Quantenphysik: Der magische Kniff
19.09.2024
Einer Gruppe um LMU-Physiker Dmitri Efetov gelingt der Nachweis einzelner Photonen aus dem Infrarotbereich.
19.09.2024
Einer Gruppe um LMU-Physiker Dmitri Efetov gelingt der Nachweis einzelner Photonen aus dem Infrarotbereich.
Ein internationales Team der LMU, der Harvard University und des Institute for Materials Science in Japan hat erstmals einzelne Photonen im Infrarotspektrum mithilfe eines revolutionären Materials nachgewiesen, es besteht aus zwei in einem magischen Winkel zueinander verdrehten Graphenschichten. Damit lassen sich nun auch Photonen mit längerer Wellenlänge detektieren, dies ist wichtig für die Entwicklung neuartiger Quantensensoren.
Ein einzelnes Photon ist eine elementare Anregung des elektromagnetischen Feldes. Das Konzept der gequantelten elektromagnetischen Strahlung wurde erstmals 1900 von Max Planck zur Erklärung des Spektrums der Schwarzkörperstrahlung eingeführt und 1905 von Albert Einstein zur Erklärung des photoelektrischen Effekts verwendet. Heute können hochempfindliche Geräte, sogenannte Einzelphotonendetektoren, bei der Absorption einzelner Photonen ein Impulssignal erzeugen und sind wesentliche Bestandteile der Quantenkryptographie, der astrophysikalischen Forschung und fortschrittlicher Kommunikationssysteme.
Die Einzelphotonendetektion wird in der Regel mit supraleitenden Materialien erreicht. In einem Supraleiter kann Elektrizität ohne Widerstand fließen. Wenn ein Photon auf ein supraleitendes Bauteil trifft, stört die eingebrachte Energie den supraleitenden Zustand und erzeugt ein messbares elektrisches Signal. Während jedoch Einzelphotonendetektoren für den sichtbaren und nahen Infrarotbereich kommerziell verfügbar sind, stellt die Ausweitung dieser Fähigkeiten auf den mittleren Infrarot- und Terahertzbereich aufgrund der extrem niedrigen Energie dieser Photonen eine große Herausforderung dar. Um dieses große Ziel zu erreichen, sind neuartige Detektorkonzepte und die Erforschung neuer Materialplattformen jenseits der herkömmlichen supraleitenden Materialien erforderlich.
Die „Magie“ des „magischen“ Winkels
Das Team um Dmitri K. Efetov, Inhaber des Lehrstuhls für Experimentelle Festkörperphysik an der LMU, schlug eine Strategie zur Lösung dieses Problems vor, indem es ein revolutionäres Material verwendete, das im magischen Winkel verdrehte zweischichtige Graphen. Dieses 2018 entdeckte Material wird gebildet, indem man zwei Graphenschichten im sogenannten „magischen“ Winkel zueinander verdreht. Dies führt zu einer einzigartigen supraleitenden Phase, die sich durch eine extrem niedrige Elektronendichte auszeichnet. Sie ist zehn- bis hunderttausendmal niedriger als bei herkömmlichen Supraleitern, die üblicherweise für Einzelphotonen-Detektionsanwendungen verwendet werden.
„Unser neuer Ansatz ist relativ einfach“, erklärt Efetov. „Ist die Anzahl der Elektronen, die zum supraleitenden Zustand beitragen, außerordentlich gering, kann sogar ein einziges Photon mit niedriger Energie den supraleitenden Zustand erheblich stören. Das eröffnet einen neuen Weg zur Ausweitung der Einzelphotonendetektion auf einen größeren Spektralbereich.“
Efetovs Forschungsgruppe, Mitglied im Münchner Exzellenzcluster MCQST, ist eine der wenigen weltweit, die die Herstellung von supraleitenden Proben mit magischem Winkel beherrscht. Die Bauelemente werden vertikal aus zweidimensionalen Van-der-Waals-Materialien zusammengesetzt. Es ist dabei erforderlich, die beiden Graphenschichten präzise in einem kleinen Winkel von 1,1° zueinander auszurichten. „Im Lauf der Jahre konnten wir das Herstellungsprotokoll optimieren und supraleitende Bauelemente von höchster Qualität herstellen, die für den Nachweis einzelner Photonen unerlässlich sind“, sagt Giorgio Di Battista, Doktorand und Erstautor der im Fachmagazin Science Advances veröffentlichten Arbeit.
Die Forscher beleuchteten das Bauteil mit einer stark abgeschwächten Infrarot-Laserquelle bei extrem niedrigen Temperaturen, etwa zehn Millikelvin (weniger als ein Grad über dem absoluten Nullpunkt). Sie reduzierten die Laserleistung so weit, dass nur einzelne Photonen den Detektor erreichten. Gleichzeitig überwachten sie das induzierte elektrische Signal und konnten so die einzelnen Infrarot-Photonen nachweisen.
Das Potenzial dieser Arbeit ist nicht auf Graphen mit magischem Winkel beschränkt. Es erstreckt sich vielmehr auf eine breitere Familie von Supraleitern auf Graphenbasis, die sich durch ultraniedrige Elektronendichten auszeichnen. Die Forschung von Dmitri Efetov und seinem Team eröffnet interessante Möglichkeiten für die Nutzung dieser Materialien als neuartige Plattform für die Entwicklung revolutionärer Quantengeräte und Sensoren. Diese Entdeckung ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Ausweitung der supraleitenden Einzelphotonendetektion auf Photonen mit längerer Wellenlänge.
Giorgio Di Battista, Kin Chung Fong, Andrés Diez-Carlon, Kenji Watanabe, Takashi Taniguchi, Dmitri K. Efetov, Infrared single-photon detection with superconducting magic-angle twisted bilayer graphene, Science Advances, 2024.