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LMU-Alumni im Porträt: Die Pioniere der Improvisation

14.05.2021

Die beiden LMU-Alumni Karin Krug und Andreas Wolf haben während ihres Studiums das fastfood Theater gegründet.

Theaterszene auf der Bühne

"Mir fällt immer etwas ein", sagt Karin Krug. "Wenn nicht, beginne ich eben mit dem Nichts." | © Volker Derlath

Karin Krug und Andreas Wolf haben in den letzten 30 Jahren das Improvisationstheater in Deutschland geprägt. Noch während ihres Theaterwissenschaftsstudiums an der LMU gründeten sie das fastfood Theater. Die Szenen auf der Bühne entstehen dabei spontan durch Zurufe aus dem Publikum. Das Konzept ist so erfolgreich, dass die beiden inzwischen nicht nur Studierende unterrichten, sondern auch Führungskräfte coachen. Selbst Corona konnte die Improvisationstalente nur kurz aufhalten.

Frau Krug, Herr Wolf, Sie sind Improvisationskünstler. Was wäre eine gute Einstiegsfrage für dieses Interview?

Karin Krug: (lacht) Wie es Geisteswissenschaftler geschafft haben, eine professionelle Improtheatergruppe auf die Beine zu stellen …

Andreas Wolf: … wo doch sonst nur aus den Naturwissenschaften ausgegründet wird.

Sind Sie im Alltag immer so schlagfertig?

Krug: Nein, wir sind auch manchmal sprachlos. Das gehört zum Leben dazu und ist auch gesund – egal ob auf der Bühne oder im Privatleben.

Wolf: Bei uns geht es mehr um Spontaneität als um „schlagen“ oder „zurückschlagen“. Wir versuchen alles, was jemand sagt, in etwas Konstruktives umzuwandeln.


Und wie kam es dazu, dass Geisteswissenschaftler eine Theatergruppe gründen?

Krug: Improtheater war zu unserer Studentenzeit nahezu unbekannt. Doch unser Dozent Christopher Balme, der jetzt den Lehrstuhl für Theaterwissenschaft an der LMU innehat, hat das als Kolloquium angeboten. Wir waren sofort begeistert, Improtheater gab uns allen so viele neue Impulse.

Wolf: Wir waren so voller Energie, dass wir mit anderen Studierenden nach dem Kolloquium eine eigene Theatergruppe gegründet haben. Nach dem Einstand auf der LMU-Studiobühne sind wir als fastfood Theater im Münchner Theater Heppel & Ettlich aufgetreten. Das ist jetzt 30 Jahre her.

Seitdem gab es über 4.000 Aufführungen in München und im Ausland. Würden Sie sich als Erfinder des Improtheaters in Deutschland bezeichnen?

Wolf: Wir haben es nicht erfunden, aber wir haben es geprägt. Ich habe 1994 die erste deutsche Magisterarbeit zu dem Thema geschrieben. Die Strömungen kamen vor allem aus dem anglophonen Raum. Viele Sachen, die wir entwickelt haben, wurden dann von anderen Improgruppen übernommen.

Krug: Wir sind die am meisten Kopierten (lacht). In den letzten fünf, sechs Jahren hat sich eine starke Dynamik entwickelt, aber wir sind die Pioniere. Und sind es immer noch. Die Pandemie hat uns wieder zurück in den Pionierstatus geworfen.

Die Corona-Krise wird Ihnen viel Improvisationstalent abverlangt haben.

Krug: Allerdings. Ich stand von heute auf morgen vor dem Nichts. Mein Mann ist Reiseleiter, dem ging es genauso. Außerdem habe ich mir Sorgen um die bereits engagierten Künstlerinnen und Künstler sowie unsere Festangestellten gemacht. Dann bin ich – das lernt man im Improtheater – in die sogenannte Krise gegangen. Nach zwei Wochen Angst, Wut und Selbstzweifeln habe ich mir überlegt, was wäre, wenn die Krise eine Chance ist und wir daraus etwas Neues kreieren. Daher haben wir unser Online-Improtheater „Die Kunst der Stunde“ genannt. Und tatsächlich funktioniert das genauso gut wie auf der Bühne vor Zuschauern.


Sie, Herr Wolf, lehren seit 2003 zusätzlich „Improvisation und Maskenspiel“ an der Bayerischen Theaterakademie. Wie sieht es mit Improvisation in den Theaterwissenschaften an den Universitäten aus?

Wolf: Improvisation wird im akademischen Kontext vor allem als Teil der Theaterpädagogik gesehen. Der eigenständige auch theoretische Wert der Improvisation wird nur hin und wieder in einzelnen Bachelor- und Masterarbeiten deutlich. Abseits der Theaterwissenschaften hat man den Wert der Improvisation hingegen längst erkannt. Beispielsweise unterrichte ich angehende Finanzbuchhalterinnen und Finanzbuchhalter an der Fachhochschule München, wie sie Zahlen und Entwicklungen so darstellen, dass es das Management versteht.

Krug: Ich werde immer wieder für Seminare an die Universitäten in München oder Augsburg geholt. Dabei sollen die Studierenden lernen, ihre Fähigkeiten im Bereich Spontaneität, Flexibilität und Kommunikation zu trainieren. Die Studierenden sind im Anschluss immer ganz begeistert. Leider werden diese Kompetenzen in den Schulen bisher völlig vernachlässigt.

Das merken auch immer mehr Unternehmen. Sie werden regelmäßig für Trainings und Coachings gebucht. Was können Führungskräfte und Angestellte dabei lernen?

Wolf: Mit Veränderungen umzugehen. Wenn sie nicht mehr an festen Strukturen festhalten, können sie flexibler und resilienter durchs Arbeitsleben gehen. Auch läuft in Unternehmen vieles nach einem vorgegebenen Weg ab. Wenn die Angestellten damit aber nicht ans Ziel kommen, haben sie ein Problem. Bei uns können die Menschen lernen, wie sie durch gestalterische Fähigkeiten auch anders zum Ziel kommen.

Krug: Egal ob Unternehmen oder Bühne: Ich muss es mir oder den anderen zutrauen. Die Strukturen in deutschen Unternehmen dienen aber dazu, keine Fehler zu machen – weil man es den Angestellten nicht zutraut. Wenn wir uns als Menschheit nichts zutrauen, werden wir auch nichts erreichen.

Hand aufs Herz: Haben Sie trotz Ihrer Fähigkeiten und Routine manchmal Angst vor einem Blackout auf der Bühne?
Krug: Mir fällt immer etwas ein. Wenn nicht, beginne ich eben mit dem Nichts. Wenn ich Panik hätte, würde ich eine Szene panisch beginnen. Was aber vielen Improgruppen zu schaffen macht: Dass man beim Improvisieren sein Inneres zeigt. Da braucht es viel Routine, um Angriffe auf die Figur auf der Bühne nicht persönlich zu nehmen. Ohne diese professionelle Haltung geht es nicht. Viele Improgruppen sind daranzerbrochen.

Gibt es einen Auftritt, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Wolf: Ja, eine Firmenweihnachtsfeier im Münchner Schlachthof. Das Problem war: Die Unternehmensleitung hatte gerade angekündigt, dass die Hälfte der Belegschaft entlassen wird. Da haben wir nach ein paar Minuten abgebrochen, weil keiner zugehört hat.

Das Interview erscheint aktuell im MünchnerUni Magazin. Mehr über die LMU und die Menschen, die hier studieren und arbeiten, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe.
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