LMU-Statistikerin: Big Data kann die Rolle der Menschen in Umfragen nicht ersetzen
01.07.2021
Wenn die Auswertung digitaler Daten an ihre Grenzen kommt, kann eine Befragungsmethode weiterhelfen, die auf die Wahrnehmung des Menschen setzt.
01.07.2021
Wenn die Auswertung digitaler Daten an ihre Grenzen kommt, kann eine Befragungsmethode weiterhelfen, die auf die Wahrnehmung des Menschen setzt.
Unmengen Daten stehen der sozialwissenschaftlichen Forschung heute zur Verfügung. Dennoch lassen sich manche gesellschaftlichen Entwicklungen schwer vorhersagen. Das gilt für den Ausgang von Wahlen ebenso wie für die Verbreitung von Viren, wie die Corona-Pandemie täglich vor Augen führt.
„Wir dürfen uns nicht rein auf die Auswertung digitaler Datenspuren verlassen. Der Mensch als Sensor sollte nicht übersehen werden, vor allem in Bereichen, die sich schlecht mit digitalen Verhaltensdaten erfassen lassen“, sagt Frauke Kreuter, Professorin für Statistik und Data Science in den Sozial- und Humanwissenschaften an der LMU. Manche sozialen Phänomene entwickeln sich auch so schnell oder unerwartet, dass Forscherinnen und Forschern gar nicht genug Zeit bleibt, ausreichend aktuelle passive Daten zu sammeln.
In einer aktuellen Veröffentlichung im Fachmagazin Nature zeigt die LMU-Statistikerin mit einem internationalen Autorenteam auf, wie entscheidend die Rolle der Befragung Einzelner auch in Zeiten von Big Data ist: „Man darf nicht aus den Augen verlieren, dass durch Umfragen wertvolle Zusatzinformationen gesammelt werden können.“
Dabei setzen die Forscherinnen und Forscher nicht nur darauf, dass Befragte Auskunft über sich selbst geben: „Die Möglichkeit, Einzelne nicht nur über sich selbst, sondern auch über ihre Umgebung zu befragen, wurde lange vernachlässigt.“ Es zahle sich aus, die einzelne Person als Sensor dafür einzusetzen, was in der eigenen Umgebung passiert.
Frauke Kreuter setzt diese Methode aktuell in dem globalen „Covid Trends & Impact Survey“ ein, mit dem die Entwicklung der Corona-Pandemie vorhergesagt wird. Seit April 2020 werden weltweit Daten erhoben, global wurden inzwischen über 55 Millionen Menschen befragt. Sie werden unter anderem gebeten, darüber Auskunft zu geben, ob in ihrem Umfeld jemand Symptome einer Corona-Erkrankung zeigt. „Das ist ein starker Prädiktor für die Entwicklung der Pandemie“, sagt Frauke Kreuter. Erste Ergebnisse wurden gerade als Preprint auf MedRxiv zur Verfügung gestellt.
„Entscheidend für den Einsatz von Menschen als Sensoren in sozialwissenschaftlichen Surveys ist die zufällig ausgewählte und kontrollierte Stichprobe der Befragten“, betont die LMU-Statistikerin.
Mirta Galesic et al: Human social sensing is an untapped resource for computational social science. Nature 2021