Vier neue ERC-Grants an der LMU
18.01.2024
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben zusammen mit der LMU Förderungen des Europäischen Forschungsrates (ERC) eingeworben.
18.01.2024
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben zusammen mit der LMU Förderungen des Europäischen Forschungsrates (ERC) eingeworben.
Professorin Claudia Steinwender (Innovation and International Trade, Volkswirtschaft) wird mit einem der hochdotierten Starting Grants des Europäischen Forschungsrates gefördert. Starting Grants vergibt der ERC anhand der wissenschaftlichen Exzellenz der Antragstellerinnen und Antragssteller sowie des beantragten Projekts. Sie zählen zu den angesehensten Forschungsförderungen in Europa.
Professor Tim Liedl (Physik) wird bereits mit einem Consolidator Grant des ERC gefördert, Professor Emiliano Cortés (Nanomaterials for Energy, Physik) und Professor Majid Zamani (Informatik) mit je einem Starting Grant. Nun erhalten die LMU-Wissenschaftler darauf aufbauend je einen sogenannten Proof of Concept Grant. Mit diesem Programm unterstützt der ERC Forscherinnen und Forscher dabei, ihre Ergebnisse aus der Forschung in die Praxis zu überführen.
Claudia Steinwender ist Professorin für Innovation und Internationalen Handel an der Volkswirtschaftlichen Fakultät.
Multinationale Konzerne sind entscheidende Treiber des globalen Wirtschaftswachstums und verantworten etwa 30 Prozent der weltweiten Produktion. Allerdings nimmt die Wirtschaftsleistung ausländischer Tochtergesellschaften ab, je weiter sie vom Hauptsitz des Unternehmens entfernt sind. Dieses Muster deutet auf Reibungsverluste hin, die das Wirtschaftswachstum beschränken, das ausländische Direktinvestitionen in den Gastländern erzeugen können.
Die Erklärungen hinter diesem Phenomen sind wenig verstanden. Prof. Claudia Steinwender untersucht in ihrem ERC-Projekt MANDIST (Management at a distance) Managementprobleme aus der Ferne als mögliche Erklärung. Es ist plausibel anzunehmen, dass Prinzipal-Agent-Probleme zwischen dem Hauptsitz und Managern ausländischer Tochtergesellschaften überproportional zunehmen, wenn unterschiedliche Länder, Kulturen, Sprachen und Institutionen beteiligt sind. Bisher gibt es jedoch keine systematischen Erkenntnisse zu derartigen Problemen und wie sie gelöst werden könnten.
Steinwender will sich in ihrem Projekt auf zwei mögliche Lösungen konzentrieren: die Beschäftigung von Managern mit Verbindung zum Hauptsitz und besseres Monitoring mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT). Mithilfe neuer Datenquellen und innovativer empirischer Ansätze will sie die ersten umfassenden Datensätze zu Managern und zur Nutzung von IKT in multinationalen Unternehmen erstellen und mehrere Kanäle untersuchen, über die Prinzipal-Agent-Probleme das Wirtschaftswachstum im In- und Ausland beeinflussen können.
Claudia Steinwender war nach Studien der Wirtschaftsmathematik und Internationaler BWL in Wien drei Jahre lang bei der Unternehmensberatung McKinsey tätig, bevor sie an der London School of Economics (LSE) promovierte. Anschließend forschte sie an der Princeton University und der Harvard Business School und seit 2017 als Assistenzprofessorin am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Im Jahr 2021 wechselte sie an die LMU.
In seiner Arbeitsgruppe am Nanoinstitut der LMU hat Emiliano Cortés ein Mikroskop entwickelt, das eine hohe Auflösung von bis zu zwei Nanometern hat und in der Lage ist, ultraschnelle Oberflächenprozesse auf nichttransparenten Materialien unter realen Betriebsbedingungen zu überwachen. Das Gerät könnte in zahlreichen wichtigen Branchen breite Anwendung finden, etwa in der Halbleiterindustrie, bei der Batterieentwicklung und –herstellung oder auch im Bereich der grünen Energie. Dort ist es bei vielen Fragestellungen entscheidend, Oberflächenphänomene markierungsfrei und in Echtzeit sichtbar zu machen.
Genau hier setzt das neue ERC-PoC-Projekt SURFLIGHT von Cortés an, mit dem er sich zum Ziel gesetzt hat, das außergewöhnliche optische Mikroskop auf den Markt zu bringen. Das Mikroskop von SURFLIGHT ist in der Lage, aktive Stellen auf Oberflächen und Nanomaterialien zu identifizieren, die für katalytische Reaktionen und die Umwandlung von Solarenergie unerlässlich sind. Die Technologie ermöglicht es, die Forschung und Entwicklung im Bereich der Katalyse durch Echtzeit-Visualisierung und Optimierung der Katalysatornutzung zu rationalisieren. Das senkt die Kosten. Darüber hinaus minimiert sie den Bedarf an ständig sich wiederholenden Tests. Das spart Zeit und Ressourcen. So erhöht sich in der Folge auch die Lebensdauer von Katalysatoren, gleichzeitig reduziert sie den Austausch von Katalysatoren durch Echtzeitüberwachung des Katalysatorabbaus unter realen Bedingungen. Großflächige Prozessausfälle lassen sich dadurch vermeiden.
Cortés und seine Arbeitsgruppe wollen nun im Rahmen von SURFLIGHT eine gründliche Marktanalyse erstellen. Das Team hat bereits zwei Patente auf diese Technologie angemeldet. Der intensive Dialog mit akademischen und industriellen Partnern soll helfen, die Anforderungen der Industrie an das Mikroskop genauer zu charakterisieren. Dies soll den Forschenden ermöglichen, das Mikroskop zu optimieren, auch gezielt auf Kundensektoren hin. So könnte es möglich werden, SURFLIGHT schnell auf den Markt zu bringen und für eine Vielzahl von Industriezweigen kommerziell zu anzubieten.
