News

Freude, schöner Götterfunken

03.11.2019

Chöre, Ensembles, Orchester – modern oder klassisch: Für LMU-Studierende gibt es unzählige Möglichkeiten, sich während der Studienzeit und sogar danach musikalisch zu engagieren.

„Zzzzzzzzz“, „Brrrrrrrrr“, „Phhhzzzzzz“: Die Sängerinnen und Sänger des Unichors beginnen wie jeden Dienstag mit dem Einsingen. Fast 200 Studierende proben jede Woche in der kleinen Aula im LMUHauptgebäude. Rechts die Studentinnen, links die Studenten – angeordnet nach Stimmlage: Sopran, Alt, Tenor und Bass. Immer vor Augen: das Konzert in der großen Aula zum Semesterende. „Das ist das jährliche Highlight“, versichert Chorleiterin Anna Verena Egger. Die Aussage überrascht, schließlich gibt es auch regelmäßig zusätzliche Projekte wie etwa die Live-to-projection-Konzerte der „Herr der Ringe“-Trilogie im Gasteig gemeinsam mit den Münchener Symphonikern. 2017 trat der Unichor unter der Leitung von Ennio Morricone sogar in der Münchener Olympiahalle vor dem größten Publikum in seiner über 60-jährigen Geschichte auf. Der weltbekannte Filmmusikkomponist ist auf Youtube auf den Chor aufmerksam geworden. Natürlich seien solche Projekte toll und brächten Geld für eigene Konzerte, sagt Egger. „Aber das ist nicht das, was den Chor weiterbringt.“ Sie möchte, dass die Sängerinnen und Sänger die Werke der Klassik, Romantik und Renaissance kennenlernen. Dabei stehen auch regelmäßig selten aufgeführte Stücke wie „Die Szenen aus Goethes Faust“ von Robert Schumann auf dem Programm.

Wer beim Unichor mitmachen will, muss sich gegen eine starke Konkurrenz durchsetzen: Rund 100 Studierende bewerben sich jedes Semester – nur etwa ein Drittel davon wird genommen. Das Wort „Vorsingen“ gefällt Egger dabei nicht, sie nennt es lieber „stimmliches Kennenlernen“. Wer angenommen wird, profitiert auf verschiedene Weise. Für jeden Mitsänger wird ein individuelles Stimmtraining angeboten. Außerdem finden regelmäßig Konzertreisen statt, zum Beispiel nach Venedig, Paris oder St. Petersburg. „Reisen sind für die Chorgemeinschaft einzigartige Erlebnisse und unglaublich wichtig“, unterstreicht Egger. Im Frühjahr war der Unichor sogar in Westafrika. In Benin wurde in verschiedenen Kultureinrichtungen, aber auch mal auf der Straße gesungen. Das kam gut an, erinnert sich Egger. Viele Menschen hätten gleich mitgetanzt. Und nicht zuletzt profitieren die Sängerinnen und Sänger von der sogenannten Chor-Familie. Nach jeder Probe trifft man sich zum Stammtisch und zwei Mal im Semester findet eine Party statt. „Es gibt sogar schon Unichor-Babys“, sagt Egger und lacht.

Musizieren, Reisen und Freundschaften zeichnen auch das Jugendsinfonieorchester Odeon für junge Menschen zwischen 15 und 25 Jahren aus. Die Idee dazu entstand in einer „euphorischen Feierlaune“ auf einer Gartenparty mit jungen Musikern, erzählt Gründungsmitglied Lukas Werle. „Dass uns diese Euphorie bis in die Oper von Santiago de Chile, die Münchener Philharmonie und den Wiener Musikverein tragen sollte, wagte damals noch keiner zu glauben.“ 2017 gab es zum zehnjährigen Jubiläum ein großes Festkonzert in der Großen Aula der LMU. Ein Jahr später ging es für das 77-köpfige Orchester sogar zwei Wochen auf Tournee nach China. Was Felicitas Engel bei den sechs Konzerten besonders auffiel, war die „Klatsch-Freudigkeit“ des Publikums. „Während die Chilenen von Anfang an begeistert mitklatschen, mussten die Chinesen erst animiert werden“, erinnert sie sich. Vor der Landung in München gab es überraschend noch ein siebtes Konzert in Form einer spontanen Blasmusik-Einlage der Blechbläser an Bord des Flugzeugs. Wer bei Odeon mitmachen möchte: Das Jugendsinfonieorchester sucht momentan Instrumentalisten aller Art. Das nächste Mal zu sehen ist Odeon beim Winterkonzert am 1. Dezember 2019 im Münchener Künstlerhaus.

