Paläontologie: Ur-Delfin hörte hohe Töne
05.11.2024
Ein Team um die Paläontologin Gertrud Rößner hat eine neue urtümliche Delfinart entdeckt. Das Tier besaß ein ausgezeichnetes Hörvermögen im Hochfrequenzbereich – ähnlich dem moderner Delfine.
05.11.2024
Ein Team um die Paläontologin Gertrud Rößner hat eine neue urtümliche Delfinart entdeckt. Das Tier besaß ein ausgezeichnetes Hörvermögen im Hochfrequenzbereich – ähnlich dem moderner Delfine.
Der flache Meeresarm, in dem sich Romaleodelphis pollerspoecki vor rund 22 Millionen Jahren zur Zeit des Miozän tummelte, gemeinsam mit vielen anderen dort lebenden Organismen, so zum Beispiel verschiedenen Einzellern, Algen, Muscheln, Schnecken, Tintenfischverwandten und Fischen, erstreckte sich etwas nördlich der gerade entstehenden Alpen. Das erste und bisher einzige Fossil des urtümlichen Delfins stammt aus einer Fundstelle nahe Linz in Oberösterreich. Forscherinnen und Forscher aus München von der LMU und der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) sowie aus Frankfurt vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum identifizierten den Delfin als neue, bisher unbekannte Art und Gattung und gaben ihm seinen wissenschaftlichen Namen.
„Übrig von Romaleodelphis pollerspoecki ist nur sein nicht ganz vollständiger Schädel mit einer langgezogenen Schnauze und 102 gleichförmigen Zähnen”, berichtet Erstautorin Catalina Sánchez Posada, die das Fossil im Rahmen ihrer Masterarbeit an der LMU untersuchte. Das Tier gehört zur Gruppe der Zahnwale, unterscheidet sich allerdings deutlich von allen bisher bekannten ursprünglichen Vertretern. Vergleiche und eine aufwendige computerbasierte Analyse der Verwandtschaftsverhältnisse mit anderen fossilen Delfinen ergaben, dass Romaleodelphis wohl verwandt war mit den heute ausgestorbenen, sehr urtümlichen Delfinen der sogenannten Chilcacetus-Linie. „Die bisherigen Fossilien dieser Delfinlinie stammen alle aus dem nordöstlichen Pazifik sowie von den Küsten Südamerikas. Die Entdeckung von Romaleodelphis pollerspoecki als womöglicher Verwandter dieser Linie aus Europa könnte neue Erkenntnisse über deren Evolution und Ursprung im frühesten Miozän liefern“, sagt Privatdozentin Dr. Gertrud Rößner, Kuratorin für fossile Säugetiere an der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie (SNSB-BSPG) mit Lehrauftrag an der LMU und Seniorautorin der Studie.
Der 22 Millionen Jahre alte Schädel ist stark zusammengedrückt, was die Untersuchung der Schädelanatomie besonders schwierig macht. Computertomographische Aufnahmen, die in der Klinik und Poliklinik für Radiologie am Klinikum der LMU angefertigt wurden, ermöglichten aber dennoch die Analyse innen liegender Merkmale.
Bemerkenswerte Ergebnisse lieferte insbesondere die anatomische Rekonstruktion des Innenohrs des Fossils mithilfe mikro-computertomographischer Aufnahmen. „Die Form des gut erhaltenen knöchernen Labyrinths im Schädelinneren deutet darauf hin, dass Romaleodelphis pollerspoecki die Fähigkeit besaß, Hochfrequenzsignale zu hören“, erklärt Koautorin Dr. Rachel Racicot vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum Frankfurt. Damit ist dieser Delfin einer der ältesten bekannten Zahnwale, die über einen Gehörsinn verfügten, wie er heute beispielsweise bei den Schweinswalen zu finden ist. Diese Tiere können in Frequenzbereichen kommunizieren, die außerhalb des Hörvermögens ihrer Fressfeinde liegen. Eventuell besteht auch ein Zusammenhang in der Entwicklung mit der Delfin-typischen Fähigkeit zur Orientierung mittels Echoortung.
Gefunden wurde das Delfinfossil bereits 1980 durch den Privatsammler Jürgen Pollerspöck, der es später zur Präparation und Aufbewahrung an die Bayerische Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München übergab. Die Arbeit erschien nun in der Fachzeitschrift Journal of Vertebrate Paleontology.
Catalina Sanchez-Posada, Rachel A. Racicot, Irina Ruf, Michael Krings & Gertrud E. Rössner: Romaleodelphis pollerspoecki, gen. et sp. nov., an archaic dolphin from the Central Paratethys (Early Miocene, Austria). Journal of Vertebrate Paleontology 2024