Kirchenrecht: Von der Synode zum Datenschutz
11.03.2025
Martin Rehak, neu an der LMU, erforscht die Entwicklung des Kirchenrechts.
11.03.2025
Martin Rehak, neu an der LMU, erforscht die Entwicklung des Kirchenrechts.
„Kirchenrecht verbindet jahrhundertealte Traditionen mit den rechtlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen von heute“, erklärt der katholische Theologe und Jurist Professor Martin Rehak. Er hat seit Oktober 2023 den Lehrstuhl für Kirchenrecht, insbesondere Verwaltungsrecht, Verkündigungs- und Sakramentenrecht, Vermögensrecht sowie Kirchliche Rechtsgeschichte inne. Seine Forschungsschwerpunkte beinhalten vor allem die Geschichte des Kirchenrechts; zudem befasst er sich intensiv mit ausgewählten Bereichen des geltenden Rechts, darunter auch dem nur auf teilkirchlicher Ebene geregelten kirchlichen Datenschutzrecht.
Martin Rehak hat Theologie und Rechtswissenschaften an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg studiert, gefolgt von einem juristischen Referendariat mit Stationen in München, Eichstätt, Speyer und Genf. Anschließend wirkte er als Rechtsanwalt in einer Münchner Kanzlei, wobei er vorrangig zivilrechtliche Mandate bearbeitete. Zugleich belegte er das Aufbaustudium in Kanonischem Recht am Klaus-Mörsdorf-Studium für Kanonistik der LMU. Letzteres schloss er nach Erwerb des Lizenziats mit einer Promotion ab. In seiner Doktorarbeit über den Münchner Kirchenrechtler Heinrich Maria Gietl verband Rehak dabei biografische und kirchenrechtshistorische Forschung.
In seiner darauffolgenden Habilitationsschrift, ebenfalls an der LMU, beleuchtete er den Verzicht Papst Benedikts XVI. auf den Patriarchentitel. „Diese Studie spannt einen Bogen von den ersten Jahrhunderten der Kirche bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil“, erklärt Rehak. „Darin befasste ich mich damit, wie sich die Kirchenverfassung oberhalb der Ebene der Bischöfe organisierte und welche Rolle das Patriarchenamt im Laufe der Kirchengeschichte spielte und heute noch spielt.“ Von 2018 bis zu seiner Berufung an die LMU wirkte Martin Rehak sodann als Professor an der Universität Würzburg.
Die Entwicklung des Kirchenrechts spiegelt den Wandel von einer Sammlung einzelner Entscheidungen hin zu einer systematischen Rechtsordnung wider.Martin Rehak
An der LMU befasst sich Martin Rehak in Forschung und Lehre mit historischen, aber auch modernen kirchenrechtlichen Themen. „Die Entwicklung des Kirchenrechts spiegelt den Wandel von einer Sammlung einzelner Entscheidungen hin zu einer systematischen Rechtsordnung wider“, so Rehak. Die kirchliche Gesetzgebung habe sich etwa im vierten Jahrhundert entwickelt, „als sich Bischöfe auf Synoden trafen und Kanones, also kirchliche Rechtsvorschriften, beschlossen.“ Später seien päpstliche Entscheidungen hinzugekommen, die in Form von Briefen über einzelne Fälle aus allen möglichen Bereichen des kirchlichen Lebens urteilen. „Gleichzeitig spielte die weltliche Gesetzgebung, etwa der römischen Kaiser oder später der fränkischen Könige, eine Rolle, da sie kirchliche Themen berührte und mit staatlicher Macht durchsetzte.“
Über die Jahrhunderte hinweg seien diese kirchlichen Rechtsquellen gesammelt und weitergegeben worden, bevor der stark angewachsene kirchenrechtliche Stoff im 12. und 13. Jahrhundert zunehmend systematisiert und kommentiert wurde. „In dieser Zeit wissenschaftlicher Erneuerung, in der auch die ersten Universitäten entstanden, wurden mehrere päpstliche Gesetzessammlungen veröffentlicht, die schließlich im ‚Corpus Juris Canonici‘ zusammengefasst wurden“, so Rehak. „Im 19. Jahrhundert entwickelte sich dann das Bedürfnis nach einer übersichtlichen und ‚modernen‘ Kodifizierung. Der ‚Codex Juris Canonici‘ fasste das Kirchenrecht 1917 in klare, abstrakt formulierte Normen und bildet die Grundlage des heutigen Kirchenrechts.“ Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein habe das Kirchenrecht auch das staatliche Eherecht stark beeinflusst.
Neben der Wissenschaft beurteilt Rehak, ganz praktisch, kirchliche Datenschutzfragen. „Von der Deutschen Bischofskonferenz wurde ich zum beisitzenden Richter am Interdiözesanen Datenschutzgericht ernannt, das die katholische Kirche 2018 einrichtete.“ Die Fälle, über die er dabei mitentscheidet, reflektiert er auch wissenschaftlich: „So klagte zum Beispiel jemand, der sich von einer kirchlichen Einrichtung auf eine Stelle in einer anderen kirchlichen Einrichtung wegbeworben hatte, dass die Vertraulichkeit des Vorgangs nicht gewahrt worden sei“, erklärt der Kirchenrechtler. „Und in einem anderen Fall war darüber zu befinden, ob in einer diözesanen Aufarbeitungsstudie die Angaben zu einer Person, die des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden war, ausreichend anonymisiert worden waren.“
Ein weiteres Thema, das Rehak in Zukunft angehen möchte, ist die Edition kanonistischer Quellentexte. „Viele Texte aus dem für das mittelalterliche Kirchenrecht entscheidenden Zeitraum sind nur handschriftlich überliefert.“ Die Grundlagenforschung an diesen Quellen sei „sehr, sehr zeitintensiv“ und auf Drittmittelfinanzierung angewiesen. „Beginnend bei der Paläografie muss man sich ein Verständnis dafür erarbeiten, wie Bischöfe, Mönche und Kanonisten damals dachten und argumentierten“, so der Kirchenrechtler. „Man bewegt sich dabei in einer ganz eigenen Welt.“