Die Daten der ersten eROSITA-Himmelsdurchmusterung sind nun zugänglich, es ist der größte Katalog hochenergetischer kosmischer Quellen, mit Details weit entfernter Sterne, schwarzer Löcher und unserer eigenen Galaxie
Das deutsche eROSITA-Konsortium hat die Daten seines Anteils an der ersten Himmelsdurchmusterung durch das abbildende Röntgenteleskop an Bord des Spektrum-RG (SRG) Satelliten veröffentlicht. Der erste eROSITA-All-Sky-Survey-Katalog (eRASS1) ist mit rund 900.000 einzelnen Quellen die größte jemals veröffentlichte Sammlung an Röntgenquellen. Zusammen mit den Daten veröffentlichte das Konsortium heute eine Reihe wissenschaftlicher Publikationen zu neuen Ergebnissen, die von Studien zur Bewohnbarkeit von Planeten bis zur Entdeckung der größten kosmischen Strukturen reichen.
In den ersten sechs Monaten Beobachtung hat eROSITA bereits mehr Quellen entdeckt, als in der 60-jährigen Geschichte der Röntgenastronomie bisher bekannt waren. Die Daten, die nun der weltweiten Wissenschaftsgemeinschaft zur Verfügung stehen, werden das Wissen über das Universum bei hohen Energien revolutionieren.
Die eRASS1-Beobachtungen mit dem eROSITA-Teleskop entstanden zwischen dem 12. Dezember 2019 und dem 11. Juni 2020. Im empfindlichsten Energiebereich der eROSITA-Detektoren (0,2-2 keV) entdeckte das Teleskop 170 Millionen Röntgenphotonen, für die die Kameras die ankommende Energie und Ankunftszeit genau messen können. Der Katalog wurde dann nach sorgfältiger Verarbeitung und Kalibrierung erstellt, indem Konzentrationen von Photonen am Himmel vor einem großflächigen, hellen und diffusen Hintergrund nachgewiesen wurden. Nach eRASS1 führte eROSITA die Durchmusterung des Himmels fort und erstellte etliche weitere vollständige Himmelsdurchmusterungen. Auch diese Daten werden in den kommenden Jahren der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht.
Dieser Katalog von Röntgen-Quellen ist eine wichtige Basis für die Entwicklung von Methoden künstlicher Intelligenz in der Astrophysik und Kosmologie.
Prof. Sven Krippendorf
Himmelsausschnitt des eRosita All-Sky Survey Catalogue (eRASS1)
Die Milchstraße liegt links im Bild, bei dem besonders hellen Punkt in der Mitte handelt es sich um den Vela-Supernovaüberrest.
Basis für die Entwicklung von Methoden künstlicher Intelligenz in der Astrophysik
Der eRASS1-Katalog deckt die Hälfte des Röntgenhimmels ab und ist der Datenanteil des deutschen eROSITA-Konsortiums. Er umfasst mehr als 900.000 Quellen, von etwa 710.000 supermassereichen schwarzen Löchern in fernen Galaxien (aktive galaktische Kerne) über 180.000 Röntgensterne in unserer eigenen Milchstraße bis hin zu 12.000 Galaxienhaufen und einer kleinen Anzahl anderer exotischer Quellen wie röntgenstrahlende Doppelsterne, Supernovaüberreste, Pulsare und andere Objekte. „Das sind überwältigende Zahlen für die Röntgenastronomie“, sagt Andrea Merloni, der leitende Wissenschaftler von eROSITA und Erstautor des eROSITA-Katalogs. „Wir haben in sechs Monaten mehr Quellen entdeckt als die großen Flaggschiff-Missionen XMM-Newton und Chandra in fast 25 Jahren.“
Zeitgleich mit der Datenfreigabe reichte das deutsche eROSITA-Konsortium fast 50 neue wissenschaftliche Publikationen bei referierten Fachzeitschriften ein, zusätzlich zu den mehr als 200, die das Team bereits vor der Veröffentlichung des Katalogs veröffentlichte. „Der Umfang der wissenschaftlichen Ergebnisse und die Bedeutung der Durchmusterung sind ziemlich überwältigend und lassen sich nur schwer in Worte fassen“, sagt Mara Salvato, die als Sprecherin des deutschen eROSITA-Konsortiums die Arbeit von rund 250 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in 12 Arbeitsgruppen koordiniert. „Aber die von unserem Team veröffentlichten Arbeiten werden für sich selbst sprechen."
