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Quantensimulation: Erste Anzeichen von Streifenbildung

17.01.2025

Neue Einblicke in das Verhalten exotischer Quantenphasen: In einem Fermi-Hubbard-Modell mit kalten Atomen beobachteten Forscher erstmals Korrelationen zwischen Lochdotierungen und Anzeichen von Streifen, die mit Supraleitung in Zusammenhang stehen.

In einer neuen Studie haben Forscherinnen und Forscher des Exzellenzclusters MCQST, des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik und der LMU unter der Leitung von Timon Hilker Hinweise auf Streifenbildung, also ausgedehnte Strukturen im Dichtemuster, in einem Fermi-Hubbard-System mit kalten Atomen gefunden. Mit Hilfe eines Quantengasmikroskops und einer speziellen gemischt-dimensionalen Geometrie konnten sie einzigartige Korrelationen höherer Ordnung in den Spin- und Ladungsdichten beobachten, wie sie auch in einigen Hochtemperatur-Supraleitermaterialien zu finden sind.

Diese Ergebnisse, die ein Schlüsselphänomen der Physik der kondensierten Materie beleuchten, deuten darauf hin, dass sich einzelne Streifenstrukturen bei höheren Temperaturen als der viel diskutierten Streifenphase bilden könnten. Das Experiment markiert einen großen Fortschritt in der Anwendung von Quantensimulatoren zur Untersuchung fundamentaler Eigenschaften von Materialien.

Quantengasmikroskop am MPQ in Garching

© Jan Greune / LMU

Quantenphasen, wie sie in exotischen Quantenmaterialien wie Supraleitern, Supraflüssigkeiten oder Bose-Einstein-Kondensaten auftreten, entstehen durch Wechselwirkungen zwischen Teilchen, die komplexe, oft ungewöhnliche Anordnungen bilden. Auf mikroskopischer Ebene werden diese Phasen durch konkurrierende Kräfte wie Ladungs- und Spin-Wechselwirkungen bestimmt, die zu einem neuen, von der klassischen Physik nicht erklärbaren Verhalten führen.

Seit der Entdeckung dieser Phasen Anfang der 1980er Jahre werden ihre mikroskopischen Eigenschaften wissenschaftlich diskutiert. Es ist zum Beispiel unklar, wie Hochtemperatursupraleitung in Kupraten entsteht, bei denen der Paarungsmechanismus einen widerstandslosen Elektronenfluss ermöglicht. Damit verbunden ist auch die Frage, die das Team in dieser Arbeit untersuchte: Wie führt die starke Wechselwirkung von Dotierstoffen mit einem magnetischen Hintergrund zu effektiven Wechselwirkungen? Für Fortschritte in der Physik der kondensierten Materie und letztlich für die Entwicklung neuartiger Materialien in der Zukunft sind diese Grundlagen von großer Bedeutung.

Eine Partie Schach mit Magnetismus und „Löchern“

In einer neuen Studie mit einem Fermi-Hubbard-System – einer speziellen Form des Quantensimulators für kalte Atome – haben die Forscherinnen und Forscher eine neue Methode beschrieben, um die Bewegung und Wechselwirkung von Teilchen in einem Material zu verstehen, insbesondere wie sie sich bei bestimmten Temperaturen verhalten. Gegenstand ihrer Untersuchungen waren exotische Phasen von dotierten zweidimensionalen antiferromagnetischen Materialien. Dazu verwendeten sie einen gemischt-dimensionalen Quantensimulator, in dem die Dotierstoffteilchen oder „Löcher“ auf eine eindimensionale Bewegung beschränkt sind, während die Spins zweidimensional bleiben. Diese gemischte Anordnung begünstigt die Beobachtung von Streifenformationen – abwechselnde Muster von Ladungs- und Spindichten, die häufig mit Supraleitung in Verbindung gebracht werden.

Was die Physiker im Quantensimulator beobachten konnten, sind starke Korrelationen zwischen den Löchern, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in Clustern auftreten – ein Verhalten, das auf die Bildung von „Streifen“ hindeutet. So einen Streifen kann man sich wie eine einfache Schnur vorstellen, die lose auf dem Tisch liegt: ein eindimensionales Objekt mit einigen Schlenkern. In diesem Fall besteht die Schnur aus Löchern in einer quadratischen Anordnung von Spins. Man könnte die Streifen auch als Linie der Bauern auf einem Schachbrett betrachten. Die Quadrate des Schachbretts symbolisieren die Gitterplätze für Atome bzw. Löcher und die Bauern die Löcher. Einige der Bauern haben ihren Zug gemacht, aber der Spieler stellt gemäß den Regeln sicher, dass sie entweder direkt oder diagonal nebeneinander angeordnet bleiben.

