Im Hochleistungsumfeld
19.03.2024
Wie LMU-Student Ralf Konietzka seinen Weg an die renommierte Harvard University fand.
19.03.2024
Wie LMU-Student Ralf Konietzka seinen Weg an die renommierte Harvard University fand.
Immer wieder kommt Ralf Konietzka ins Erzählen, wenn er seine Forschung erklärt. Dann geht es um explodierende Sterne und dunkle Materie, um den Einfluss des galaktischen Wetters auf das Sonnensystem, aber insbesondere um sein Lieblingsthema, eine galaktische Welle aus Gas und Staub, die vor 13 Millionen Jahren den Weg der Sonne durchkreuzte und einst auch die Erde getroffen haben könnte.
Gerade hat Konietzka dazu ein wichtiges Paper im Fachmagazin Nature veröffentlicht und dabei gezeigt, dass in unserer Milchstraße ein riesiges Gebilde aus Gas und Staub, die sogenannte Radcliffe-Welle, tatsächlich wellenartig um die galaktische Ebene schwingt und die jungen Sterne darin sich im Laufe von Jahrmillionen auf und ab bewegen, genauso wie Menschen es in einem Stadion bei einer La-Ola-Welle tun. Gleichzeitig driftet die Welle langsam vom Zentrum der Galaxis weg. Konietzka hat dazu zahlreiche Interviews gegeben, eine neue Aufgabe für den jungen Physiker, der erst vor sechs Monaten von der LMU an die renommierte Harvard University gewechselt ist, um dort seine Doktorarbeit zu schreiben.
Ralf Konietzka darf man sich als sehr ehrgeizigen Doktoranden vorstellen. Er wolle etwas bewegen, sagt er. Er habe sich vor Jahren gezielt die LMU als Universität ausgesucht, da diese hochkarätige Forschung sowohl in der theoretischen Physik als auch in der Astrophysik kombiniert. Nun hat er an der Harvard University in Cambridge, USA, einer der führenden Universitäten weltweit, seinen PhD begonnen. „Wissenschaftlich treibt mich die Frage an, wodurch diese schwingende Gasstruktur hervorgerufen wurde“, sagt Konietzka. „Tritt derselbe Mechanismus, der die Radcliffe-Welle erzeugt hat, nicht nur neben der Sonne, sondern auch in anderen Teilen der Milchstraße auf? Oder sogar in anderen Galaxien?“
Schon während seiner Masterarbeit baute Konietzka die Kollaboration mit dem Center for Astrophysics in Harvard auf. „Die Tür zur astrophysikalischen Forschung wurde mir durch die Unterstützung meines Mentors und späteren Betreuers Professor Andreas Burkert geöffnet“, erzählt Konietzka. „Unter seiner hervorragenden Anleitung konnte ich genau die astrophysikalische Forschung betreiben, die ich wollte, und die Grundlagen für meine weitere wissenschaftliche Arbeit legen.“ Und Burkert empfahl ihn den Kollegen am Center for Astrophysics der Harvard University. Die Verbindung war gemacht, sodass Konietzka bereits im Jahr 2022 während seines Studiums an der LMU für ein Forschungssemester nach Harvard wechselte und so das Fundament für seinen PhD legte, den er im September 2023 begann.
Dass solche Verbindungen funktionieren, liegt auch an zwei Programmen, von denen Konietzka während seiner Zeit in München gefördert wurde, dem Elite-Masterstudiengang Theoretische und Mathematische Physik (TMP) an der LMU und dem Max Weber-Programm, das begabte Studierende an bayerischen Hochschulen fördert, sie nicht nur finanziell begleitet, sondern auch fachlich und individuell unterstützt.
