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Studie: Lebenszufriedenheit beeinflusst Angst vor Migration

16.10.2023

Personen, die mit ihrem Leben zufrieden sind, haben weniger Sorgen vor Zuwanderung als Unzufriedene. Eine LMU-Studie zeigt: Unabhängig von objektiven Kriterien reicht eine subjektive Unzufriedenheit aus, dass Ängste vor Migration zunehmen.

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Die Einstellung gegenüber Zuwanderung ändert sich, auch abhängig von der subjektiven Lebenszufriedenheit, zeigt die LMU-Studie. | © IMAGO / Manngold

Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Einkommen oder Ihrer Wohnsituation und mit Ihrem Leben ganz allgemein? Antworten auf diese Frage lassen Rückschlüsse auf die Einstellung gegenüber Zuwanderung zu. „Wer mit seinem Leben eher zufrieden ist, hat weniger Sorge vor Migration. Das lässt sich aber nicht unbedingt auf objektive Faktoren zurückführen. Sobald dieselben Personen unglücklicher oder glücklicher werden, hat dies Auswirkungen darauf, wie sie über Zuwanderung denken, unabhängig davon, ob sich ihre Situation objektiv ändert“, sagt Dr. Fabian Kratz vom Lehrstuhl für Quantitative Ungleichheits- und Familienforschung der LMU.

Der Soziologe hat auf Basis der Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) über einen Zeitraum von 20 Jahren den Einfluss des objektiven und subjektiven Wohlbefindens derselben Personen auf deren Einstellung gegenüber Zuwanderung untersucht. „Mithilfe eines innovativen statistischen Ansatzes können wir erstmals zeigen, wie sich Änderungen in der Zufriedenheit mit dem eigenen Leben auf die Einstellung gegenüber Zuwanderung auswirken“, sagt Kratz.

Im Rahmen des SOEP-Panels wird die Lebenszufriedenheit auf einer elfstufigen Skala gemessen. Bereits Abweichungen um einen Punkt wirken sich der LMU-Studie zufolge auf die Einstellung gegenüber Zuwanderung aus.

Subjektive Wahrnehmung entscheidet über Lebenszufriedenheit

„Es gibt in den Sozialwissenschaften eine Debatte darüber, ob Einstellungen von Personen in der Kindheit geformt werden und dann weitgehend konstant bleiben oder auch im späteren Leben variabel bleiben. Unsere Studie ist ein Beleg dafür, dass sich Einstellungen über die Lebensspanne hinweg ändern können“, sagt Fabian Kratz. Der Soziologe vermutet, dass ein Sündenbock-Mechanismus greift, sobald die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben sinkt und daraufhin Ängste vor Migration zunehmen. Umgekehrt sinken die Sorgen, sobald die Lebenszufriedenheit wieder zunimmt.

Dieser Einstellungswandel lässt sich für alle untersuchten Personengruppen der SOEP-Daten, die mehr als 60.000 Befragte zwischen 17 und 65 Jahren umfassen, nachweisen, mit einer Ausnahme: Menschen mit hoher Bildung ändern ihre Ansicht über Migration nicht, wenn ihre Lebenszufriedenheit abnimmt. „Je glücklicher hochgebildete Personen werden, desto weniger Sorgen haben sie. Ihre Sorgen nehmen aber nicht zu, wenn ihre Lebenszufriedenheit sinkt. Eine hohe Bildung kann offenbar davon abhalten, anderen die Schuld an der eigenen Unzufriedenheit zu geben“, folgert Kratz. Seine Ergebnisse zeigten, dass es bei der Einstellung gegenüber Migration weniger darauf ankomme, wie es Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich gehe, sondern wie diese subjektiv ihre Situation wahrnehmen. „Um Sorgen vor Zuwanderung zu begegnen, könnte es ein Ansatz sein, die subjektive Unzufriedenheit von Bürgerinnen und Bürgern abzufedern.“

Publikation:

Fabian Kratz: A liberalizing effect of happiness? The impact of improvements and deteriorations in different dimensions of subjective well-being on concerns about immigration. In: European Sociological Review 2023

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