Social Media: Wenn Algorithmen den Blick auf die Welt steuern
11.04.2025
Kommunikationswissenschaftlerin Anna Sophie Kümpel forscht darüber, wie soziale Medien wirken.
11.04.2025
Kommunikationswissenschaftlerin Anna Sophie Kümpel forscht darüber, wie soziale Medien wirken.
Kennt das Studium an der LMU aus eigener Erfahrung: die neuberufene Professorin Anna Sophie Kümpel. | © LMU/Stephan Höck
Zustimmung oder Hass, echte News oder Fake sind in den sozialen Medien oft nur einen Klick voneinander entfernt. Was Nutzende davon mitbekommen, kann sich stark unterscheiden.
„Welchen Inhalt ich als User sehe, ist hochgradig abhängig von den Algorithmen der jeweiligen Plattform. Sie basieren zum einen darauf, wie ich mich als Nutzerin auf der Plattform verhalte und mit welchen Inhalten ich viel interagiere. Zum anderen haben Instagram, TikTok und Co. aber auch übergreifende Regeln dazu, welche Arten von Inhalten bevorzugt ausgespielt werden. Da haben wir also eine große Abhängigkeit von den Plattformen selbst“, sagt Anna Sophie Kümpel. Das zeige auch die Entwicklung von Twitter/X: „Die Algorithmen wurden in der jüngeren Vergangenheit geändert, sodass politisch rechte Inhalte und Akteure dort präsenter sind. Das kann zumindest potenziell auch Meinungsbildungsprozesse beeinflussen.“
Wir müssen davon ausgehen, dass Medienwirkungen immer stärker individualisiert sind, weil eben jeder mit anderen Inhalten in einem anderen Kontext konfrontiert wird.Anna Sophie Kümpel , Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienrezeption und Medienwirkungen
Anna Sophie Kümpel untersucht, wie soziale Medien genutzt werden und welche Wirkung das hat. Auch das hängt von den Algorithmen ab. „Wir müssen davon ausgehen, dass Medienwirkungen immer stärker individualisiert sind, weil eben jeder mit anderen Inhalten in einem anderen Kontext konfrontiert wird.“
Anna Sophie Kümpel ist seit Oktober 2024 Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienrezeption und Medienwirkungen am Institut für Kommunikationswissenschaft der LMU. Dort hat sie 2008 ihr Studium begonnen und 2013 mit einem Master in Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. 2018 wurde sie an der LMU promoviert und blieb als Postdoc am Institut, bis sie im Jahr 2020 als Juniorprofessorin für Digitale Medien und die Methoden ihrer Erforschung an die TU Dresden wechselte. 2024 musste sie sich dann zwischen zwei Rufen entscheiden: Berlin oder München war die Frage, die sie mit der Wahl ihrer Alma Mater beantwortete.
Sie freut sich sehr, wieder zurück an der LMU zu sein. „Das IfKW ist ein tolles und offenes Institut, die Zusammenarbeit im Kollegium sehr gut.“ Inzwischen ist sie auch Mitglied im interdisziplinären LMU Open Science Center. „Transparenz und Offenheit sind mir nicht nur in meiner eigenen Forschung sehr wichtig, sondern auch für unser Fach als Ganzes zentrale Zielgrößen.“
Bereits in ihrer Doktorarbeit hat sich Anna Sophie Kümpel mit der Nachrichtennutzung in sozialen Medien beschäftigt. Das Beispiel dafür war Facebook. „Als ich damals meine Dissertation gestartet habe, war das in der jüngeren Generation noch das zentrale Netzwerk. Mittlerweile ist es eine Plattform der Älteren geworden.“
Diese Veränderung ist typisch für ihr Forschungsfeld. „Bei den sozialen Medien tut sich so viel und in so einer Geschwindigkeit, dass man kaum hinterherkommt“, sagt die LMU-Forscherin, die genau aus diesem Grund immer wieder bewusst gedanklich einen Schritt zurückgeht. „Für mich ist es ein Anlass, mich mit theoretischen Fragen zu beschäftigen: Was sind übergeordnete Merkmale, die die Informationsnutzung in sozialen Medien kennzeichnen? Und welchen Einfluss haben diese?“ So entwickelt sie Forschungsmethoden, die auf mehrere Plattformen übertragbar sind, und immer wieder neue Ideen, wie sich die zunehmend individualisierte Mediennutzung in empirischen Projekten adäquat abbilden lässt.
In einem aktuellen DFG-Projekt, das untersucht, wie ältere Personen sich auf Social Media und via Messengerdiensten informieren, baut sie mit ihrem Team daher sogar personalisierte Feeds nach.
Die Algorithmen haben Hatespeech und Desinformation schon immer gepusht, weil sie sehr stark auf Inhalte anspringen, die emotionalisieren und polarisieren.Anna Sophie Kümpel, Inhaberin des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienrezeption und Medienwirkungen
Zu den unschönen Gemeinsamkeiten der sozialen Medien gehören Hatespeech und Desinformation. „Die Algorithmen haben beides schon immer gepusht, weil sie sehr stark auf Inhalte anspringen, die emotionalisieren und polarisieren“, sagt Anna Sophie Kümpel. „Was dagegen getan wird, hängt nicht zuletzt von rechtlichen Rahmenbedingungen und natürlich den Plattformen selber ab.“
Die Kommunikationswissenschaftlerin beobachtet aktuelle Entwicklungen wie die Entscheidung von Meta-Chef Mark Zuckerberg, unabhängige Faktenchecks in den USA auszusetzen und durch Community Notes auszutauschen, „mit Sorge“: „Das finde ich durchaus problematisch, da die Arbeit von Faktencheck-Redaktionen nachweislich dazu beitragen kann, Falsch- und Fehlinformationen in sozialen Medien zu bekämpfen. Sie schränken auch, wie von Zuckerberg behauptet, die Meinungsfreiheit nicht ein, sondern stärken diese vielmehr, indem sie Nutzenden klare Hinweise dazu geben, welchen Informationen man vertrauen kann.“