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Wie Bauernhöfe vor Asthma im Kindesalter schützen

02.11.2020

Millionen Kinder erkranken bereits in jungen Jahren an Asthma. Bauernhofkinder haben ein geringeres Asthmarisiko als Kinder, die nicht auf einem Bauernhof leben. Eine Forschungsgruppe des Dr. von Haunerschen Kinderspitals der LMU und des Helmholtz Zen...

Von Geburt an sind wir einer Umwelt voller winziger Organismen ausgesetzt, sogenannte Mikrobiota. In den ersten Minuten und Stunden des Lebens beginnen sie, unser Immunsystem zu fordern und es dabei gleichzeitig zu trainieren. Das größte Immunorgan ist dabei unser Darm. Die Reifung des Immunsystems ist daher untrennbar mit der Reifung der kolonisierenden Bakterien verbunden, dem sogenannten Darmmikrobiom. Nach einem Reifungsprozess im ersten Lebensjahr stabilisiert sich die Zusammensetzung des Darmmikrobioms allmählich und begleitet uns ein Leben lang. Frühere Studien der Münchner Wissenschaftler zeigten, dass ein vielfältiges Umweltmikrobiom zu einer Schutzwirkung vor Asthma führt, die besonders bei Bauernkindern ausgeprägt ist. Die Forschungsgruppe untersuchte nun, ob dieser Effekt auf den Reifungsprozess des Darmmikrobioms bei Kindern zurückzuführen sein könnte.

Dazu analysierten die Forschenden Stuhlproben von mehr als 700 Kindern im Alter von zwei bis zwölf Monaten, die teilweise auf traditionellen Bauernhöfen aufwuchsen. Die Proben stammten aus PASTURE, einer europäischen Geburtenkohorte, die bereits seit knapp 20 Jahren läuft und von der Europäischen Kommission gefördert wird. „Wir stellen fest, dass ein vergleichsweise großer Teil der Schutzwirkung des Bauernhofs vor Asthma im Kindheitsalter auf die Reifung des Darmmikrobioms im ersten Lebensjahr zurückzuführen ist“, erklärt Martin Depner, Biostatistiker am Helmholtz Zentrum München. „Dies deutet darauf hin, dass Bauernhofkinder mit Umweltfaktoren, wahrscheinlich Mikrobiota, in Berührung kommen, die mit ihrem Darmmikrobiom interagieren und diesen Schutzeffekt herbeiführen.“

Die Forscher gingen davon aus, dass die Ernährung zur Reifung des Darmmikrobioms beiträgt. Sie waren jedoch überrascht, dass bauernhofspezifische Einflüsse wie der Aufenthalt in Tierställen einen starken Einfluss auf die Reifung hatten. Dies bestätigt, dass die Umwelt, in der man aufwächst, eine Rolle für die Schutzwirkung vor Asthma im Kindesalter spielt. Für die Zeit der ersten zwei Lebensmonate trugen eine vaginale Geburt und das Stillen des Kindes ebenfalls zur Schutzfunktion des Mikrobioms bei.

Darüber hinaus stellten die Forschenden eine inverse Assoziation von Asthma mit der gemessenen Konzentration von Butyrat im Stuhl fest. Diese kurzkettige Fettsäure hat bei Mäusen eine asthmaschützende Wirkung. Das Team kam zu dem Schluss, dass Darmbakterien wie Roseburia und Coprococcus, die kurzkettige Fettsäuren produzieren, auch beim Menschen zum Asthmaschutz beitragen könnten. Kinder mit einem ausgereiften Darmmikrobiom wiesen im Vergleich zu anderen Kindern eine höhere Menge an Roseburia- und Coprococcus-Bakterien auf.

„Unsere Studie liefert weitere Hinweise darauf, dass der Darm einen Einfluss auf die Gesundheit der Lunge haben kann. Die Atemwege der untersuchten Kinder wurden durch ein ausgereiftes Darmmikrobiom mit einem hohen Gehalt an kurzkettigen Fettsäuren geschützt“, sagt Markus Ege, Professor für klinisch-respiratorische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU. „Dies spricht für die Idee einer relevanten Darm-Lungen-Achse beim Menschen, bedeutet aber auch, dass ein unreifes Darmmikrobiom zur Entstehung von Krankheiten beitragen kann. Umso wichtiger sind Präventionsstrategien im ersten Lebensjahr, wenn das Darmmikrobiom noch leicht beeinflusst werden kann.“

Prävention mit Probiotika

Die Studie zeigt weiterhin, dass es kein einziges Bakterium gibt, das alleine für den Asthmaschutz verantwortlich ist. Vielmehr ist die Reifung des gesamten Darmmikrobioms der Schlüsselfaktor. Diese Erkenntnis stellt den Einsatz einzelner Bakterien als Probiotika zur Asthma-Prävention infrage. Vielmehr sollten Probiotika im Hinblick auf ihre nachhaltige Wirkung auf die Zusammensetzung des Darmmikrobioms und dessen Reifung geprüft werden.

Ernährungsspezifische Aspekte der Studie können für Präventionsstrategien genutzt werden, zum Beispiel Kuhmilch. Unverarbeitete Rohmilch kann jedoch wegen des Risikos lebensbedrohlicher Infektionen wie EHEC nicht empfohlen werden. Wissenschaftler des Dr. von Haunerschen Kinderspitals führen hierzu derzeit eine klinische Studie über die Auswirkungen von minimal verarbeiteter, aber mikrobiologisch sicherer Milch zur Vorbeugung von Asthma und Allergien durch, die sogenannte MARTHA-Studie.Nature Medicine, 2020.

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