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Kommunikationswissenschaft: Wie man Vertrauen in die Forschung vermittelt

09.12.2024

Seit Ende 2023 forscht Lars Guenther an der LMU zu den Themen Wissenschaftsjournalismus und Krisenkommunikation.

Porträt eines Mannes mit Bart und Glatze, in einem dunklen Sakko und weißem Hemd, vor einem unscharfen Hintergrund.

Prof. Dr. Lars Guenther | © LMU/jan greune

Blickt man auf das aktuelle Weltgeschehen – und wie Menschen darauf reagieren –, dann gewinnt man schnell den Eindruck, dass es an einigen Stellen ordentlich bröckelt: „Wir alle nehmen einen gefühlten Vertrauensverlust wahr – in soziale Eliten, die Politik, die Medien und auch in die Wissenschaft.“

Wie so viele spürt auch Professor Lars Guenther, dass da etwas zu erodieren scheint in unserer Gesellschaft. „Spätestens als Tausende auf die Straße gingen, um gegen Impfungen zu protestieren, wurde deutlich, dass sich hier etwas verändert.“

Wie groß ist dieses Misstrauen in Forschung und Wissenschaft inzwischen? Und woher kommt es? Guenther leitet ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Verbundprojekt, das sich mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Wissenschaft und digitalisierter Öffentlichkeit beschäftigt.

Warum schwindet das Vertrauen?

„Tatsächlich sehen wir in unseren Daten Indizien eines Vertrauensverlusts“, bestätigt der Kommunikationswissenschaftler, der seit Oktober 2023 Professor für Kommunikationswissenschaft mit den Schwerpunkten Krisen- und Risikokommunikation in digitalen Medienumgebungen an der LMU ist.

Aktuell versucht sein Team, die Ursachen dafür zu ergründen, und untersucht, wie man in der Wissenschaftskommunikation Vertrauenswürdigkeit und Seriosität vermitteln kann. Welche sprachlichen oder visuellen Indikatoren in einem Text-, Bild- oder Videobeitrag tragen dazu bei?

„Sobald wir solche Hinweise identifiziert haben, bringen wir sie mit Befragungsdaten zusammen, um herauszufinden: Wer setzt sich eigentlich welchen Medien aus? Wie berichten diese Medien über die Wissenschaft? Und kann uns das im Zeitverlauf etwas darüber aussagen, ob Vertrauensgewinn, Stabilität oder Vertrauensverlust stattfinden?“

In Zukunft will Guenther dabei auch das Thema KI stärker miteinbeziehen, das in diesem Zusammenhang eine zunehmend große Rolle spielt. Demnächst sei zu erwarten, dass Künstliche Intelligenzen in der Berichterstattung verstärkt zum Einsatz kommen – womöglich auch wenn es um wissenschaftliche Themen geht. „Dann müssen wir uns fragen, ob man in solchen Fällen noch dieselben Kriterien zur Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit anlegen kann.“

Churnalismus: Wissenschaftskommunikation am Fließband?

Während derartige Fragen immer drängender werden, steckt der Wissenschaftsjournalismus in der Krise: „In diesem Bereich gab es zahlreiche Jobverluste, und viele Aufgaben werden mittlerweile von Generalistinnen und Generalisten übernommen“, erklärt Guenther und „für diejenigen, die heute noch im Wissenschaftsjournalismus arbeiten, ist die Arbeitslast oft sehr hoch.“

So entstehe ein immenser Druck, aus dem heraus sich ein problematischer Trend entwickelt hat: Churnalismus. Die Wortneuschöpfung beinhaltet den englischen Begriff to churn, was so viel bedeutet wie am laufenden Band produzieren. „Churnalismus bezeichnet eine Art von Journalismus, bei dem Inhalte am Fließband produziert und ungeprüft übernommen werden“, so der Kommunikationswissenschaftler. „In unserem Team sprechen wir auch von Copy-and-Paste-Journalismus.“