An der Analyse dieser Daten arbeiten auch die Kosmologen an der LMU München, die ein paar Kilometer südlich von Garching aus der Universitäts-Sternwarte in Bogenhausen berichten. „Dieser Katalog von Röntgen-Quellen ist eine wichtige Basis für die Entwicklung von Methoden künstlicher Intelligenz in der Astrophysik und Kosmologie“, sagt Sven Krippendorf, der an der LMU KI-Methoden für eROSITA entwickelt, um mehr Informationen über die Strukturen in unserem Universum zu gewinnen. „Die zusammenhängende Himmelsdurchmusterung nach Galaxienhaufen mit eROSITA ist wirklich spektakulär und ermöglicht es, die großskalige Struktur des Universums über den gesamten extragalaktischen Himmel zu studieren“, sagt Daniel Hernández-Lang, der als Doktorand an der LMU zum langjährigen DeROSITAS Beobachtungsprogramm, das optische Himmelsdurchmusterungen komplettieren sollte um die Erstellung des eROSITA Galaxienhaufen-Katalogs zu ermöglichen, beigetragen hat. „Diese eRASS-Datenveröffentlichung ist eine fantastische Gelegenheit für die weltweite Forschungsgemeinde”, sagt LMU-Professor Joe Mohr, der zwischen 2009 und 2020 als Senior Scientist am eROSITA-Projekt arbeitete und die Erstellung und wissenschaftliche Interpretation des Galaxienhaufen-Katalogs vorbereitete. „Wir gratulieren unseren Kollegen im eROSITA-Konsortium herzlichst!"
Die erste eRASS-Datenveröffentlichung (DR1) macht nicht nur den Katalog der Quellen öffentlich, sondern auch Bilder des Röntgenhimmels bei verschiedenen Energien und sogar Listen der einzelnen Photonen mit ihren Himmelspositionen, Energien und genauen Ankunftszeiten. Die für die Analyse der eROSITA-Daten nötige Software ist ebenfalls in der Veröffentlichung enthalten. Für viele Arten von Quellen wurden auch zusätzliche Daten aus anderen Wellenbereichen in so genannte „Mehrwert“-Kataloge aufgenommen, die über die reine Röntgeninformation hinausgehen. „Wir haben enorme Anstrengungen unternommen, um qualitativ hochwertige Daten und Software zu veröffentlichen“, fügt Miriam Ramos-Ceja hinzu, die das eROSITA-Operations-Team leitet. „Wir hoffen, dass dies die Zahl der Wissenschaftler weltweit, die mit Hochenergie-Daten arbeiten, deutlich erhöhen wird, und so die Grenzen der Röntgenastronomie weiter vorangetrieben werden.“
Zur physikalischen Interpretation der eRASS-Daten tragen auch Ansätze bei, die Wissenschaftler wie Klaus Dolag von der LMU verfolgen. Diese beruhen auf dem Vergleich der Daten mit großräumigen, kosmologischen, hydrodynamischen Simulationen. „Es ist beeindruckend, dass mit Hilfe der eRASS-Daten zum ersten Mal ein einzelnes Gasfilament so weit entfernt von einem Galaxienhaufen entdeckt wurde", sagt der LMU-Professor. „Die Simulation dieser Beobachtung eines solchen Systems, bei dem beide Galaxienhaufen miteinander übereinstimmen und auch das Gasfilament reproduziert wurde, hilft uns besser zu verstehen, wie genau sich diese Strukturen bilden", sagt Benjamin Seidel, der als Doktorand an der LMU an SLOW mitgewirkt hat. Diese neue Simulation ist darauf ausgelegt, die Hauptmerkmale des lokalen Universums zu reproduzieren.
„Die eROSITA-Collaboration hat bei dieser Datenveröffentlichung hervorragende Arbeit geleistet; und das gleichzeitig mit der Veröffentlichung all dieser erstaunlichen neuen Ergebnisse“, sagt Kirpal Nandra, Direktor am MPE. „Es wird noch viel mehr von uns geben.“