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Ort der Synergien

16.06.2019

Jahrelang hat Jochen Feldmann den Bau des neuen Nano-Instituts vorangetrieben. Im Interview spricht er über die Philosophie des neuen Hauses.

Das neue Nano-Institut wird jetzt offiziell eröffnet. Wann tauchte die Idee dazu erstmals auf?

Jochen Feldmann: Der Gedanke, die Forschung auf dem Gebiet der Energieumwandlung zu forcieren und zu bündeln, kam schon vor zehn Jahren auf. Wir hatten darüber mit Kollegen aus der Münchner Nano-Szene immer wieder diskutiert und festgestellt, dass dafür aber neue Instrumente und Labors sowie die Anwerbung weiterer hochkarätiger Forschungsgruppen nötig wären. Und so etwas braucht Platz. In den zwar schönen, aber beengten alten Gemäuern der Amalien- und Schellingstraße war dieser Platz nicht so einfach zu finden. Wirklich konkret wurde die Idee mit dem neuen Gebäude, als die LMU uns einen neuen Lehrstuhl für Energieforschung bewilligte. Fast zur gleichen Zeit kam der Aufruf der Bayerischen Staatsregierung, überzeugende Projektideen für die Energiewende einzureichen. Daraus ist unser Forschungsnetzwerk „Solar Technologies Go Hybrid“, kurz SolTech, entstanden. Seit 2012 arbeiten sogenannte Key Labs an fünf bayerischen Standorten zusammen. In diesem Rahmen war es möglich, ein Forschungsgebäude in Würzburg und das Nano-Institut an der LMU zu finanzieren.

Prof. Dr. Jochen Feldmann

© Jan Greune / LMU

Das heißt, dieser SolTech-Verbund war für das Institut eine Art Initialzündung?

SolTech stärkt die Forschungsinfrastruktur und schafft exzellente Rahmenbedingungen nicht zuletzt für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Hier in München können die Key Labs von LMU und Technischer Universität daher eine ganze Reihe gemeinsamer Projekte und Veröffentlichungen vorweisen. Dies hat letztlich auch die DFG-Gutachter davon überzeugt, dem Exzellenzcluster e-conversion auf dem Gebiet der Energieumwandlung den Zuschlag zu geben. Es ist bemerkenswert, dass dieser Cluster im Wesentlichen von universitären Forschungsgruppen getragen wird.

Wie würden Sie das Gesamtkonzept des Nano-Instituts beschreiben?

Funktionelle Nanostrukturen für die solare Energieumwandlung lassen sich prinzipiell auf zwei Arten herstellen: einmal durch chemische Synthese und Ausnutzen von Phänomenen der Selbstorganisation. So gehen wir an meinem Lehrstuhl vor, man nennt das „bottum-up“. Andererseits kann die sogenannte Nanofabrikation mittels Lithographie eingesetzt werden, das nennt man „top-down“. Mit dieser zweiten kunstvollen Methode arbeitet mein neuer Kollege Stefan Maier, der Inhaber des zweiten Lehrstuhls am Nano-Institut ist. Er geht dabei ähnlich wie bei der Herstellung von Halbleiterchips vor, nur dass er die Masken- und Belichtungstechniken auf kleinster Skala anwendet. An der Nahtstelle dieser beiden methodischen Welten entstehen ganz neue technologische Möglichkeiten, optische, elektrische und katalytische Prozesse zu steuern oder zu beschleunigen. Diese sehr besondere Philosophie macht das Nano-Institut aus.

Sie selbst erforschen unter anderem die solarbetriebene Spaltung von Wasser. Was macht die Photokatalyse zu einem Hoffnungsträger der Energiewende?

Elektrische Energie, gewonnen auch aus Wind und Solarzellen, kann man heute elektrolytisch in chemische Energie umwandeln, zum Beispiel in Wasserstoff oder Methan. So erhält man CO2-neutral einen gasförmigen Brennstoff, der keine Speicherprobleme macht. Unser Ansatz, die Photokatalyse, erlaubt es, rein solar getrieben Wasserstoff und Methan – ohne den Umweg über die elektrische Energie – zu erzeugen. Dabei spaltet man Wasser oder reduziert CO2.

Wie weit ist die Forschung aktuell bei der künstlichen Photosynthese?

