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Organische Synthesen: Neue Chemie für alte Enzyme – und ein Dogma wankt

09.04.2025

LMU-Forschende haben einen neuartigen Kofaktor entwickelt, der sogenannte Methyltransferasen für zahlreiche chemische Reaktionen nutzbar macht – mit großem Potenzial für Forschung und Anwendung.

Werkzeuge für Biotechnologie, Medizin und Pharmazie geschärft: Chemikerin Andrea Rentmeister | © Andres Chuquisengo / LMU

Enzyme sind hochspezifische Werkzeuge der Natur. Sie ermöglichen chemische Reaktionen unter milden Bedingungen und mit beeindruckender Präzision. Dazu gehören sogenannte Transferasen, die Kohlenstoffketten, sogenannte Alkylgruppen, auf Zielmoleküle übertragen. Bislang galten wichtige Vertreter dieser Enzyme – Methyltransferasen und Prenyltransferasen – als separate Enzymklassen, da sie unterschiedlich lange Alkylgruppen (mit einem beziehungsweise fünf Kohlenstoffatomen, C1 bzw. C5) übertragen und auf verschiedene Kofaktoren angewiesen sind.

Ein Team unter Federführung von Professorin Andrea Rentmeister vom Department Chemie der LMU hat nun einen hybriden Kofaktor entwickelt, der Merkmale beider Systeme (S-Adenosyl-L-methionin (SAM) und Dimethylallyldiphosphat (DMAPP)) kombiniert und damit breiter nutzbar ist: Die chimäre Verbindung wird überraschend gut von verschiedensten Methyltransferasen akzeptiert und führt bevorzugt zu einer sogenannten Prenylierung, also zur Übertragung größerer Alkylgruppen. Darüber berichten die Forschenden jetzt in Chem.

Chemische Methoden der Alkylierung sind nicht selektiv genug

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Zum Hintergrund: „Die Alkylierung ist eine wichtige Strategie, um chemische und biologische Eigenschaften von kleinen Molekülen, Lipiden, Nukleinsäuren und Proteinen zu beeinflussen“, sagt Rentmeister. „Strategien für eine selektive Alkylierung sind deshalb in der Forschung und Anwendung extrem wichtig.“

Zwar lassen sich Biomoleküle chemisch alkylieren, mithilfe von Verbindungen wie etwa den Alkylhalogeniden. Nur sind solche Reaktionen nicht sehr selektiv: ein Problem bei komplexen Molekülen. Alkylierende Enzyme – sozusagen auf dem biologischen Weg – hingegen erweisen sich als hochselektiv.

Wollten Forschende bislang biotechnologisch die wichtigen Prenylgruppen auf Biomoleküle übertragen, standen dafür nur Prenyltransferasen zur Verfügung. Die aktuelle Arbeit schafft neue Möglichkeiten. Zuerst haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen chimären Cofaktor gebaut. „Wir konnten zeigen, dass eine Kofaktor-Chimäre aus DMAPP und AdoMet sogenannte Methyltransferasen in Prenyl-übertragende Enzyme verwandeln kann“, sagt Rentmeister. Die Forschenden machten es sich dabei zunutze, dass die grundlegende chemische Reaktion unabhängig von der Länge des zu übertragenden Alkylrests gleich ist und sich natürlicherweise nur durch den Kofaktor der Enzyme unterscheidet.

Methyltransferasen, die normalerweise Methylgruppen auf Moleküle übertrugen, taten dies in Anwesenheit des chimären Cofaktors AdoPrenyl mit Prenylgruppen mit der gleichen Spezifität. Rentmeisters Team hat gezeigt, dass durch modifizierte Kofaktoren etwa Ketten mit zehn oder 15 Kohlenstoffatomen an verschiedene Biomoleküle gebunden werden.

Neue Impulse für Grundlagenforschung und Anwendung

Besonders bemerkenswert: „Der Nachweis, dass natürlich vorkommende Methyltransferasen Prenylgruppen übertragen können, widerspricht der bisherigen Lehrbuchmeinung einer strikten Trennung von C1- und C5-übertragenden Enzymklassen“, sagt die Wissenschaftlerin. Damit würde ein fundamentales Dogma der Enzymchemie aufgeweicht – mit neuen Fragen hinsichtlich der zugrunde liegende Reaktionsmechanismen.

Eine wichtige Perspektive des neuen Prinzips sieht Rentmeister Anwendungen in der Proteinchemie. Die gezielte Veränderung von Proteinen mit längerkettigen Alkylgruppen kann ihre biologische Aktivität und ihre Lokalisation in der Zelle verändern oder ihre Erkennung durch andere Moleküle beeinflussen. Das macht Alkylierungen zu einem wichtigen Werkzeug in der Biotechnologie, der Medizin und der Pharmazie.

Nicolas V. Cornelissen, Arne Hoffmann, Pulak Ghosh, Yanis L. Pignot, Mehmet Erguven, Andrea Rentmeister: Chimeric cofactors enable methyltransferase-catalyzed prenylation. Chem, 2025

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