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Nervenzellen: Wie RNA-Granula wachsen und schrumpfen

23.05.2022

LMU-Wissenschaftler zeigen, dass kleine Aggregate als temporäre RNA-Speicher fungieren und an der Regulation der neuronalen Aktivität beteiligt sein könnten.

Nervenzelle

DDX6-Granula in einer Nervenzelle während der Reifung (oben) und einer reifen Nervenzelle (unten). | © K. Bauer/LMU

In welchem Ausmaß bestimmte Gene aktiv sind, muss von der Zelle permanent an spezifische Anforderungen angepasst werden. Dies gilt besonders für Nervenzellen, deren Synapsen immer wieder neu aufgebaut, verschaltet und umgebaut werden. Für diese Prozesse, ohne die etwa Lernen und Erinnern nicht möglich wären, werden Protein-Baupläne von Botenmolekülen (mRNAs) zur richtigen Zeit an den richtigen Ort gebracht. Bei der Regulation dieser komplexen Vorgänge spielen sogenannte RNA-Granula eine wichtige Rolle, kleine Aggregate aus verschiedenen RNA-Bindeproteinen und mRNA. Ein Team um den LMU-Zellbiologen Prof. Michael Kiebler berichtet nun im Journal Nature Communications, wie sich bestimmte RNA-Granula in Abhängigkeit von der neuronalen Aktivität verändern.

Die Forschenden untersuchten Granula, die das RNA-Bindeprotein DDX6 enthalten. Von diesem Protein war bereits bekannt, dass es ein essenzieller Baustein der Granula ist und die Translation – also die Umsetzung genetischer Information in Proteine – regulieren kann. „Wir haben DDX als Marker verwendet, um die Regulation dieser Granula unter physiologischen Bedingungen in Nervenzellen zu untersuchen“, sagt Karl Bauer, der Erstautor der Studie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten sowohl in Zellkulturen als auch im Tiermodell zeigen, dass die Größe dieser Granula während der Reifung der Nervenzelle geringer wird, ihre Zahl aber zunimmt. „Dies deutet darauf hin, dass sich die Granula auflösen und ihre Komponenten in der Zelle umverteilt werden“, sagt Bauer. „In einer unabhängigen Studie (back to back in der gleichen Ausgabe) unserer Kooperationspartner um Prof. Florence Besse aus Nizza gelang zudem der Nachweis, dass diese RNA-Granula im weiteren Verlauf eines lebenden Organismus bis hin zum physiologischen Altern wichtige Funktionen übernehmen."

Granula als temporäre RNA-Speicher

Im Verlauf der Reifung von Nervenzellen nimmt deren synaptische Aktivität exponentiell zu, die Forscher vermuteten daher einen Zusammenhang zwischen der neuronalen Aktivität und der Größe der RNA-Granula. Weitere Experimente bestätigten dies: Wurden die Zellen stimuliert, verkleinerten sich die Granula, bei gedrosselter synaptischer Aktivität vergrößerten sich diese wieder. Zudem entdeckten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, dass ein weiteres RNA-Bindeprotein – Staufen2 – bei der Bildung der Granula ebenfalls eine Rolle spielt: Ohne Staufen2, das unter anderem am mRNA-Transport in der Zelle beteiligt ist, wurden die Granula auch bei gedrosselter Aktivität nicht wieder größer. Außerdem war auch die Zufuhr von RNA in die Granula nötig, um auch bei gedrosselter Aktivität zu wachsen.

Zusammengenommen schließen die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen, dass DDX6-RNA-Granula als temporärer „RNA-Speicher“ fungieren und an der Regulation der neuronalen Aktivität beteiligt sind: Spezifische mRNAs könnten von Staufen2 zu den Granula gebracht und dort in einem inaktiven Zustand gehalten werden, bis sie bei Bedarf freigesetzt werden. Die Autoren gehen davon aus, dass mRNAs auch in anderen Zelltypen durch die Bildung von Granula reguliert werden. Die hier gewonnenen Ergebnisse tragen daher langfristig zu einem ersten mechanistischen Verständnis bei, wie Zellen auf äußere und innere Einflüsse reagieren, indem sie mRNAs und deren Translationen sowohl zeitlich wie räumlich regulieren.

Karl E. Bauer, Niklas Bargenda, Rico Schieweck, Christin Illig, Inmaculada Segura, Max Harner & Michael A. Kiebler: RNA supply drives physiological granule assembly in neurons. Nature Communications 2022

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