Meist geht man davon aus, dass die Natur solche Prozesse am besten beherrscht. Was die Effizienz angeht, ist das aber nicht ganz so. Für natürliche Pflanzen ist es offensichtlich nicht unbedingt eine Überlebensstrategie, Lichtenergie mit besonders hoher Effizienz in biochemische Energie umzuwandeln. Bei der natürlichen Photosynthese liegt die Effizienz meistens unter einem Prozent. Nur wenn man Pflanzen wie den Mais genetisch modifiziert, kommt man auf fünf bis acht Prozent. Für kombinierte Systeme aus einfachen Solarzellen und anschließender Elektrolyse liegt die Gesamteffizienz derzeit bei etwa neun Prozent. Bei der Photokatalyse erreichen wir bisher drei Prozent.

In welchen Bereich hofft man vorstoßen zu können? Gibt es eine theoretische Grenze?

Ziel ist es, besser als die Kopplung von Solarzelle und Elektrolyse zu werden. Bei einer praktischen großflächigen Umsetzung zählen aber letztlich Systemfragen wie Komplexität, Kosten und vor allem der Zeitraum, in dem sich der energetische Aufwand zur Produktion einer entsprechenden Anlage amortisieren würde. Beispielsweise liegt das Effizienzlimit einer einfachen Solarzelle bei etwa 30 Prozent, legt man die Solarzelle als komplexere und kostenintensivere Tandem-Solarzelle aus, sind mehr als 40 Prozent möglich. Diese verwendet man zum Beispiel bei Satelliten, wo der Preis eine untergeordnete Rolle spielt. So ähnlich wird es auch bei der Photokatalyse sein. Man muss sich überlegen, wofür man das verwendet.

Sie experimentieren mit Katalysatoren auf Basis von Halbleiternanopartikeln. Was steckt in diesen kleinen Teilchen?

Wir arbeiten mit chemisch hergestellten Halbleiter-Nanokristallen. Diese bieten eine Reihe interessanter Möglichkeiten. Nutzt man etwa Quanteneffekte aus, lassen sich die Nanokristalle spektral abstimmen. Die Nanokristalle haben zudem in Relation zu ihrem Volumen sehr große Oberflächen, ein entscheidender Vorteil bei katalytischen Prozessen. Außerdem sind sie chemisch leicht modifizierbar, so dass man verschiedene Dinge anhängen kann, um sie katalytisch zu funktionalisieren.

Die Wechselwirkung von Nanosystemen mit Licht – das ist der gemeinsame Fokus all ihrer Forschungsarbeiten. Welche Anwendungsbereiche neben der Energieumwandlung sehen Sie?

Für maßgeschneiderte Nanosysteme gibt es eine Vielzahl von Anwendungen von der Datenübertragung über die Sensorik bis hin zur medizinischen Diagnostik.

© Jan Greune / LMU

Vielversprechend sind neue optoelektronische Bauteile, etwa für Displays oder Beleuchtungselemente. Leuchtende Nanokristalle wie hauchdünne Perowskit-Nanokristalle sind billig und für LEDs geeignet. Wie weit sind solche Ansätze von der Anwendung entfernt?

Moderne Displays benutzen bereits erste Halbleiter-Nanokristalle zur Erzeugung eines maximalen Portfolios an Farbeindrücken. Diese sind aber noch toxisch und nicht wirklich elektronisch integriert, sondern sie werden optisch angeregt. Nanokristalle zu entwickeln, die man elektrisch ansteuern kann, ist ungleich schwieriger. Da gibt es weltweit große Anstrengungen, auch wir sind hier im Rahmen eines vom Bundesforschungsministerium finanzierten Projekts zusammen mit der Industrie aktiv.

Ihr Kollege Stefan Maier und Sie arbeiten an ähnlichen Fragen mit durchaus unterschiedlichen Methoden. Wie ergänzen Sie sich?

Die Forschung von Stefan Maier zielt darauf ab, die Kopplung des Lichts mit Nanostrukturen zu modifizieren, während wir uns darauf konzentrieren, wie sich elektronische Anregungen nach der Lichtanregung in den Nanostrukturen zeitlich entwickeln. Bei solaren Energieumwandlungen spielen beide Aspekte eine entscheidende Rolle. Das ist eine weitere Synergie, die wir am Nano-Institut ausnutzen möchten.

Kann das Nano-Institut mit seiner inhaltlichen Struktur zu einer Art Katalysator für das Forschungsgebiet werden?

