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Hirnerkrankungen: Abwehr aus dem Schädelknochen

09.08.2023

Der Schädelknochen beherbergt einzigartige Immunzellen – möglicherweise ein neuer Ansatzpunkt für Diagnose und Behandlung neurologischer Erkrankungen. Das zeigen Forschende um den Molekularbiologen Ali Ertürk.

Im Knochenmark des Schädels: Immunzellen (blau) und Gefäße (pink). | © Erturk Lab

Millionen Menschen weltweit sind von den Auswirkungen neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer, Schlaganfall und Multiple Sklerose betroffen. Neuroinflammation – eine Immunzell-vermittelte Entzündung – ist ein gemeinsames Merkmal dieser Krankheiten. Die Kontrolle und Überwachung dieser Entzündung stellt eine große Herausforderung dar, da das Gehirn durch den Schädelknochen und drei Membranen geschützt und daher schlecht zugänglich ist. Kürzlich wurden jedoch kleine Kanäle für die Bewegung von Immunzellen vom Knochenmark des Schädels zum Gehirn entdeckt. Darauf aufbauend hat ein Team von Forschenden von Helmholtz Munich, LMU, LMU Klinikum und der Technischen Universität München (TUM) um Professor Ali Ertürk nun mithilfe einer speziellen Methode – dem sogenannten Tissue Clearing in Kombination mit 3D-Bildgebung –festgestellt, dass diese Verbindungen teilweise sogar durch die äußerste und widerstandsfähigste Membranschicht, die Dura, verlaufen und damit Öffnungen näher an der Hirnoberfläche als zuvor angenommen bilden.

Die komplexe Verbindung zwischen Schädel und Gehirn

Das Forschungsteam untersuchte zudem, ob der Schädel einzigartige zellspezifische und molekulare Bestandteile beherbergt, die in anderen Knochen nicht vorhanden sind. Eine Analyse der RNA- und Proteinzusammensetzung bestätigte: Der Schädelknochen ist tatsächlich außergewöhnlich und beherbergt einzigartige neutrophile Immunzellen, eine Art von weißen Blutzellen, die eine entscheidende Rolle in der Abwehr des Immunsystems spielen. „Diese Ergebnisse haben tiefgreifende Auswirkungen und legen nahe, dass die Verbindung zwischen Schädel und Gehirn weitaus komplexer ist als bisher angenommen", hebt die Erstautorin der Studie, Ilgin Kolabas, Doktorandin im Labor von Ertürk bei Helmholtz Munich, hervor.

Ali Ertürk, Leiter des Instituts für Tissue Engineering and Regenerative Medicine (iTERM) bei Helmholtz Munich und Professor am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum, fügt hinzu: „Dies eröffnet eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Diagnose und Behandlung von Gehirnerkrankungen und hat das Potenzial, unser Verständnis von neurologischen Krankheiten zu revolutionieren. Der Durchbruch könnte zu einer effektiveren Überwachung von Erkrankungen wie Alzheimer und Schlaganfall führen und möglicherweise sogar dazu beitragen, den Ausbruch dieser Krankheiten durch frühzeitige Erkennung zu verhindern.“

Eine weitere wichtige Entdeckung der Forschenden mithilfe sogenannter PET Scans (Positronen-Emissions-Tomografie) war, dass die Signale des Schädelknochens denen des darunterliegenden Gehirns ähnelten und, dass Veränderungen dieser Signale mit dem Fortschreiten von Krankheiten, wie Alzheimer und Schlaganfall, korrelierten. So könnten nach Ansicht der Autoren in Zukunft Gehirnentzündungen möglicherweise durch das Scannen der Kopfoberfläche der Patientinnen und Patienten überwacht werden.

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