Emiliano Cortés ist Professor für Experimentalphysik an der LMU und bereits 2018 mit einem ERC Starting Grant ausgezeichnet worden. Er leitet die Arbeitsgruppe Nanomaterialien für Energie am Nanoinstitut München der LMU. Der Physiker gehört zudem dem Exzellenzcluster e-conversion zur Erforschung der Grundlagen von Energieumwandlungsprozessen, dem Center for Nanoscience (CeNS) und der Bayerischen Initiative für Solartechnologien (SolTech) an.
Tim Liedl ist Professor für Experimentalphysik und Mitglied des Center for NanoScience (CeNS). Er forscht an der Anwendung DNA-basierter Nanostrukturen in der Biologie und in selbstorganisierten optisch aktiven Materialien. Seine multidisziplinäre Forschung bewegt sich somit an der Schnittstelle zwischen Nanowissenschaften und Biophysik.
Im Jahr 2022 wurden in der EU gefälschte und raubkopierte Waren im Wert von 119 Milliarden Euro verkauft. Fälschungen von Produkten stellen in einer zunehmend globalisierten Welt mit langen Lieferketten eine große gesellschaftliche Herausforderung dar. Gerade bei sensiblen Gütern, wie Arzneimitteln, entstehen dadurch auch erhebliche Sicherheitsrisiken. Die WHO schätzt, dass jährlich etwa 100.000 Kinder unter fünf Jahren aufgrund der Einnahme gefälschter Medikamente sterben.
Zu den Sicherheitsmaßnahmen gegen Arzneimittelfälschungen gehören unter anderem manipulationssichere Siegel, Sicherheitsnummern, RFID-Etiketten, farbverändernde Druckfarben und Hologramme. Die derzeitigen Strategien zur Verhinderung von Fälschungen echter Waren erweisen sich jedoch oft als unzureichend. Tim Liedl drückt es so aus: „Bei den aktuellen physischen Authentifizierungsetiketten sind alle Merkmale nachahmbar.“ Das Fehlen einer einfachen und robusten Methode zur Überprüfung der Echtheit eines Produkts verursache immense wirtschaftliche und menschliche Schäden.
Tim Liedl will dieses Problem mithilfe der Nanotechnologie lösen. Im Zuge seines neu geförderten Projekts NanoPUF (Physical Unclonable anticounterfeit tags using Nanotechnology) plant er die wirtschaftliche Nutzbarmachung von nicht-kopierbaren physischen Kennzeichnungen, die an Produktverpackungen angebracht und über ein 3D-gedrucktes tragbares Mikroskop authentifiziert werden können. „Unsere Arbeit, die sich in den letzten Jahren von einer bloßen Idee zu einem konkreten Prototyp weiterentwickelt hat, bietet eine fälschungssichere, billige und zuverlässige Verpackungslösung und kann Teil der Lieferkettenlogistik von Pharmazeutika bis zu Luxusgütern werden und vielleicht sogar auf Banknoten Anwendung finden“, sagt Liedl.
Majid Zamani ist Gastprofessor am Institut für Informatik der LMU und hat zudem eine Professur im Computer Science Department der University of Colorado Boulder (USA) inne.
Autonomes Fahren gilt als Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Die Entwicklung sicherer und zuverlässiger Steuersoftware bleibt jedoch eine entscheidende Herausforderung für Fahrzeughersteller, um vollständig autonome Fahrzeuge zu realisieren. Die ungenügende Zuverlässigkeit aktueller Software wird vor allem auf mangelnde formale Korrektheit zurückgeführt, die zu Unklarheiten und fehlerhaften Implementierungen führen kann. Menschliche Faktoren und begrenzte Prüfszenarien erhöhen zudem die Fehlerwahrscheinlichkeit und lassen zahlreiche Randfälle unberücksichtigt. Dies hat nicht nur zu Unfällen geführt, sondern auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in autonome Fahrzeuge erschüttert und die weitere Entwicklung behindert.
Aufbauend auf sein mit einem ERC Starting Grant gefördertes Projekt AutoCPS will Prof. Majid Zamani im Rahmen seines Proof-of-Concept-Projekts CertiCar (Automated Synthesis of Certifiable Control Software for Autonomous Vehicles) die Generierung von Steuersoftware automatisieren und robuste, zuverlässige und formal korrekte Software für die Automobilbranche entwickeln. Ein zuverlässiges Kollisionsvermeidungssystem (ACAS) ist für autonome Fahrzeuge besonders wichtig. CertiCar zielt darauf ab, ein fortschrittliches Kollisionsschutzsystem (ACAS) bereitzustellen, das von Grund auf formal korrekt gestaltet ist. Dies verspricht nicht nur eine sichere Fahrzeugsteuerung, sondern könnte auch die Dauer von Prüfverfahren um mehrere Größenordnungen reduzieren und die Entwicklung eines vollständigen Software-Stacks für zertifizierbare autonome Fahrzeuge einen bedeutenden Schritt voranbringen.
Majid Zamani erhielt 2012 einen Doktortitel in Elektrotechnik und einen MA-Abschluss in Mathematik von der University of California, Los Angeles. Anschließend war er an den Technischen Universitäten Delft und München tätig, bevor er 2019 eine Gastprofessur an der LMU und eine Professur an der University of Colorado, Boulder, übernahm.