Gelebte Demokratie im Abaco-Orchester

Erfahrungen mit großen Konzerten hat auch das meist 100-köpfige Abaco-Orchester. Um zum Beispiel Mahlers Sinfonie Nr. 2 mit über 400 Sängerinnen und Sängern in der Philharmonie im Gasteig aufzuführen, wurde sogar eine Crowdfunding-Kampagne gestartet, weil die Saalmiete das Budget des Orchesters überstieg. Das Besondere am Abaco-Orchester ist, dass nicht nur Studierende, sondern auch junge Berufstätige willkommen sind. Außerdem wird Wert auf demokratische Entscheidungen gelegt: „Das Hauptwerk wird vom Orchester gewählt, der Dirigent beim Vordirigieren ausgewählt und dieser auch jährlich bestätigt oder abgelehnt“, erklärt Katharina Bömers, die ehrenamtlich für die Pressearbeit zuständig ist. Aktuell heißt der Dirigent Vitali Alekseenok, der das Abaco-Orchester zunehmend an neuere und zeitgenössische Musik heranführt, zum Beispiel Alban Bergs Violinkonzert oder Nikolai Mjaskovskys Cellokonzert. Neben Konzertreisen nach Mallorca oder zum französischen Festival International de Musique Universitaire wird auch immer wieder experimentiert. So wurden die Songs der Band Donnerbalkan von jungen Komponisten umarrangiert. „Wir haben teilweise während des Geigespielens gesungen, getrommelt oder getanzt“, erinnert sich Bömers. „Und das ist recht ungewöhnlich!“ Das Abaco-Orchester nimmt jedes Jahr rund fünf neue Musiker auf – eher Streicher, aber auch Bläser. Geprobt wird in der evangelischen Erlöserkirche, in Räumen der LMU, der Technischen Universität oder der Hochschule für Musik und Theater. Im Wintersemester steht Schostakowitschs 7. Sinfonie an.

Kostenlos auf die Berghütte oder zum Segeln

Einzigartig ist der Akademische Gesangverein München (AGV). Dabei handelt es sich um eine musische Studentenverbindung, also nicht schlagend, nicht farbentragend, religiös ungebunden und unpolitisch. Nach der Gründung 1861 als Chor an der LMU kam kurz darauf auch noch ein Theater dazu – heute das älteste Laientheater Münchens. Mittlerweile unterhält der AGV zehn Musik- und Theatergruppen, von Bigband über Blasorchester, sinfonischem Orchester über Chor bis hin zu Theater und Improtheater. Mitmachen kann grundsätzlich jeder. Weil die Bigband immer voll besetzt war, wurde zum Beispiel kurzerhand das Scholastika Jazz Orchestra gegründet. Mitglieder können übrigens nicht nur ihre musischen Fähigkeiten verbessern: Der AGV besitzt neben dem Haus am Marienplatz eine Berghütte auf dem Garmischer Hausberg und ein Segelgrundstück am Ammersee.

Wer verborgene Musikschätze entdecken und interpretieren möchte, ist beim Palestrina Ensemble München richtig, das Musik der Renaissance und den gregorianischen Choral zum Erklingen bringt. Gegründet wurde das Ensemble 1994 von Mirjam und Venanz Schubert. Schon kurz darauf gab es große Konzerte in München und ganz Bayern. Vor allem die Einladung nach Rom mit Konzerten im Campo Santo und in der Dell’-Anima-Kirche sind den beiden in Erinnerung geblieben. Und die CD-Aufnahmen des Canticum Salomonis von Palestrina mit dem Bayerischen Rundfunk, die bei Naxos erschienen sind. Da das Ensemble recht klein ist und viele Studierende nach dem Abschluss aufhören müssen, werden immer neue Mitglieder gesucht. Die Aufnahmekriterien sind Chorerfahrung, eine schöne gerade Stimme und idealerweise Blattsicherheit.Weitere Anlaufstellen für Musikinteressierte in München sind das Studentenorchester StOrch, das Ensemble MünchenKlang, die Jungen Münchener Symphoniker, der Akademische Orchesterverband, das Symphonische Ensemble München, das Sinfonieorchester der Münchener Universitäten Sinfonietta oder das Münchener internationale Orchester, das sich besonders an Austauschstudierende und Gastwissenschaftler richtet.

Auf persönliches Engagement zurückzuführen sind die Munich Classical Players, ein Kammerorchester bestehend aus Studierenden der Musikhochschule. Ins Leben gerufen hat es der 23-jährige LMUStudent und Dirigent Maximilian Leinekugel. Außerdem dirigiert er das „Animato“, ein Münchner Laienorchester, und das Collegium Muwicum, ein Ensemble für LMU-Musikwissenschaftsstudierende. „Oft gilt die Klassik ja leider als veraltet und langweilig“, sagt Leinekugel. „Dabei kann klassische Musik auch heute noch aktuell und packend sein, denn schließlich geht es ja wie bei anderer Musik um Emotionen und persönliche Gefühle.“ Mit seinen Konzerten will er ein modernes Image der klassischen Musik vermitteln und insbesondere auch junge Menschen begeistern. Aus diesem Grund hat Leinekugel in seiner Heimatgemeinde Vaterstetten mit der dortigen Musikschule auch ein Jugendorchester gegründet. „Ich bin fest davon überzeugt, dass Jugendorchester der beste Weg sind, um junge Menschen an die klassische Musik heranzuführen.“ Für sein Engagement erhielt Leinekugel 2018 den Tassilo-Kulturpreis der Süddeutschen Zeitung.

