verbindung und Gemeinsamkeit. In diesen Verläufen spielen auch nicht-menschliche Entitäten (Tiere, Pflanzen) eine wichtige Rolle und verlangen, dass wir unsere Beziehung zu ihnen neu austarieren.“
Prof. Dr. Eveline Dürr ist Professorin für Ethnologie mit den Schwerpunkten Ethnologische Stadtforschung, Mensch-Umwelt-Beziehungen, Mobilität, kulturelle Identitäten und Repräsentationen.
„Die Idee einer Deglobalisierung greift zu kurz, wenn man Globalisierung als Produkt komplexer globaler Verflechtungsbündel begreift. Globalisierung bedeutet nicht nur zunehmende weltweite Verbindungen, sondern trägt gleichzeitig immer auch Entflechtungen und Disruptionen in sich. Nicht nur, aber ganz besonders in Krisenzeiten – wie der
Zwischenkriegszeit oder der Corona-Pandemie – zeigt sich, dass weltweite Verknüpfungen nicht einfach gelöst oder zurückgedreht werden können. Vielmehr erleben wir ein Zusammenspiel von Ver- und Entflechtung, das wir am Käte Hamburger Kolleg global dis:connect als 'Dis:konnektivität' beschreiben. Dieser Begriff verdeutlicht die wechselseitige Abhängigkeit von Konnektivität und Disruption und hilft uns, Globalisierungsprozesse besser zu verstehen und zu damit auch mitzugestalten.“
Prof. Dr. Roland Wenzlhuemer ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte mit dem Schwerpunkt Kolonial- und Globalgeschichte.
„Seit langer Zeit beschäftige ich mich mit dem Spanischen Weltreich. Seine Territorien lagen so weit voneinander entfernt, dass in diesem Reich sprichwörtlich „die Sonne niemals unterging“. Die weiten Ozeane ließen sich zwar über Schifffahrt und mithilfe von Briefen technisch überwinden, aber die Gesellschaften entwickelten sich langsam aber sicher auseinander. Mehr noch: Viele Zeitgenossen nutzten die Möglichkeiten der Distanz. Sie schlugen politisches Kapital aus der Tatsache, dass Andere weit entfernt waren, dass man die eigene Gruppe bevorzugen und die weiter entfernte Gruppe als ‚fremd‘ ausweisen und damit abwerten konnte. Über die unglaublich lange Zeit von vier Jahrhunderte hinweg lässt sich daher am Spanischen Weltreich studieren, wie der Zusammenhalt zum einen betont und gefestigt und zum anderen infrage gestellt und unterlaufen wurde.“
Prof. Dr. Arndt Brendecke ist Professor für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der LMU.
Die Veranstaltungen von FokusLMU finden in deutscher Sprache statt. Eine Aufzeichnung mit englischen Untertiteln wird eine Woche nach Veranstaltungstermin auf YouTube veröffentlicht.
FokusLMU wird unterstützt von der MEDIASCHOOL BAYERN und der Münchener Universitätsgesellschaft e. V.