„Diese Förderungen waren für mich sehr wichtig“, sagt Konietzka. „Das Max Weber-Programm hat mir schon früh im Studium den Kontakt zu Andreas Burkert ermöglicht. Diese Kontakte sind wichtiger als die finanzielle Förderung.“ Andreas Burkert, Professor an der LMU und Inhaber des Lehrstuhls für Theoretische und Numerische Astrophysik, war nicht nur Betreuer der Masterarbeit, sondern auch Mentor im Max Weber-Programm. „Im Programm sind äußerst talentierte, an vielen Dingen interessierte Leute“, sagt Burkert. „Die Stipendiaten wollen immer die besten Forschergruppen in ihrem Feld weltweit kennenlernen. Und Ralf hat mir früh gesagt, dass er nach Harvard wollte.“ Also habe er versucht, ihm die Türen zu öffnen. Im Programm sei man gewissermaßen „in einer Blase mit hochmotivierten Studenten“, sagt Konietzka. „Das ist ein Hochleistungsumfeld.“
Andreas Burkert ist überzeugt, dass in Konietzkas Forschungsgebiet extrem viel Potenzial steckt. „Was Ralf macht, wird in Zukunft eine sehr wichtige Rolle spielen. Wir entwickeln ein komplexeres Modell des Universums, Galaxien werden zunehmend als hochdynamische Gebilde gesehen, nicht einfach als flache Scheiben mit Spiralarmen.“ Extrem genaue Daten des Satelliten Gaia der ESA helfen, die Bewegungen von Millionen von Sternen sechsdimensional zu erfassen, und zwar sowohl ihre Position im Universum wie auch ihre Bewegung.
Konietzka erzählt, wie wichtig es ihm sei, aktuelle Forschungsfortschritte einem breiteren Publikum zu vermitteln. Das sei nicht nur Teil seines PhD-Programms und der begleitenden Vorlesungen, in die er sehr oft auch die eigene Forschung einbaue. Auch im Rahmen der Nature-Veröffentlichung habe er ein großes Augenmerk darauf gelegt, die Ergebnisse visuell aufzubereiten, also die Radcliffe-Welle und ihre Schwingung im Spiralarm der Milchstraße anschaulich und dabei doch wissenschaftlich korrekt darzustellen. Es sei wichtig, die Inhalte auch an Menschen, die sich nicht jeden Tag mit Sternen, Gaswolken und dunkler Materie beschäftigen, heranzutragen und verständlich zu machen. „Mithilfe der zusammen mit dem Paper veröffentlichten Visualisierungen können sie nicht nur brandneue wissenschaftliche Erkenntnisse entdecken, sondern sich auch selbst interaktiv damit auseinandersetzen“, erklärt Konietzka. Außerdem hat der Forscher der Harvard University seine jüngste Publikation in einem Outreach-Video für Astrophysik-Interessierte zusammengefasst.
In solchen Momenten hört sich Konietzka wie ein erfahrener Forscher an, nicht mehr wie ein junger Doktorand. Er erzählt vom Fortschritt seines Fachgebiets in den vergangenen Jahren und auch davon, wie rasch sich in seinem eigenen Leben das Bild des Universums geändert hat. „Im Kindergarten habe ich gelernt, dass es Planeten gibt“, erzählt er. „Auf dem Gymnasium wurde mir beigebracht, dass diese Planeten aufgrund der Gravitationskraft um die Sonne kreisen, und schließlich an der LMU habe ich weiter blicken dürfen, wie das Weltall außerhalb des Sonnensystems aussieht, mit der Radcliffe-Welle als riesiger Struktur in unserer Milchstraße, als Rückgrat unseres lokalen Spiralarms. Jetzt sehe ich durch meine eigene Forschungsarbeit, dass die Welle schwingt und vom Zentrum unserer Galaxie wegdriftet. Der Blick geht also immer weiter raus, diesen Blick zu weiten, das treibt mich an.“
So versuchen die Forscher nun zu klären, wie die Milchstraße im Detail als dynamisches System funktioniert. Durch die hochauflösenden Datensätze des Satelliten Gaia lässt sich erstmals die Milchstraße in 3-D kartieren. Konietzka plant, die Zusammenarbeit zwischen Harvard und Andreas Burkert an der LMU weiter zu stärken. „Unsere Stärken hier in den USA und an der LMU ergänzen sich perfekt“, sagt Konietzka. Der junge Physiker strebt an, weitere statistische und numerische Methoden zu lernen, um diese auf die aktuellsten Datensätze anzuwenden und dabei sein physikalisches Verständnis, das durch sein Studium an der LMU geprägt wurde, anzuwenden. Ob er nach der Doktorarbeit nach Deutschland zurückkehren wolle, lässt er offen und lacht.