Das Nano-Institut mit seinem klaren Fokus kann entscheidende Fragen der Energieumwandlung mit einer besonderen Innovationskraft bearbeiten. Und dass unsere beiden Gruppen jetzt zusammen in einem sehr gut ausgestatteten Gebäude zusammenarbeiten, erzeugt natürlich auch international große Aufmerksamkeit.

Neben Ihrer Arbeit als Physiker haben Sie die Aufgabe des Baubeauftragten für das neue Institut wahrgenommen. Wie macht man sich dafür fit?

Lassen Sie mich so antworten: In der Experimentalphysik ist man ständig damit beschäftigt, mit Unzulänglichkeiten der Räumlichkeiten zu kämpfen, in denen die Labors untergebracht sind. Und die Lösungen sind nicht immer für alle Experimente, die einem vorschweben, zufriedenstellend. Verglichen damit ist die Rolle des Baubeauftragten für ein neues Gebäude geradezu befreiend.

Was war das Besondere an der Planung des Nano-Instituts?

Hier soll sehr interdisziplinäre Forschung stattfinden. Dafür brauchen wir ganz unterschiedliche Ausstattungen: chemische Syntheselabore, Labore für moderne Elektronenmikroskopie und Laserspektroskopie sowie solare Experimentieraufbauten. Auch ein hochkomplexer Reinraum für die Nanofabrikation war notwendig. Darüber hinaus ist es gelungen, die Architektur so interessant zu gestalten, dass kreatives und kommunikatives Arbeiten geradezu suggeriert wird.

Wie haben Sie sich auf die Zusatzaufgabe vorbereitet?

Vielleicht hat mir geholfen, dass ich vorher Baubeauftragter für mein privates Haus war und dass ich aus einer Familie im Sauerland stamme, in der man Häuser nicht nur selbst geplant, sondern auch eigenhändig gebaut hat. Beim privaten Hausbau, läuft man in der Bauphase auch ständig durch und schaut, ob alles so wird, wie man sich das vorgestellt hat. Das hier hat zwar eine andere Größenordnung, aber meine privaten Erfahrungen haben meinen Blick geschärft.

Wo mussten Sie am meisten Weitblick in der Planung beweisen?

Ein grundsätzliches Problem war, dass selbst nach Fertigstellung des Rohbaus und auch einige Zeit danach noch nicht klar war, wer den zweiten Lehrstuhl im Gebäude leiten würde. Wir haben versucht, nur so viel konkrete Planung für den zweiten Lehrstuhl zuzulassen, wie von den Architekten und vom Bauamt unbedingt eingefordert wurde. Andererseits gab es ja eine Philosophie, welche Synergien das Gebäude zulassen sollte.

Sie kühlen einen Teil Ihrer Experimente mit Helium. Warum war es eine besondere Herausforderung, die Versorgung mit dem Gas zu planen?

Um tiefe Temperaturen nahe dem Nullpunkt zu erreichen, setzt man flüssiges Helium ein. Gängige Systeme zur Heliumversorgung, wie wir sie auch in der Amalien- und Schellingstraße hatten, sind extrem kostspielig und benötigen aufwendige Recyclingvorrichtungen. Wir mussten zum Beispiel gasförmiges Helium, das bei den Experimenten anfällt, möglichst verlustfrei auffangen und nach Garching ans Walther-Meißner-Institut befördern, um es dort wieder verflüssigen und per LKW zurück in die Stadt bringen zu lassen. Auf diese komplexe Logistik haben wir am neuen Institut komplett verzichtet, wir arbeiten mit einem geschlossenen Kreislauf ähnlich wie bei einem Kühlschrank. Wir haben hier schon bei der Planung auf eine sich erst entwickelnde Technologie gesetzt, die glücklicherweise heute konkurrenzfähig ist und mit minimalen Mengen an Helium auskommt.

Auf welche Weise gibt ein moderner Institutsbau der Forschung einen neuen Schub?

In dem neuen Gebäude haben wir ganz neue technologische Möglichkeiten und können Ideen umsetzen, die wir früher so einfach nicht hätten realisieren können. Weiterhin optimiert man viele experimentelle Aufbauten, wenn man diese in einem neuen Institut wieder installiert. So bekommt jedes Experiment eine Art Frischzellenkur.

Prof. Dr. Jochen Feldmann ist Leiter des Lehrstuhls für Photonik und Optoelektronik an der LMU und Baubeauftragter für das neue Nano-Institut.

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