Im Austausch sein, Ideen transportieren und weiterentwickeln: Netzwerkerin Anja Merl über die Kunst, in der Wissenschaft karrierefördernde Kontakte zu knüpfen. Zum Beispiel am Postdoc Career Day am 7. Juli 2023.
Diplom-Ökonomin Anja Merl berät als Business Coach Unternehmen, Institutionen und Selbstständige zum Thema Aufbau und Pflege nachhaltiger Wirtschaftskontakte. Beim Postdoc Career Day der LMU am 7. Juli bietet sie den Workshop „Starting successful networks“ an.
Wozu brauchen Forschende ein Netzwerk – reicht es nicht, fachlich zu überzeugen?
Anja Merl: Ein profundes Netzwerk – um Drittmittel zu akquirieren, gemeinsame Publikationen zu veröffentlichen oder eine Stelle zu finden – ist heute unabdingbar. Es ist etwas ganz anderes, ob ich alleine arbeite oder ob ich mit anderen vernetzt agiere. Ein Netzwerk ist ein wichtiges Forum, in dem man anerkannt, wahrgenommen und konstruktiv hinterfragt wird. Dies unterstützt bei der Generierung eigener Ideen sowie der persönlichen Entwicklung.
Wo fangen Nachwuchsforschende beim Aufbau eines Netzwerks an?
Für den Aufbau ist eine individuelle Netzwerk-Strategie erforderlich und mit den dafür relevanten Personen und Institutionen projektspezifisch zu entwickeln. Die Basis bilden die Netzwerke des Doktorvaters oder der Doktormutter, des Lehrstuhls sowie der Fakultät. In diese gilt es hineinzuwachsen.
Zum Beispiel ist es wichtig, Einladungen zu Abendessen im Kreis der anderen Promovierenden oder Habilitierenden anzunehmen, um in einen direkteren Austausch zu kommen. Netzwerken lässt sich immer und überall – auch fakultätsübergreifend. Oft gibt es einen Anwendungsbereich für eine Forschungsidee in einem anderen Fach oder einer Nebendisziplin. Diese Erkenntnis entsteht womöglich erst durch Gespräche auf Fachtagungen oder Kongressen. Es kann auch ratsam sein, eine Idee nach außen zu tragen – zum Beispiel auf Karrieremessen wie dem Career Day oder Business- und Fachtagungen. Karrierefördernde Kontakte werden meist durch gezielte Empfehlungen geknüpft.
Netzwerken findet auch im Kleinen, im Alltäglichen statt. Es muss nicht immer dieses eine große Ziel sein: der Kontakt zu einem führenden Experten, die Empfehlung für einen Traumjob.
Anja Merl
#EXCELLerate and connect! Der LMU Postdoc Career Day 2023
Wie geht man vor, wenn eine passende Person identifiziert ist?
Dann heißt es, mutig den ersten Schritt zu tun. Entsprechend den persönlichen Vorlieben greift der eine eher zum Telefonhörer, andere schreiben lieber eine E-Mail oder sprechen den Adressaten direkt auf einer Veranstaltung an. Social Media sind eine elementare Ergänzung in der persönlichen Ansprache – etwa mit akademischen Plattformen wie ResearchGate, Academia.edu oder Mendeley. Zusätzlich können Forschende auf Twitter je nach Thema Reichweite erzielen, auf Instagram durch Hashtags direkte Verbindungen zu anderen aufbauen oder auf LinkedIn eine gewünschte Person gezielt ansprechen.
Netzwerken findet auch im Kleinen, im Alltäglichen statt. Es muss nicht immer dieses eine große Ziel sein: der Kontakt zu einem führenden Experten, die Empfehlung für einen Traumjob. Es kann auch das freundliche Hallo zum Hausmeister sein, der übermorgen vielleicht den Zugang zu bestimmten Ressourcen ermöglicht. Denn Networking lebt von der Anerkennung und Wertschätzung, dem Aufbau von Vertrauen, dem Geben und Nehmen.
Die Sensibilität, den eigenen Forschungsinhalt mit verständlichen Worten zu transportieren, ist unerlässlich. Denn Networking lebt davon, dass man Themen adressatengerecht formuliert.
Anja Merl
Und wie bringe ich meine Idee an den Mann oder an die Frau?
Es braucht beim Netzwerken Fingerspitzengefühl und gute Kommunikations-Skills. Dabei geht es um das Miteinander und nicht um höher, schneller, weiter. Die Sensibilität, den eigenen Forschungsinhalt mit verständlichen Worten zu transportieren, ist dafür unerlässlich. Denn Networking lebt davon, dass man Themen adressatengerecht formuliert.
Beim Netzwerken gilt es, Vertrauen aufzubauen, durch Kontinuität und Verlässlichkeit.
Welche Fehler sollte man vermeiden?
Man sollte nicht zu negativ auf andere zugehen. Die Sensibilität für positives Formulieren ist für erfolgreiches Netzwerken wichtig. Denn im positiven Modus erreicht man andere leichter.
Ein weiterer Fehler ist es, allzu dominant aufzutreten. Beim Netzwerken geht es um das Miteinander auf Augenhöhe und um das Interesse am Gegenüber.
Hat das Netzwerken in den letzten Jahrzehnten an Bedeutung gewonnen?
Unbedingt. Netzwerken wird auch in der Wissenschaft immer wichtiger und ist schon fast verpflichtend. So rückt der „Wir“-Gedanke verstärkt in den Vordergrund. Überwogen in der Vergangenheit sogenannte Old Boys‘ Clubs, also geschlossene Gesellschaften, deren Mitglieder einander den Steigbügel hielten, sind Netzwerke heute weiter gefasst. Und in gewisser Weise gerechter, weil sie einen offeneren Zugang zu bestimmten Personen oder Kreisen bieten – auch international und interkulturell.
Inwiefern gibt es beim Netzwerken interkulturelle Unterschiede?
Je nach Nationalität gelten unterschiedliche Etikette-Regeln, auf die man sich vorbereiten kann. Trotzdem sollte man sich davon nicht allzu sehr unter Druck setzen lassen und authentisch bleiben. Denn ein wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe wird immer zielführend sein.