Klimawandel verändert Anbau und Erträge schneller als erwartet
02.11.2021
Neue Simulationen zeigen, dass sich Landwirte weltweit schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf eine neue Klimarealität einstellen müssen.
02.11.2021
Neue Simulationen zeigen, dass sich Landwirte weltweit schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts auf eine neue Klimarealität einstellen müssen.
Neue Computersimulationen sagen tiefgreifende Veränderungen in den Anbaubedingungen und Erträgen der wichtigsten Kulturpflanzen schon in den nächsten zehn Jahren voraus, wenn sich die derzeitigen Trends der globalen Erwärmung fortsetzen. In den wichtigsten Kornkammern der Welt wird es viel schneller als bisher erwartet zu gravierenden Veränderungen kommen, so dass sich die Landwirte in aller Welt schon jetzt an die neuen klimatischen Gegebenheiten anpassen müssen. Bis zum Ende dieses Jahrhunderts könnten die Maiserträge um fast ein Viertel zurückgehen, während die Weizenerträge möglicherweise weltweit um etwa 17 % steigen.
„Wir stellen fest, dass die neuen Klimabedingungen die Ernteerträge in immer mehr Regionen erheblich beeinflussen. Die menschengemachten Treibhausgasemissionen führen zu höheren Temperaturen, veränderten Niederschlagsmustern und mehr Kohlendioxid in der Luft. Das hat Folgen für das Pflanzenwachstum. Wir sehen, dass in vielen wichtigen Kornkammern der Welt anormale Jahre schon innerhalb des nächsten Jahrzehnts oder kurz danach zu normalen Jahren werden. Für uns ist das der Zeitpunkt, an dem das Klimawandelsignal klar alles sonstige Rauschen übertönt“, erklärt der Hauptautor Jonas Jägermeyr, Klimawissenschaftler am Goddard Institute for Space Studies (GISS) der NASA, am Earth Institute der Columbia University in New York City und am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Das bedeutet, dass sich die Landwirte viel schneller anpassen müssen, indem sie zum Beispiel den Zeitpunkt der Aussaat verändern oder andere Pflanzensorten verwenden. So lassen sich schwere Verluste vermeiden, aber auch Gewinne erzielen, etwa in den höheren Breitengraden.“
Durch die Kombination einer Reihe neuer Klimaprojektionen und verschiedener aktualisierter Nutzpflanzenmodelle erstellte das Forscherteam, an dem auch Dr. Florian Zabel und Julia Maximiliane Schneider vom Department für Geopraphie der LMU maßgeblich beteiligt waren, das derzeit größte Ensemble künftiger Projektionen landwirtschaftlicher Erträge. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, stellten fest, dass es schon sehr bald und in sehr vielen wichtigen Anbauregionen zu erheblichen Veränderungen kommen wird.
Mais wird in vielen Regionen angebaut, darunter auch in subtropischen und tropischen Ländern, die von steigenden Temperaturen heftiger betroffen sein werden als kühlere Regionen der hohen Breiten. In Nord- und Mittelamerika, Westafrika, Zentral- und Ostasien könnten die Maiserträge in naher Zukunft um mehr als 20 Prozent zurückgehen. Bei Weizen hingegen, der am besten in gemäßigten Klimazonen gedeiht, könnte die Produktivität in den derzeitigen Anbauregionen unter dem Klimawandel steigen, so etwa in den nördlichen Vereinigten Staaten und Kanada sowie in China.
„Unsere Ergebnisse zeigen deutlich, dass Ertragsrückgänge durch den Klimawandel vor allem in ärmeren Ländern zu verzeichnen sind. Dadurch könnten sich bereits bestehende Unterschiede beim Anbau von Grundnahrungsmittel verschärfen und sich nachteilig auf den Wohlstand in diesen Regionen auswirken“, sagt Florian Zabel. Unter dem Strich werden die Zuwächse bei Weizen im globalen Norden die Verluste bei Mais im globalen Süden nicht ausgleichen. Den armen Ländern und natürlich den betroffenen Kleinbauern selbst fehlen oft die Mittel, sich ihre Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt zu beschaffen. Während einige im globalen Norden also von dem prognostizierten grundlegenden Wandel der landwirtschaftlichen Produktionsmuster profitieren dürften, könnte er in Regionen des globalen Südens zu einem Risiko für die Nahrungssicherung werden.
Die Temperatur ist nicht der einzige Faktor, der für künftige Ernteerträge von Bedeutung ist. Ein höherer Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre wirkt sich positiv auf das Pflanzenwachstum aus, insbesondere bei Weizen. Andererseits kann sich dadurch auch der Nährwert der Pflanzen verringern. Steigende globale Temperaturen stehen auch in Verbindung mit veränderten Niederschlagsmustern und der Häufigkeit und Dauer von Hitzewellen und Dürren, die die Gesundheit und Produktivität der Pflanzen gefährden. „Selbst unter optimistischen Klimaszenarien, bei denen alle sich heftig ins Zeug legen, um den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen, wird sich die globale Landwirtschaft einer neuen Klimarealität stellen müssen“, so Jägermeyr. (PIK/LMU)
Jägermeyr, J. et al.: Climate change signal in global agriculture emerges earlier in new generation of climate and crop models. Nature Food, 2021