Guenther leitet ein internationales, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziertes Projekt, das sich intensiv mit diesem Phänomen auseinandersetzt. Die Forschenden analysieren dabei Pressematerialien von mehreren deutschen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Dieses wissenschaftliche PR-Material vergleichen sie mit der darauf folgenden Berichterstattung, um den Grad der Übereinstimmung zu messen. Die Tendenz ist bereits klar erkennbar: „Wissenschaftliche Pressematerialien werden immer häufiger unverändert in die mediale Berichterstattung übernommen. Das Problem ist real und wir sind oft schockiert, welche Ausmaße es annimmt.“

Zunehmend bedeutsam: Vertrauenswürdig vermittelte Forschung

Wissenschaft zuverlässig und glaubwürdig an die Öffentlichkeit zu vermitteln, ist also aus einer Vielzahl von Gründen schwieriger geworden. Gleichzeitig sind viele aktuelle Themen in der Politik – nicht wenige davon Krisen internationaler Tragweite – stark mit der Wissenschaft verknüpft. Gute und als vertrauenswürdig empfundene Wissenschaftskommunikation trägt also dazu bei, dass sich Wählerinnen und Wähler eine fundiertere Meinung bilden und notwendige Maßnahmen mittragen können.

Als Guenther 2010 im Zuge seiner Promotion anfing, zu Evidenz im Wissenschaftsjournalismus zu forschen, musste er sich noch oft rechtfertigen: „Es kostete mich damals viel Mühe, jede Präsentation zunächst damit zu beginnen, zu erklären, warum das Thema relevant ist und warum ich es untersuche.“ Etwa ab 2017 kam der Klimawandel immer mehr in den Köpfen der Menschen an, dann kam die Pandemie. „Inzwischen muss ich niemandem mehr erläutern, warum meine Forschungsthemen relevant sind.“

Horizonte in der Krisenkommunikation erweitern

Nach Abschluss seiner Doktorarbeit zog es Lars Guenther ins Ausland. Er wählte dafür eine eher ungewöhnliche Destination: Südafrika. „In meinem Fach ist es eher üblich, in die USA zu gehen oder sich generell westlich zu orientieren. Dass jemand nach Afrika geht, sorgte durchaus für Verwunderung.“

Wenn er heute auf diese Phase seiner Laufbahn zurückblickt, war es für ihn eine, die ihn mit am meisten geprägt hat. „Ich ging dort zu Peter Weingart, der als einer der führenden Wissenschaftssoziologen weltweit gilt.“ Die soziologische Sichtweise habe seinen Horizont immens erweitert. „In dieser Disziplin läuft manches anders als in der Kommunikationswissenschaft. Wir saßen oft einfach zusammen und haben Themen ausgiebig diskutiert – daraus sind dann die wunderbarsten Ideen entstanden.“

Nach zwei Jahren in Südafrika ging es dann zurück nach Deutschland. Zunächst ging Guenther nach Hamburg und wechselte später nach einem kurzen Forschungsaufenthalt in Israel an das Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IfKW) der LMU. „Das IfKW ist in meinem Fachbereich das größte und erfolgreichste Institut in Deutschland. Hier Fuß zu fassen, ist ein echtes Privileg.“

Das liege nicht nur an der Größe und Bedeutung des Instituts, sondern auch am kollegialen Miteinander. „Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten sehr eng und wertschätzend zusammen und gönnen einander die Erfolge. Das gemeinsame Ziel steht im Mittelpunkt, und alle arbeiten daran, es zusammen zu erreichen. Das ist wirklich viel wert.“

Klimakrise alltagsnah und lösungsorientiert ansprechen

Einer von Guenthers Schwerpunkten ist die Kommunikation in Sachen Klimawandel. Eine Take-Home-Message, die er diesbezüglich hat: Nicht nur die katastrophalen globalen Dimensionen der Krise in den Vordergrund stellen. „Damit erzeugt man zwar Aufmerksamkeit, regt aber nicht unbedingt dazu an, aktiv zu werden.“

Effektiver wäre es, wenn zusätzlich die lokale Ebene und konkrete Handlungsmöglichkeiten in den Fokus gerückt werden. „Die Themen sollten zeitlich näher und im Alltagsleben verankert sein, sodass sie Berührungspunkte zum eigenen Leben haben. Auf diese Weise lässt sich das Publikum möglicherweise besser ansprechen und – wenn das das Ziel ist – zu klimafreundlichem Verhalten anregen.“

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