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Humangenetik und Islamische Kunstgeschichte: Zwei neue ERC-Grants an der LMU

22.11.2022

Zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen haben mit der LMU je einen Starting Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) eingeworben – eine der angesehensten Forschungsförderungen in Europa.

Sarah Kim-Hellmuth untersucht den genetischen Einfluss auf das Immunsystem

© Stephan Höck / LMU

Zwei Nachwuchswissenschaftlerinnen der LMU haben je einen Starting-Grant des Europäischen Forschungsrats (ERC) für ihre Forschung eingeworben. Die Humangenetikerin Sarah Kim-Hellmuth und Ilse Sturkenboom, Professorin für Islamische Kunstgeschichte, erhalten eine Projektförderung in Höhe von je 1,5 Millionen Euro. Die ERC Grants werden anhand der wissenschaftlichen Exzellenz der Antragsteller sowie des beantragten Projekts vergeben und zählt zu den angesehensten Forschungsförderungen in Europa.

Das humangenetische ERC-Projekt

© Stephan Höck / LMU

Sarah Kim-Hellmuth, ist Fachärztin für Humangenetik und leitet eine Emmy Noether-Nachwuchsgruppe am Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums und dem Institut für Translationale Genomik des Helmholtz Munich, die sich mit dem genetischen Einfluss auf das Immunsystem beschäftigt.

Manch einen haut schon der kleinste Schnupfen um, andere kommen ohne jedes Kratzen im Hals durch den Winter. Mancher entwickelt eine Autoimmunerkrankung, andere wiederum nicht. Auch können sich beim selben Leiden die Symptome und Ausprägungen durchaus deutlich unterscheiden. Wie gut die Körperabwehr vor Viren schützt und wie stabil sie gegenüber Autoimmunerkrankungen ist, unterscheidet sich also stark von Mensch zu Mensch. Woher das kommt, lässt sich trotz intensiver Forschung bislang nur unvollständig erklären. Sarah Kim-Hellmuth hat solche individuellen Variabilitäten schon seit Längerem für unterschiedliche Organe untersucht.

Mit ihrem neuen Projekt ImmGenDC (Dissecting the context-specificity of genetic immune regulation in plasmacytoid dendritic cells), das der ERC jetzt fördert, will sie solche Phänomene, die der genetischen Regulation zuzuschreiben sind, nun für das Immunsystem weiter untersuchen. Ein wichtiger Akteur des Immunsytems sind sogenannte Plasmazytoide Dendritische Zellen (pDC). Diese Zellen sprechen auf viele unterschiedliche Erreger an und zeigen insgesamt eine bislang unterschätzte funktionelle Vielfalt.

Für Sarah Kim-Hellmuth spricht viel dafür, dass die genetische Regulation der pDC einen grundlegenden Einfluss auf die antivirale Reaktion und der Autoimmunvariabilität hat. In früheren Arbeiten mit Immunzellen konnte die Humangenetikerin bereits nachweisen, dass die genetische Regulation in hohem Maße kontextspezifisch ist und unter anderem von Zelltyp, Zellantwort, Abstammungspopulationen und Geschlecht abhängt.

Das übergeordnete Ziel des Projektes ist, die Kontextspezifität der Immunantwort und ihre genetische Regulierung in pDC aufzuklären, um die Variation der menschlichen antiviralen Reaktion besser zu verstehen und unentdeckte Krankheitsmechanismen von Autoimmunkrankheiten aufzuzeigen. Zu diesem Zweck plant Kim-Hellmuth aufwendige Analysen und Vergleiche genetischer Daten. Sie will neue pDC-Subtypen und ihre immunregulatorischen Schaltkreise identifizieren sowie Vorhersagemodelle für die genetisch regulierte Immunreaktion erstellen und Genorte entschlüsseln, die mit Autoimmunerkrankungen in Verbindung stehen. Dies soll es möglich machen, neuartige Interventionen für die Präzisionsmedizin zu entwickeln.

Dr. Sarah Kim-Hellmuth studierte Humanmedizin an der LMU und der Technischen Universität München. Sie war Assistenzärztin am Institut für Humangenetik am Klinikum der Universität Bonn. Danach war sie Postdoktorandin am New York Genome Center und der Columbia University, New York. Außerdem war sie Lead analyst des Genotype-Tissue Expression (GTEx) Konsortiums, bevor sie 2020 nach München zurückkam.

Der ERC Grant für Islamische Kunstgeschichte

© privat

Ilse Sturkenboom ist Professorin für Islamische Kunstgeschichte an der LMU. Die Kunsthistorikerin beschäftigt sich insbesondere mit der islamischen Buchkunst und dem Austausch zwischen islamischer Kunst und der anderer Kulturen.

Buchkunst war lange Zeit der einzige Ort in der islamischen Welt, an dem es Malerei gab. In ihrem ERC-Projekt GLOBAL DECO PAPER (Decorated Paper in the Early-Modern Islamicate World: Aesthetics, Techniques and Meaning in Global Contexts) zielt Ilse Sturkenboom darauf ab, die frühneuzeitliche Geschichte der Islamischen Buchkunst aus einer bisher nicht berücksichtigten Perspektive zu betrachten: der Rand- und Hintergrunddekoration von Handschriften. Bisher existiert keine systematische Analyse der vielfältigen Formen der Papierdekoration, da sich die Kunsthistoriker vor allem auf figürliche Illustrationen in Handschriften konzentrierten.

Für ein umfassendes Verständnis der Kunst und der Erforschung künstlerischer Kontakte zwischen verschiedenen Kulturen spielen aber auch die dekorativen Elemente eine nicht zu vernachlässigende Rolle. In ihrem Projekt setzt Sturkenboom auf einen interdisziplinären Ansatz, in dem Experten und Expertinnen aus den Geistes- und Naturwissenschaften zusammenarbeiten, um künstlerische und technische Aspekte dekorierten Papiers – vor allem aus Sammlungen im Nahen Osten und in Asien – zu erforschen, das im frühmodernen China, in Zentralasien, Iran, Indien und im Osmanischen Reich hergestellt wurde.

Auf diese Weise wollen die Forschenden insbesondere auf die Netzwerke von Handel, Diplomatie und künstlerischem Austausch in Asien und dem Nahen Osten ein neues Licht werfen, die den Weg für äußerst vielfältige und technisch fortschrittliche Formen der Papierdekoration ebneten.

Ilse Sturkenboom studierte Kunstgeschichte sowie „Art History and Archaeology“ an der Universität Groningen. Anschließend studierte sie Iranistik an der Universität Bamberg, wo sie auch promovierte. Nach Stationen am Metropolitan Museum of Art (New York), sowie den Universitäten Amsterdam und Wien übernahm sie 2016 eine Stelle als Lecturer in Iranian Islamic Art History an der University of St Andrews in Schottland. 2021 wechselte Ilse Stukenboom als Professorin für Islamische Kunstgeschichte an die LMU.

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