Musiziert wird aber auch im wissenschaftlichen Kontext. Bei manchen Konzerten sind die LMU-Studierenden des Departments Kunstwissenschaften nicht nur als Projektchor auf der Bühne, sondern wie bei dem Musikprogramm „Sehnsucht. Musik. Ankunft.“ im Frühjahr dieses Jahres auch in der Organisation hinter der Bühne tätig. Leiterin war damals Dr. Dana Pflüger vom Praxisbüro Kunstwissenschaften an der LMU. Sie hat in der Vergangenheit gemeinsam mit dem Veranstalter Albert Ginthör auch die Kurse zur Organisation des Open Airs am Münchener Gärtnerplatz und des Opernprojekts „ZAIDE. EINE FLUCHT.“ mit geflüchteten Künstlerinnen und Künstlern geleitet. Bei „Sehnsucht. Musik. Ankunft.“ ging es um die Konzeption und Durchführung eines interkulturellen Konzerts im Schloss Nymphenburg. Dabei trafen Lieder aus Afghanistan, Syrien oder Deutschland auf klassische Opernarien. Im Juli dieses Jahres kam das Konzert unter der Gesamtleitung von Leonie Hundertmark und Dr. Tobias Emanuel Mayer vom Institut für Musikpädagogik in adaptierter Form an eine Münchener Schule. Vorher wurden die Klassen in Workshops thematisch und musikalisch für das Thema Flucht, Migration und Heimat sensibilisiert. „Das Konzert wurde vom gesamten Schulpublikum begeistert angenommen“, versichert Mayer. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Jugendlichen dem aus Afghanistan geflüchteten Musiker Pouya Raufyan Fragen über sein Leben, seinen Weg nach Deutschland und sein Musikschaffen stellen konnten.

Manchmal entstehen auch aus Forschungsprojekten Musikgruppen. Professorin Alexandra Kertz-Welzel, Leiterin des Instituts für Musikpädagogik, interessierte sich seit ihrer Postdoc-Zeit im amerikanischen Seattle für das Thema „Community Music“. Egal ob SambaBand, Straßenmusik, Gefängnischor, eine Rockband im Altersheim oder das Blasorchester auf dem Land – das Konzept verbindet Therapie und soziale Arbeit. Inzwischen trifft sich auch am Institut für Musikpädagogik einmal pro Woche eine Samba-Band, bei der Studierende, Mitarbeiter und Menschen von außerhalb der LMU teilnehmen können. Spezielle Kenntnisse sind nicht erforderlich: „Der Leiter ist Schlagzeuger und hatte mit Samba früher nichts am Hut“, sagt Kertz-Welzel und lacht. Generell finden Musikinteressierte am Institut eine große Auswahl an Bands, Chören wie das Vokal Ensemble München, aber auch Kammermusik wie dem Jungen Kammerchor Lucente. Seit dem Wintersemester finden am Institut zusätzlich jedes Semester „Open Stage!“-Abende statt, an denen sich jeder musikalisch, vokal, sprachlich oder tänzerisch zu Wort melden kann. Musikalisch sind aber auch andere Institute: So wird zum Beispiel im Chor des Instituts für Romanische Philologie auf Französisch, Spanisch, Italienisch und Portugiesisch gesungen.

Ein Popstar am LMU Entrepreneurship Center

Am LMU Entrepreneurship Center gibt es zwar keine Möglichkeiten zum Musizieren. Dafür arbeitet mit Robert Redweik ein echter Popstar in der Giselastraße – der „coolste Dozent Deutschlands“, wie ihn die Süddeutsche Zeitung nennt. Schon mit zwölf Jahren gründete er seine Band, mit der er zwei Studioalben veröffentlichte und durch den deutschsprachigen Raum tourte. 2011 promovierte er nicht nur zum Thema „Organisation und Erfolg von Business-AngelNetzwerken“ an der LMU, sondern erhielt auch einen Plattenvertrag bei der Warner Music Group und wurde als Songwriter bei Universal Music Publishing unter Vertrag genommen. Seitdem hat der heute 36-Jährige unter anderem mit Midge Ure, Christian Neander, Howard Carpendale oder Udo Lindenberg zusammengearbeitet. Band, Proben und Promotion unter einen Hut zu bekommen war nicht einfach, erinnert sich Redweik. „Aber da die Musik meist an Abenden und Wochenenden stattfand und man als Student und Doktorand ja auch einigermaßen flexibel ist, hat es geklappt.“ An der LMU kümmert er sich um Entrepreneurship, Business Planning, Financing. Damit LMU-Musiker einen Plattenvertrag bekommen, empfiehlt er, „dranbleiben, sich mit anderen Musikern und Branchenleuten vernetzen, Songs schreiben und spielen – erst mal als Support und dann eigene Shows.“ Ob auch manchmal Fans in seine Kurse kommen, denen es mehr um den Popstar Redweik als den Inhalt der Vorträge geht? „Das ist auch schon vorgekommen“, sagt er und lacht. „Aber das ist schon noch eher die Ausnahme.“

Dieser Artikel stammt aus dem MünchnerUni Magazin.

Wonach suchen Sie?