Das Spielbrett in dieser Analogie entspricht dem antiferromagnetischen Hintergrund, auf dem sich die Löcher ausrichten. Aber anders als bei einem unveränderlichen Schachbrett wird der Magnetismus selbst wieder durch die Anordnung der Löcher beeinflusst. Hier verändert sich das Spielfeld sozusagen mit dem Verhalten der Spielfiguren. Diese Rückwirkung zwischen der Ladungsbewegung der Löcher und dem lokalen Antiferrogmagnetismus setzt die komplizierte Physik in Gang, die schließlich zu Streifenphasen und Supraleitung führt.

„Sweetspot“ für erste flukturierende Streifen

Mit Hilfe eines Quantengasmikroskops fanden die Forscher heraus, dass die Löcher Muster bilden, die darauf hinweisen, dass sie die Tendenz haben, diese Linien zu bilden - direkt oder diagonal.

Die Struktur ist jedoch nicht perfekt, da sie sich nicht über das gesamte System erstreckt. „Wir sehen hauptsächlich Fragmente von zwei bis fünf Löchern in einer Reihe. Sie sind ganz klar nicht zufällig verteilt, sondern häufen sich in einer Dimension“, sagt MCQST-Mitglied Dominik Bourgund, Doktorand und Erstautor der Arbeit. Bei niedrigen Temperaturen, nah am absoluten Nullpunkt, bilden die Löcher perfekte Linien, die den Figuren am Anfang eines Schachspiels entsprechen. Dies wurde durch numerische Berechnungen und experimentelle Beobachtungen an realen Materialien bestätigt.

In früheren Experimenten bei höheren Temperaturen waren die Löcher dagegen zufällig verteilt, vergleichbar mit dem Anblick eines Schachbretts zum Ende des Spiels hin. „Was wir untersucht haben, ist so etwas wie der Sweet Spot, wo die Materialien erste Anzeichen von kurzen, stark fluktuierenden Streifen zeigen. Unsere Messungen deuten darauf hin, dass diese Strukturen bei bestimmten Dotierungen bereits vorhanden sind, lange bevor sie sich zu einer Ladungsdichtewelle anordnen“.

Mechanismen hinter Hochtemperatursupraleitung verstehen

Mit diesem neuartigen Ansatz war es möglich, diese fluktuierenden Strukturen von Quantenzuständen zu beobachten und im Gegensatz zu Festkörperexperimenten tatsächliche Messungen durchzuführen. Die Ergebnisse des Teams zeigen, dass selbst in einem Vielteilchensystem, in dem nur repulsive Wechselwirkungen auftreten, Strukturen von gebundenen Teilchen bei einer mittleren Temperatur robust sind. Diese Ergebnisse sind besonders relevant für die Grundlagenforschung an stark korrelierten Quantenmaterialien und zeigen eindrucksvoll, dass Quantensimulatoren mit kalten Atomen zur Untersuchung dieser komplexen Quantenphasen geeignet sind. Mit ihnen können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Mechanismen hinter der Hochtemperatursupraleitung besser verstehen, was zukünftig die Entwicklung entsprechender Materialien ermöglichen könnte.

„Wir freuen uns sehr, dass dieses technisch hoch anspruchsvolle Experiment gelungen ist und sehen viele spannende Forschungsrichtungen, die sich daraus ergeben. Als nächstes wollen wir nun erste Anzeichen der Supraleitung im System testen, unser System von einer auf zwei Schichten erweitern und unser Experiment auf noch tiefere Temperaturen herunterkühlen“, so Forschungsleiter Timon Hilker mit Blick auf die nahe Zukunft.

Dominik Bourgund, Thomas Chalopin, Petar Bojović, Henning Schlömer, Si Wang, Titus Franz,, Sarah Hirthe, Annabelle Bohrdt, Fabian Grusdt, Immanuel Bloch & Timon A. Hilker. Formation of individual stripes in a mixed-dimensional cold-atom Fermi–Hubbard system. In: Nature 2025.

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