Pflanzen unter Extrembedingungen: Überleben in der Wüste
18.03.2025
Julia Bechteler, neuberufen an die LMU, untersucht die Diversität und Anpassungsfähigkeit von Moosen und Wüstenpflanzen.
18.03.2025
Julia Bechteler, neuberufen an die LMU, untersucht die Diversität und Anpassungsfähigkeit von Moosen und Wüstenpflanzen.
In der Atacama- oder der Namib-Wüste zu überleben, ist eine enorme Herausforderung. Wie Pflanzen es schaffen, der Hitze und dem Wassermangel in diesen extremen Umwelten zu trotzen, ist eine der zentralen Fragen, mit denen sich Julia Bechteler beschäftigt. Die Biologin ist seit April 2024 Professorin für Phylogenomik und Systematik der Pflanzen oder Pilze an der LMU. Im Zentrum ihrer Forschung stehen die Biodiversität von Pflanzen, insbesondere von Moosen und Wüstenpflanzen, sowie die genetischen Mechanismen, mit denen sich Pflanzen an ihre Lebensräume anpassen.
Prof. Dr. Julia Bechteler | © Carolin Bleese
Mit ihrer Berufung an die LMU kehrt Julia Bechteler zurück an den Ausgangspunkt ihrer beruflichen Karriere: Hier studierte sie ursprünglich Biologie und Chemie für das Lehramt an Gymnasien. Nach dem Staatsexamen entschied sie sich jedoch, ihrer Begeisterung für die Wissenschaft zu folgen.
„Pflanzen mit ihrer ganzen Vielfalt haben mich schon seit der Kindheit fasziniert“, erzählt sie. Bereits während ihrer Abschlussarbeit entdeckte sie ihre Freude an der Laborarbeit und der internationalen Forschungsatmosphäre. Daher promovierte sie am Botanischen Institut der LMU. Anschließend folgten Stationen als Postdoktorandin an der Universität Bonn und als Juniorprofessorin für Biodiversität und Ökologie der Pflanzen an der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU), bevor sie dem Ruf an die LMU folgte.
Pflanzen mit ihrer ganzen Vielfalt haben mich schon seit der Kindheit fasziniert.Julia Bechteler
Bereits während ihrer Promotion begann Bechteler, sich intensiv mit Moosen zu beschäftigen. Diese uralte Pflanzengruppe ist nicht nur extrem vielfältig, sondern auch in fast allen Ökosystemen der Erde vertreten und übernimmt dort zentrale Funktionen. Im Rahmen einer internationalen Studie konnte die Biologin kürzlich die Verwandtschaftsverhältnisse der Moose mithilfe phylogenomischer Stammbäume neu aufrollen. Dabei stellte sie fest, dass Moose auch heute noch erstaunlich wandlungsfähig sind: „Die heutige Diversität der Moose ist überraschend jung“, erklärt sie und führt weiter: „Mit meinem Team bin ich gerade dabei, diese jungen Artbildungs- und Ausbreitungsereignisse genetisch und ökologisch zu untersuchen.“ Möglicherweise handelt es sich bei den Moosen um eine Pflanzengruppe, die sich relativ rasch an neue Umweltbedingungen anpassen kann.
„Die Wüstenpflanzen in der Atacama und der Namib kamen dann in meiner Postdoc-Zeit dazu“, erzählt Bechteler. „Das Institut für Biodiversität der Pflanzen der Universität Bonn, an dem ich tätig war, ist Teil des Sonderforschungsbereichs ‚Earth – Evolution at the dry limit' mit dem Ziel, die Evolution der Erde und des Lebens unter extremer Trockenheit besser zu verstehen. Das hat mich sehr fasziniert, und Wüstenbildung ist auch im Hinblick auf den globalen Wandel ein wichtiges Thema.“ Heute leitet Bechteler ein Teilprojekt, das die genetischen Anpassungen von Wüstenpflanzen an Trockenheit untersucht. Dazu führt sie sowohl Freilandforschung vor Ort als auch genetische Analysen im Labor durch. Im Zentrum ihrer Untersuchungen stehen drei in ariden Gebieten weit verbreitete Arten aus der Familie der Loasaceae. „Optisch sehen diese Pflanzen zunächst nicht besonders spannend aus: Es sind große Büsche mit kleinen weißen Blüten und grauen Blättern, die mit vielen Härchen bedeckt sind. Das ist eine klassische Anpassung an starke UV-Strahlung. Die Pflanzen sind durch ihre weiten Verbreitungsareale allerdings sehr gute Studiensysteme, um Anpassungen an Wüsten allgemein und zugleich auch an unterschiedliche ökologische Standorte innerhalb von Wüsten zu verstehen.“
Optisch sehen diese Pflanzen zunächst nicht besonders spannend aus: Es sind große Büsche mit kleinen weißen Blüten und grauen Blättern, die mit vielen Härchen bedeckt sind. Das ist eine klassische Anpassung an starke UV-Strahlung.Julia Bechteler
Für ihre Untersuchungen hat Bechteler mit ihren Kooperationspartnern Transekte – eine Reihe linear angelegter Mess- bzw. Beobachtungspunkte – in Chile entlang der Küstenlinie und in Richtung der Anden eingerichtet. Dort untersucht sie jährlich etwa 200 bis 250 Pflanzen. „Wir analysieren deren Wachstum und ökologische Faktoren wie Wasserverfügbarkeit und Nährstoffe“, erklärt sie. Zusätzlich untersucht sie die Genexpression ausgewählter Pflanzen, um die Mechanismen der Anpassung an Trockenheitsstress zu analysieren und mit denen anderer Wüstenpflanzen zu vergleichen. Auf diese Weise möchte sie herausfinden, ob es einen gemeinsamen Gensatz gibt, der für die Anpassung an Trockenheit bei Wüstenbewohnern von Bedeutung ist.
Bechteler betont die Bedeutung ihrer Grundlagenforschung, da bisher vor allem Modellpflanzen im Fokus standen und viele Mechanismen bei Nicht-Modellpflanzen noch unbekannt sind. „Es ist spannend, Pflanzen zu untersuchen, die direkt in ihren extremen natürlichen Lebensräumen vorkommen“, sagt sie. Langfristig könnten diese Erkenntnisse möglicherweise dazu beitragen, Nutzpflanzen robuster gegen Dürre oder Hitze zu machen und so den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
An der LMU schätzt sie die hervorragenden Forschungsbedingungen, die sich ihr bieten: „Zum Beispiel ist der Botanische Garten direkt nebenan, und es gibt ein tolles Herbarium. Da sind die Wege kurz, was die Arbeit sehr angenehm macht.“ Wichtig ist ihr auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Geologen, Geochemikern und Meteorologen, um die komplexen Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Böden und Klima besser zu verstehen. „Dieser Austausch ist sehr bereichernd und erweitert den Blick ungemein.“